Heimat für Libelle, Hase und Forelle:Geheimes Idyll

Das Biotop in der Parsdorfer Kiesgrube ist einzig und allein für die Natur reserviert. Die Pläne der Vaterstettener, hier eine Umgehungsstraße zu bauen, könnten dieses wertvolle Fleckchen für Flora und Fauna vernichten.

Karin Kampwerth

Das Wasser in einem Gebirgssee könnte kaum grüner sein. Am Ufer wiegen sich dicke, saftige Schilfgräser träge in einer sanften Brise. Es zirpt und zwitschert. Ein Wasservogel, von Weitem betrachtet vielleicht ein Blässhuhn, zieht seine Kreise auf dem Weiher, während Libellen in den schillerndsten Farben und unterschiedlichsten Größen ihre luftakrobatischen Flugkünste zeigen. Im Wasser selbst drehen fette Karpfen gemächliche Runden. Ab und an springt einer von ihnen heraus und klatscht mit großem Geplatsche zurück in sein Element. Die Rede ist hier von einem nahezu geheimen Ort. Von einem Idyll aber auch, dem keine Idylle drumherum gegönnt ist. Zum Gezirpe, Gesumme, Gekrauche und Geflauche gesellt sich das verstörende Rauschen der Autobahn, die direkt an der wassergefüllten Parsdorfer Kiesgrube hinter dem Segmüller-Behelfsparkplatz vorbeiführt.

Das passt nicht zusammen. Doch das verwunschene Plätzchen ist auch nicht für Erholungssuchende gedacht, sondern eine Ausgleichsfläche der Gemeinde Vaterstetten - eine Entschuldigung an die Natur, weil andernorts Landschaft bebaut und versiegelt worden ist. Jogger sind hier nicht erwünscht, Baden ist ohnehin verboten und für Spaziergänger ist das Gelände viel zu unwegsam. Die Beine verheddern sich im kräftigen Gras, Ameisen greifen überfallsartig an und bisweilen verstellt ein fast drei Meter hoher Riesenbärenklau den Weg. Das Biotop, das an einem Uferstreifen der Kiesgrube angelegt worden ist, ist nicht für Menschen reserviert. Flora und Fauna scheint der konstante Verkehrslärm nicht zu stören. Und auch die seltenen Vogelarten wie Drosselrohr- oder Teichrohrsänger, die in dem Biotop eine Heimat gefunden haben, lassen sich dadurch nicht verschrecken.

Franz Beham kommt mehrmals wöchentlich hierher. Eigentlich wohnt der 72-Jährige in München. Für seinen Verein, die Tölzer Sportfischer, kümmert sich der passionierte Angler als Gewässerwart um den Teich und die Natur drumherum. "Die Autobahn hört man irgendwann nicht mehr", sagt Beham und wiegt einen gerade geangelten kleinen Barsch in seinen Händen. Der ist sein Köder für den richtig dicken Fisch, den er an diesem sonnigen Freitagvormittag noch an Land ziehen will. Für zehn Jahre hat der Verein die wassergefüllte Grube als Angelrevier gepachtet. Dass hier einmal eine Straße durchführen könnte, erschreckt Beham. Er deutet auf die gegenüberliegende Uferseite. "Dort drüben", sagt er, "ist eine Hasenrennstrecke." Mit seinen tiefgebräunten, wettergegerbten Händen schweift er nach rechts. "Und da hinten, da springen Rehe herum." Dass eine Straße, die die Ortschaften Weißenfeld und Parsdorf vom Durchgangsverkehr entlasten soll, das alles zerstören könnte, dafür hat Beham kein Verständnis. "Aber das wird schon noch zehn Jahre dauern", hofft er. "Und ob ich mit 82 überhaupt noch hier herkommen kann, weiß nur der Herrgott."

Das Biotop liegt Beham sehr am Herzen. "Zweimal im Jahr schwärmen wir aus und räumen auf." Müll, Möbelstücke, selbst ganze Küchen hätten sie dabei schon aus dem dicht bewachsenen Uferstreifen unterhalb der Autobahn herausgeholt, erzählt ein anderer Angler, der sich zu dem 72-Jährigen gesellt. Aber die Mühe für das Stück Natur ist es wert. "Die Fische schmecken hervorragend", schwärmen die Männer. "Dort hinten in der letzten Rinne liegen Hunderte Karpfen, als wenn man sie reingeschichtet hätte", sagt Beham. Es gebe aber auch Schleien und Forellen, einfach alles. Und im Frühling sei es besonders schön. "Da geht es hier zu", erzählt er von den Fröschen und Kröten, die invasionsartig über die Tümpel am Ufer herfallen würden. Und wenn kein Wind gehe und das Wasser ganz ruhig sei, sehe man die Graskarpfen ziehen. "Meterlang und bestimmt 30 bis 40 Stück", sagt Beham. "Das ist unglaublich beruhigend. Was Schöneres kann man sich nicht vorstellen."

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