Nein, es ist nicht durchgehend still bei dieser Andacht. Immer mal wieder wird gefiepst, gejault, geknurrt, gebellt. Doch als störend empfindet das offenbar niemand, ganz im Gegenteil. Es herrscht Verständnis, denn diese tierischen Geräusche sind der passende Soundtrack zu einer ganz besonderen religiösen Veranstaltung.
Bereits zum dritten Mal hat die katholische Pfarrei Vaterstetten an diesem Herbsttag eingeladen zu einer „Haustier-Andacht“ – bei der alle Arten von tierischen Begleitern ausdrücklich willkommen sind. Hamster, Wellensittich oder Pferd allerdings hat niemand mitgebracht, es sind vielmehr Hunde in allen Farben und Größen, die sich mit Frauchen oder Herrchen auf dem Vorplatz der Kirche Sankt Christophorus in Neukeferloh einfinden. Und, als einzige Ausnahme, eine schwarz-weiße Katze, sicher verwahrt in einem Tragekorb.

Auch so mancher Hund ist gut geschützt, sei es mit einem Deckchen auf dem Arm oder in einem Wagen, denn den Kleinen könnte sonst durchaus kalt werden an diesem frühen Abend unter freiem Himmel. Doch es bleibt trocken, und der Kirchenplatz ist wie gemacht für eine solch tierische Andacht. Unter dem Vordach sind ein kleiner Tisch und ein Klavier aufgebaut, davor stehen Bierbänke für die Gäste, dahinter schließt sich eine Wiese mit Bäumen an. Wird einer der Hunde während des Betens und Singens unruhig, kann er sich dort schnüffelnd die Pfoten vertreten.
Die Initiative zu einer jährlichen Haustier-Andacht in Vaterstetten sei einst von Pfarrer Hans-Joachim Brennecke ausgegangen, erzählt Udo Hartmann vom ehrenamtlichen Vorbereitungsteam. „Er hat nämlich selbst einen Hund und ist sehr tierlieb.“ Im Zentrum stehe der Gedanke, dass alle Geschöpfe einzigartig seien und von Gott geliebt würden – nicht nur die Menschen. Und dieses ungewöhnliche Angebot scheint einen Nerv zu treffen: Gut 20 tierliebe Zweibeiner sind trotz der frischen Temperaturen gekommen. Sogar ein ehemaliger Straßenhund ist dabei, dem das Glück bislang nicht immer hold war: Er hat bei einem Unfall ein Bein verloren. „Das ist genau an dem Tag passiert, an dem meine vorherige Hündin gestorben ist. Sie hat ihn mir also quasi geschickt“, erzählt das Frauchen.

In der Andacht gibt es das „Gleichnis vom verlorenen Schaf“ aus dem Lukas-Evangelium zu hören, bereichert um hübsche, gemalte Illustrationen. Die sorgsam ausgewählten Lieder künden von Vertrauen und Dankbarkeit. Ein anderes Geschöpf lieben zu können: Diese Fähigkeit sei enorm wichtig und ein großes Geschenk, sagt Susanne Dirmeier, die Leiterin des Wortgottesdienstes. „Und unsere Tiere zweifeln nie an unserer Zuneigung – darin können sie uns ein tolles Vorbild sein.“
In dieser knappen Stunde mit den Hunden vor der Kirche geht es darum, Verbundenheit zu spüren, Ehrfurcht vor der Schöpfung zu bewahren, um Schutz zu bitten. Für die Segnung der Tiere und ihrer Menschen mit Weihwasser stellen sich alle in einem großen, turbulenten Halbkreis auf. „Lust auf Leben, heute spür’ ich dich, heut’ lass’ ich mich ganz in deine ausgestreckten Arme fallen“, heißt es in einem der Kirchenlieder – und dieses heitere Motiv passt sehr gut zu dem positiven Gefühl, das die Zusammenkunft hinterlässt.

Kein Wunder also, dass das Konzept bei den gläubigen Tierfreunden gut ankommt. Allenthalben hört man, eine solche Andacht sei doch „eine sehr schöne Idee“. Das finden auch die zwei Vertreterinnen der Tierheime Riem und Ebersberg, die mit ihren privaten Hunden nach Neukeferloh gekommen sind. „Es ist immer gut, unsere wichtige Arbeit wieder ein wenig mehr ins Bewusstsein zu rücken“, sagt Bettina Siebenlist von der Auffangstation in der Kreisstadt, „außerdem reicht unser Geld leider hinten und vorn nicht.“ Deswegen zeigt sie sich sehr glücklich, dass im Anschluss an die Andacht um Spenden für das Ebersberger Tierheim gebeten wird. Schließlich haben nicht alle Hunde und Katzen das Glück, von ihren Menschen liebevoll umsorgt und ausdrücklich gesegnet zu werden.

