Hilfe:Ein Fall für Willi Daniels

Hilfe: Willi Daniels, 67, aus Steinhöring ist Schlaganfallbetroffener und gründete 2011 die "Schlaganfall-Online-Gruppe" auf Facebook, mit 4380 Mitgliedern.

Willi Daniels, 67, aus Steinhöring ist Schlaganfallbetroffener und gründete 2011 die "Schlaganfall-Online-Gruppe" auf Facebook, mit 4380 Mitgliedern.

(Foto: Christian Endt)

Steinhöringer organisiert Online-Selbsthilfe für Schlaganfälle

Interview von Sandra Langmann

Schon lange ist Schlaganfall keine Krankheit des Alters mehr, immer öfters sind auch jüngere Menschen betroffen. Einer davon ist Willi Daniels aus Steinhöring, der damals 48 war. Vor sechs Jahren hat er darauf die "Schlaganfall-Online-Gruppe" auf Facebook gegründet. Mit überraschendem Erfolg, wie er zum Tag gegen Schlaganfall an diesem Mittwoch verrät.

SZ: Herr Daniels, im Internet ist man anonym. Fällt es den Menschen somit leichter, über ihre Probleme zu reden?

Willi Daniels: Die Online-Plattform hat viele Vorteile gegenüber der Selbsthilfegruppe. Die trifft sich nur ein bis zwei Mal im Monat, im Internet kann ich 24 Stunden jemanden erreichen. Ist man anonym, traut man sich vielleicht sogar mehr zu fragen.

Wie kam es zu Ihrer Idee?

Zu Silvester 1997/98 erlitt ich selbst einen Schlaganfall. Seitdem befasse ich mich mit diesem Thema. Ich bemerkte, dass die Vernetzung sehr schwierig ist. Es gibt nur 470 Selbsthilfegruppen in Deutschland, nicht jeder Betroffene ist mobil und kann zu den Treffen fahren, dabei sind eine Millionen Menschen in Deutschland betroffen.

Aktuell umfasst die Gruppe 4380 Mitglieder. Gab es den Zuspruch von Anfang an?

Der Anfang gestaltete sich sehr zäh. Ich hatte noch keine Kontakte auf Facebook und die Gruppe war sehr klein. Doch es gab einen sehr familiären Austausch und die Mitglieder fanden Gehör.

2014 bekam die Gruppe dafür den Deutschen Motivationspreis in der Kategorie Selbsthilfegruppe. Was zeichnet Sie aus?

Mittlerweile gibt es zig Online-Gruppen zu ähnlichen Themenfeldern. Doch wir achten sehr darauf, dass es darin ausschließlich um das Thema "Schlaganfall" geht. Erst heute habe ich wieder einen Post gelöscht, der allen einen schönen Tag wünscht. Das hat mit der Thematik nichts zu tun. So wird keinem geholfen.

Wen meinen Sie mit "wir"?

Zuerst habe ich die Online-Gruppe alleine betreut. Mittlerweile machen meine Kollegin Ines Drehse und ich das gemeinsam.

Steckt also mehr Arbeit dahinter, als man auf den ersten Blick annimmt?

Ich schaue mir die Gruppe mehrmals täglich an, lösche unpassende Kommentare und achte darauf, wenn Tipps gegeben werden. Wenn jemand ein Medikament gut verträgt, muss das nicht für alle gelten.

Wie würden Sie Ihr Publikum definieren?

Ich würde sagen, das sind zirka 60 Prozent Betroffene, 30 Prozent Angehörige und die letzten zehn Prozent setzen sich aus Interessierten und Therapeuten zusammen. Die meisten kommen aus Deutschland, wir haben aber auch viele Mitglieder aus Frankreich, Belgien oder Großbritannien.

Wie könnte man die Arbeit mit Online-Selbsthilfegruppen noch verbessern?

Mitglieder realer Selbsthilfegruppen bekommen finanziell mehr Unterstützung von der Krankenversicherung als die Mitglieder von Online Portalen. Die Situation hat sich verbessert, aber ich mein Ziel ist es, noch mehr zu erreichen.

Ist ein Online-Chat nicht unpersönlich?

Nein, denn jeder findet Antworten auf seine ganz persönliche Frage. In vielen realen Gruppen liegt der Altersdurchschnitt bei 70 Jahren. Eine junge Frau findet dort kein Verständnis für ihre Probleme. Online findet sie Gleichgesinnte. Das Wichtigste ist, dass man Gehör findet.

Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?

Natürlich. Als Betroffener möchte man immer wieder über das Thema reden. Die Familie kann das irgendwann nicht mehr hören. Online kann es dafür sein, dass man sich umso besser versteht, dann werden auch mal Nummern ausgetauscht. Es kommen auch Treffen zustande.

Also sind echte Treffen auch wichtig?

Persönlicher Kontakt ist immer wichtig. Am besten finde ich eine Mischung: Eine reale Selbsthilfegruppe zu besuchen und diese online zu ergänzen.

Ist aus diesen Gesprächen auch schon mal mehr geworden?

Zwei Mitglieder haben sich so gut verstanden, dass sie letztes Jahr geheiratet haben.

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