Hilfsangebot in Grafing:"Unsere Tür soll immer offenstehen"

Hilfsangebot in Grafing: Caritas-Kreisgeschäftsführer Richard Stefke begrüßte die Besucher bei der offiziellen Eröffnung der Kontakt- und Begegnungsstätte in Grafing.

Caritas-Kreisgeschäftsführer Richard Stefke begrüßte die Besucher bei der offiziellen Eröffnung der Kontakt- und Begegnungsstätte in Grafing.

(Foto: Christian Endt)

Seit einem Jahr gibt es die Kontakt- und Begegnungsstätte "SorgLos", eine Anlaufstelle für Menschen mit Suchterkrankung

Von Katrin Kastenmeier, Grafing

Die Erleichterung war Monika Ehrnstraßer beim Festakt deutlich anzusehen. "Wir haben ein sehr bewegtes Jahr hinter uns", sagt die Leiterin der Kontakt- und Begegnungsstätte (KuB) "SorgLos" bei der offiziellen Eröffnungsfeier am Donnerstag. Zusammen mit der Grafinger Stadtkapelle und Redebeiträgen von Bürgermeister Christian Bauer sowie dem stellvertretenden Landrat Walter Brilmayer, feierten Mitarbeitende und Besucher das Zentrum "im Herzen von Grafing".

Seit dem 1. Juli 2020 gibt es den Treffpunkt im Erdgeschoss des Caritas-Zentrums, nun sind alle Räume endgültig fertiggestellt. Die Idee dahinter: Ein niedrigschwelliges Angebot für erwachsene Menschen mit einer Suchterkrankung, um dort ihrem Tagesablauf eine neue Struktur geben und weitere Gestaltungsmöglichkeiten kennenlernen zu können. Und, wie der Name schon verrät: Die Begegnungsstätte ist ein Ort des sozialen Austauschs und des Miteinanders, etwas, das bei vielen Suchtbetroffenen nur allzu oft verschwindet.

"Manche Menschen leben am Rand unserer Gesellschaft, und ihr nehmt sie wieder in den Blick", lobte Pfarrer Axel Kajnath bei der Einweihungsfeier die Arbeit des achtköpfigen Teams rund um Ehrnstraßer. Zusammen mit Diakon Herbert Schütze segnete er die neu sanierten Räume und weihte das Zentrum mit einem Jahr Verspätung nun offiziell ein. Das Gewölbe im Erdgeschoss, in dem bislang Büros für Verwaltung und Geschäftsleitung, sowie der ambulante Pflegedienst untergebracht waren, zählt jetzt sechs moderne Gemeinschaftsräume. Hier können Besucherinnen und Besucher Gesprächspartner finden, gemeinsam kochen und essen, handwerklich oder kreativ tätig werden und sporteln. "Ein Angebot, das speziell auf unsere Klienten abgestimmt ist und ihrem Leben einen neuen Inhalt geben soll", sagt Ehrnstraßer bei einem Rundgang durch die Räumlichkeiten.

Die Klientel, von dem die Sozialpädagogin spricht, besteht derzeit aus etwa 40 Menschen, die größtenteils mit einer Alkoholsucht zu kämpfen haben und aufgrund ihrer Erkrankung keiner geregelten Arbeit nachgehen können. Oft würden diese Menschen gar nicht im herkömmlichen Hilfesystem aufgefangen werden, erzählt Ehrnstraßer. Dass die Begegnungsstätte deshalb im Grafinger Caritas-Zentrum eingebettet ist, sei eine große Hilfe. "Es besteht die Chance, unsere Klienten hier direkt auch bei behördlichen Fragen zu beraten oder psychosoziale Unterstützung anzubieten." Auch die Lage im Erdgeschoss sei eine zwanglose Einladung, einfach mal hereinzuschauen. "Unsere Tür soll immer offenstehen", sagt die Leiterin und betont, dass sich aktuell 15 Personen gleichzeitig in den verschiedenen Räumen aufhalten dürfen - auch anonym.

Als Herzstück des Zentrums stellt Ehrnstraßer die großzügige Gemeinschaftsküche vor. Ein langer Tisch in der Mitte des Raums lädt zum Zusammensitzen ein. "Hier wird zwei Mal pro Woche warm gekocht, auch unsere Klienten übernehmen das manchmal." Neben der Leiterin steht Robert Mennel, einer der Besucher der KuB. Die Suchtgeschichte des 50-Jährigen gründet auf einer schwierigen Kindheit und dreht sich seitdem um Alkohol. "Ich ziehe mich schnell zurück und gehe meinen Problemen dann aus dem Weg", erzählt Mennel über seine Vergangenheit. Das gehe vielen Alkoholikern so, sagt er. "Die meisten trauen sich einfach nicht, irgendwo nach Hilfe zu fragen." Auf die KuB sei er aber im genau richtigen Moment aufmerksam geworden und besucht das Zentrum seither regelmäßig. "Der Austausch und das Miteinander gefällt mir besonders gut", sagt er. In der gemeinsamen Küche habe er dem gesamten Team vor kurzem sogar einen Schweinebraten gezaubert, erinnert sich Ehrnstraßer. Im Mittelpunkt des Projekts stehe daher die Chance, sich mit der eigenen Erkrankung auseinanderzusetzen und den Weg in ein suchtfreies Leben zu finden.

Sucht, das heiße "wiederholt etwas tun, um etwas anderes zu kompensieren", sagt Gabriele Stark-Angermeier. Sie ist im Vorstand der Caritas und möchte an diesem Eröffnungstag auch über die Krankheit aufklären. "Denn es ist ganz klar eine Krankheit und kein Stigma." Daher sei es besonders wichtig, Orte zu schaffen, die diesem Verhalten entgegenwirken und eine sichere Struktur liefern. "SorgLos" sei hier nicht nur der Name, sondern eben auch das Programm. Neben dem gemeinschaftlichen Kochen können sich Klientinnen und Klienten auch alleine in einen Ruheraum zurückziehen, um zu lesen oder um nachzudenken. Gegenüber des Ruheraums liegen noch weitere Bereiche. In einem Therapieraum können Beratungen stattfinden, im Ergo-Raum daneben wird aktuell gebastelt. Ein großer Gemeinschaftsraum mit bunten Sofas, kleinen Tischen mit Pflanzen und einer Spielekonsole unter einem Flatscreen verbindet die beiden Zimmer. Auch ein Raum zum Werken ist mittlerweile fertig. "Hier soll abwechselnd eine Holz- oder Fahrradwerkstatt stattfinden", sagt Ehrnstraßer und deutet auf einige bereits bespannte Holzrahmen.

"Zum Schallschutz", erklärt die KuB-Leiterin weiter. Wenn sich gleichzeitig mehrere Menschen in den Räumen aufhalten, wäre das manchmal ziemlich laut und könne neue Ängste in den Klienten hervorrufen. "Deshalb dämmen wir das Problem wortwörtlich gleich selbst zusammen ein." Denn genau darum gehe es ja in der KuB, um menschliche Begegnungen mit Problemlösung.

Die Kontakt- und Begegnungsstätte befindet sich im Erdgeschoss des Caritas-Zentrums in Grafing, Bahnhofstraße 1. Öffnungszeiten sind montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr und freitags von 9 bis 14 Uhr. Sie bietet derzeit Platz für 15 Besucherinnen und Besucher täglich.

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