Geschacher im Stadtrat:Willkommen in der Grafinger Spezlwirtschaft

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In Grafing will eine Stadtratsmehrheit verhindern, dass die Bewirtung der Schulmensa öffentlich ausgeschrieben wird - zugunsten eines CSU-Fraktionsmitglieds.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es ist ein seltener Einblick in einen mindestens fragwürdigen Vorgang in Grafings Lokalpolitik: Obwohl die Bewirtschaftung der Grundschulmensa dringend hätte neu und öffentlich ausgeschrieben werden müssen, versuchte dies der Stadtrat zu verhindern - in nichtöffentlicher Sitzung und zum Vorteil des Caterers und CSU-Stadtrats Franz Saißreiner. Erst als Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) den blockierenden Stadträten eine Woche später mit persönlicher Haftung drohte, hob das Gremium seinen rechtswidrigen Beschluss auf.

Die Caterer ihrer Schulkantinen können Gemeinden in der Regel nicht selbst bestimmen, denn die Vergabeverordnung schreibt hier eine öffentliche Ausschreibung vor. Nach dem Prinzip: Möge das beste Angebot den Zuschlag erhalten. Bei Schulkantinen ist dieses Prozedere meistens geboten, denn die Wertgrenze, ab der es durchzuführen ist, liegt bei 100 000 Euro. Wer jeden Schultag mehr als hundert Mahlzeiten serviert, dürfte diesen Betrag zum Zwischenzeugnis längst überschritten haben.

In Grafing aber hat das schon im Jahr 2013 niemanden interessiert, das geht aus einer Beschlussvorlage für den nichtöffentlichen Teil der Stadtratssitzung am 15. Januar hervor. Die "eigentlich zwingend vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung" habe nie stattgefunden, heißt es in dem Papier. Stattdessen habe die Metzgerei von Franz Saißreiner - die Grafinger wählten ihn ein Jahr später über die CSU-Liste in den Stadtrat - den Zuschlag über eine sogenannte beschränkte Ausschreibung erhalten.

Heftige und emotionale Widerworte

Der Wettbewerb ist hierbei geringer - die Chance auf den Zuschlag im Gegenzug höher. An jenem 15. Januar wollte die Stadtverwaltung die öffentliche Ausschreibung nun nachholen, denn selbst wenn bereits im Jahr 2013 alles korrekt gelaufen wäre, müsse dies jetzt dringend erneut geschehen. Das bayerische Wirtschaftsministerium habe den Rhythmus zwischen den Ausschreibungen längst "mit circa drei bis fünf Jahren konkretisiert".

Als die Verwaltung deswegen den Vertrag mit der Metzgerei aus dem Jahr 2013 zur Kündigung beantragte, sollen heftige und emotionale Widerworte gefallen sein. Deren Credo: Man wolle die Mensa-Bewirtung nicht öffentlich ausschreiben. Sondern auf eine Art und Weise, dass ein lokaler Anbieter gewinne. Abgesehen von einigen Kritikern, die sich beim Thema Essen immer fänden, herrsche mit dem aktuellen Caterer große Zufriedenheit. Zudem werde das Essen frisch gekocht und nicht von weit her angeliefert. Auffallend ist: Vertreter von sich nicht gerade freundlich gesinnten Stadtratslagern schildern den Vorgang übereinstimmend.

Die Debatte spielte sich unter einem nicht unwesentlichen Zeitdruck ab. Denn erfolgt die Kündigung nicht bis 31. Januar, verlängert sich der Vertrag automatisch um ein weiteres Schuljahr, also bis Juli 2020. Der Hinweis der Stadtverwaltung, dass ein großes Catering-Unternehmen kommunale Mensa-Vergaben prüfe und "aggressiv juristisch" gegen fragwürdige Vergaben vorgehe, beeindruckte die Stadträte genauso wenig wie der Verweis auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts:

Eine breite Mehrheit votiert gegen die Kündigung

Eine breite Mehrheit votierte gegen die Kündigung und damit auch gegen eine öffentliche Neuausschreibung. Neben Bürgermeisterin Angelika Obermayr gingen lediglich Sepp Biesenberger (Grüne) sowie die BfG-Stadträte Heinz Fröhlich, Marlene Ottinger und Yukiko Nave nicht mit.

Nun erfuhr die Ebersberger SZ, dass sich auch die Rechtsaufsicht im Ebersberger Landratsamt mit der Angelegenheit beschäftigte. "Glasklar" soll die Antwort ans Grafinger Rathaus gewesen sein - mit seinem Votum negiere der Stadtrat geltendes Recht. Daraufhin setzte Obermayr das Mensa-Thema erneut auf die Tagesordnung, und zwar im Finanzausschuss. Stadträte berichten von einer deutlichen Ansage der Bürgermeisterin: Sollte Schadenersatz fällig werden, würden jene Stadträte, die am 15. Januar gegen die öffentliche Ausschreibung votiert hatten, persönlich in Haftung genommen. Obermayr bestätigte diese Konsequenz auf Nachfrage. Erst nach der Ansage überlegten es sich die Stadträte anders und votierten doch für die öffentliche Neuausschreibung.

Für Grafings Eltern lässt sich das zumindest preislich als gute Nachricht interpretieren. Der Homepage der Stadt Grafing zufolge kostet eine kleine Mensa-Portion aktuell 3,80 Euro, bei der großen sind es 4,20 Euro. Laut Stadtratsbeschlussvorlage liegen derzeit zwei Angebote von Caterern vor, die die Grafinger Mensa gerne bewirtschaften würden. Der Preis für das Essen des teuersten der beiden Anbieter würde demnach spürbar unter dem aktuellen liegen, nämlich bei 3,30 Euro.

Wenngleich es "rechtlich gesehen" zur Neuausschreibung keine Alternative gebe, bringt Bürgermeisterin Obermayr dem ursprünglichen Ansinnen des Stadtrats ein gewisses Verständnis entgegen. "Der Stadtrat wehrt sich zunehmend gegen den Zwang zu aufwendigen, zum Teil EU-weiten Ausschreibungsverfahren", sagte sie der SZ. Die Ausschreibungskosten würden schnell im fünfstelligen Euro-Bereich liegen - und die Ergebnisse am Ende oft die "Bemühungen der örtlichen Wirtschaftsförderung konterkarieren".

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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