Hintergründe der Sparkassenfusion:Die "schwierige Phase" in Ebersberg

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Die Sparkasse Ebersberg gehört inzwischen zur größeren Sparkasse München Starnberg. Bei der Fusion hieß es: Alles in bester Ordnung. Allerdings hatte die kleine Sparkasse im Landkreis sehr wohl Probleme - es lohnt sich ein genauer Blick.

Christoph Giesen und Tom Soyer

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2008 hat die Kreissparkasse München Starnberg mit einer Anzeigenkampagne beruhigt: "Wir verkaufen Ihre Kredite nicht." Anfang des Monats hat sich das Institut mit der Kreissparkasse Ebersberg zusammengeschlossen - und Letztere hat in den vergangenen Jahren einige ihrer notleidenden Kredite verkauft, unter anderem an ein Inkassounternehmen der Investmentbank JP Morgan.

Allzu laxe Kreditvergabe? Mindestens 65 Millionen Euro musste die Ebersberger Sparkasse in den vergangenen Jahren abschreiben. Inzwischen gehört das Geldinstitut zur wesentlich größeren Sparkasse München Starnberg. Das Bild zeigt die alte Zentrale in Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Gegensatz zum größeren Fusionspartner hatten die Ebersberger überhaupt bis vor ein paar Jahren gravierende Probleme mit Millionenkrediten, die möglicherweise allzu leichtfertig gewährt worden waren. Zum Beispiel an Mitglieder des Verwaltungsrats. Dies beleuchtet exemplarisch, wie eine besondere Nähe zum Kunden zum Problem lokaler Geldinstitute werden konnte.

Es muss vorausgeschickt werden, dass die Schwierigkeiten der Ebersberger Sparkasse bei der aktuellen Fusion als bereits abgearbeitete Altlasten eingestuft worden waren: von den beiden Kreistagen in Starnberg und im Landkreis München ebenso wie vom Vorstand der Kreissparkasse München Starnberg. Dennoch lohnt ein Blick auf die Vorgänge in Ebersberg, weil sich dort ablesen lässt, wie eine ländliche Sparkasse durch eine aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbare Kreditpolitik des Vorstands in Gefahr gerät - und dann vielleicht auch zum Übernahmekandidaten für gesunde Nachbarn wird.

Wer sich für die Kreissparkasse Ebersberg interessiert, sitzt irgendwann auf einem der barocken Holzstühle in Hubert Heuns Arbeitszimmer in Kirchseeon. Niemand hat sich in den vergangenen Jahren so intensiv mit dieser Sparkasse beschäftigt wie Heun und niemand kritisiert die Bank so scharf wie er. Hubert Heun ist Widersacher, Kunde und ehemaliger Verwaltungsrat in einem. Mehrere Schrankwände voll mit Aktenordnern haben sich über die Jahre angesammelt. Briefwechsel, Bilanzen, Beschwerden - alles hat Heun abgeheftet.

Er greift nach einem schwarzen Leitzordner. "Vergleicht man die Bilanzen der Kreissparkasse Ebersberg mit anderen Sparkassen in Oberbayern, fällt auf, dass Ebersberg über Jahre hinweg schwächer abschneidet", sagt er und zieht die aktuelle Bilanz aus einer Klarsichtfolie - Zahlenkolonnen, 17 Seiten lang. Ganz am Ende steht ein Bilanzgewinn: 410.000 Euro waren es im Geschäftsjahr 2009. "Der Gewinn ist erbärmlich gering", sagt Heun und holt einen zweiten Ordner aus dem Regal. Noch mehr Zahlen.

"Keine der Banken macht so wenig Gewinn wie Ebersberg, und das schon seit Jahren." 2008 waren es 318.000 Euro, 306.000 Euro im Jahr 2007. "Besonders dramatisch war das Jahr 2004: 170.000 Euro Gewinn sehen genauso schwach wie immer aus. Doch die entscheidende Zahl in diesem Jahr ist das Eigenkapital", sagt Heun. Sein Zeigefinger wandert über die Seiten. "Hier haben wir es. Im Jahr 2003 hatte die Bank noch ein Eigenkapital von 66 Millionen Euro, 2004 wurde es abgesenkt auf 46 Millionen Euro." Sein Finger pocht mehrmals auf die 46. "Ein Eigenkapital von 46 Millionen Euro bei einer Bilanzsumme von 1,2 Milliarden Euro - das ist dürftig", sagt Heun.

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Wie konnte es dazu kommen, dass eine kreuzbrave Sparkasse in Bedrängnis kommt? Eine Bank die seit Jahren konservativ investiert. Die ihr Geld in Staatsanleihen steckt, deutsche selbstverständlich, keine spanischen oder gar griechischen Schuldscheine, keine wilden Aktienspekulationen und schon gar keine toxischen Papiere aus den Vereinigten Staaten, mit denen sich Banken wie die IKB, die sächsische Landesbank oder Lehman Brothers die Bilanzen verdorben haben.

An der finanziellen Misere der vergangenen Jahre ist Hubert Heun nicht ganz unschuldig. Mitte der neunziger Jahre saß er als CSU-Vertreter im Verwaltungsrat der Bank. Damals war von einer Krise und von Millionenabschreibungen noch nichts zu spüren. Jahr für Jahr erwirtschaftete die Sparkasse einen ordentlichen Gewinn. Auch Heun und die anderen Verwaltungsräte profitierten davon.

An Verwaltungsratsmitglieder und Vorstände kann die Bank sogenannte Organkredite vergeben. Günstige Darlehen mit sehr niedrigem Zinssatz und besonders interessant für viele Unternehmer: die volle Flexibilität. Zu Heuns Zeiten genehmigten sich die Verwaltungsräte knapp 130 Millionen Mark an Krediten. "Es wurde immer einstimmig über die Kredite für Verwaltungsratsmitglieder entschieden", sagt Heun.

Wofür die Räte das Geld benötigten, wusste keiner so recht. "Der damalige Vorstand hat die Fälle vorab geprüft, aber nicht mehr im Detail den Verwaltungsräten vorgestellt." Hätte einer der Verwaltungsräte gegen einen Kredit gestimmt, er hätte fürchten müssen, dass sein eigenes Darlehen torpediert wird. Statt zu überwachen, waren die Verwaltungsräte in ein Netzwerk eingebunden.

Die Sparkasse gewährte Hubert Heun ein Darlehen in Höhe von elf Millionen Mark, damit finanzierte er den Betrieb seiner Nähereien, in denen er Berufskleidung fertigen ließ. Warum Heun überhaupt Kredite gewährt bekam, lässt sich heute nur schwer nachvollziehen. Schon in den neunziger Jahren zeichnete sich deutlich ab, dass Hemden und Hosen bald viel preiswerter in Osteuropa und Asien gefertigt werden und Heuns Geschäftsmodell sich dem Ende näherte.

Erklären lässt sich die großzügige Kreditpolitik nur mit dem boomenden Grundstücksmarkt. Viele Darlehen wurden mit Immobilien abgesichert. Kein Risiko, glaubten die Vorstände, doch mit dem Platzen der Dotcom-Blase fielen erstmals seit Jahren die Immobilienpreise im Münchner Großraum, besonders der Gewerbeimmobilienmarkt erlebte einen Einbruch. Viele Kredite bei der Sparkasse Ebersberg waren mit Immobilien abgesichert, die nun weniger wert waren.

Binnen weniger Monate wurden aus soliden Darlehen potenziell faule Kredite, die im schlimmsten Fall wertberichtigt werden müssen. Und der Fall trat ein. Mehrfach. Einige der Investoren - darunter auch Verwaltungsräte - kamen in finanzielle Schwierigkeiten und konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen. Mindestens 65 Millionen Euro wurden in Ebersberg abgeschrieben.

Um auf Nummer sicher zu gehen und in Zukunft nicht weitere Abschreibungen vornehmen zu müssen, entschied sich die Sparkasse 2006, mit der Frankfurter Inkassofirma Whiteshire Debt Solutions, einem Tochterunternehmen der amerikanischen Investmentbank JP Morgan, zusammenzuarbeiten. Laut Homepage ist Whiteshire darauf spezialisiert "leistungsgestörte und ausfallgefährdete Kreditengagements" zu übernehmen. Wer seine Bilanzen bereinigen möchte, muss erhebliche Abschläge in Kauf nehmen. Sieben bereits abgeschriebene Kredite verkaufte die Sparkasse an Whiteshire weiter und begnügte sich damit, je nach Kredit nur noch 40 bis 80 Prozent des ohnehin schon geminderten Wertes zu bekommen.

Auch Heuns Elf-Millionen-Mark-Darlehen verkaufte die Sparkasse. "Für mich war das ein Glücksfall", sagt Heun rückblickend. Er einigte sich mit Whiteshire und zahlte einen Bruchteil des Geldes. "Ich bin seit dem Sommer schuldenfrei und habe meine Immobilien behalten." Den Verlust hat die Sparkasse Ebersberg eingefahren und abgeschrieben.

Die Ebersberger Kreditaltlasten seien bei der aktuellen Fusion natürlich bekannt gewesen, sagt Johanna Rumschöttel, die Landrätin des Landkreises München. Deshalb habe man externe Gutachter eingehend prüfen lassen, und deshalb sei allen Entscheidern die Unbedenklichkeitserklärung des Sparkassenverbandes und der Regierung von Oberbayern so wichtig gewesen.

Auch der seit 1. Mai amtierende Vorstandsvorsitzende der "Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg" bekräftigt, dass die beiden jungen Ebersberger Vorstände Peter Waßmann und Andreas Frühschütz in den vergangenen fünf, sechs Jahren eine erfolgreiche Konsolidierungspolitik hingelegt hätten. "Seit zwei, drei Jahren ist die Sparkasse Ebersberg zurück in der Welt der guten Sparkassen", sagt Josef Bittscheidt. Die Probleme seien von deren Vorgängern geschaffen worden.

Dass sich bei namhaften Krediten mitunter "Überschneidungen in den Funktionen" ergeben hätten in Ebersberg, so Bittscheidt, das habe sicher mit bedingt, dass diese Sparkasse zwischen 2000 und 2004 "eine schwierige Phase" zu bestehen hatte.

© SZ vom 26.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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