Süddeutsche Zeitung

Happy End in Ebersberg:"Wir sind überglücklich"

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Ein Jahr lang hat die Familie Zazay aus Afghanistan in einer Ebersberger Notunterkunft mit Obdachlosen gewohnt. Nun hat sich etwas aufgetan.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Der Gesichtsausdruck der Mama lässt gute Rückschlüsse auf den Gemütszustand der Familie zu. So ist das auch bei Madina Zazay. Vor ziemlich genau vier Wochen war ihr Blick noch arg betrübt. Nun, Anfang März strahlt sie, als wäre die Sonne ein zweites Mal aufgegangen. Sie sagt: "Wir sind überglücklich."

Genau ein Jahr lang haben die Zazays in einem Haus der Stadt Ebersberg mit Obdachlosen auf einem Stockwerk zusammen gewohnt. Eine fünfköpfige Familie aus Afghanistan auf engem Raum mit drei Wohnsitzlosen. Nun sind sie auf ihrer Suche nach einer Alternative fündig geworden. Und wie: Wenige Tage nach der Berichterstattung über ihre Situation meldete sich eine Frau aus Ebersberg bei Vater Rahim Zazay und bot ihm eine 74-Quadratmeter-Wohnung im Neubaugebiet der Kreisstadt an. "Unglaublich, wie schnell es jetzt ging", sagt er. Natürlich sagte er zu.

Die Unterschiede könnten größer kaum sein. In dem maroden Haus der Stadt hatten sie zu fünft ein Zimmer von 19 Quadratmetern und teilten sich Küche, Toilette und Bad mit den Mitbewohnern. Und jetzt: Vier mal so viel Platz, drei Zimmer, zwei Bäder, ein Wohnzimmer samt Einbauküche, ein Kellerabteil und eine Dachterrasse. Die Vermieterin hat zudem Schränke, Tische und Betten bereit gestellt. Seit einer Woche sind die Zazays nun hier.

Die SZ war Anfang Februar auf die Familie aufmerksam geworden, die ihre Wohnsituation zunehmend als unerträglich empfand. Das Problem: Der Stadt Ebersberg fehlt es an Alternativen. Und auf dem Mietmarkt, so der Eindruck der Zazays, waren sie chancenlos, als fünfköpfige Flüchtlingsfamilie mit geringem Einkommen. Ein bekanntes Phänomen, das auch andere betrifft. Die Lage der Zazays aber war extrem.

"Da habe ich gar nicht zweimal drüber nachgedacht", sagt die Vermieterin

So empfand das auch Alix Wallner, selbst Mutter von drei Kindern - und seit 1. März Vermieterin der Zazays. Bis vor kurzem hatte ihre Schwiegermutter hier gewohnt, die nun in ein Pflegeheim umgezogen ist. Als Alix Wallner im Zeitungsartikel von der vergeblichen Wohnungssuche der Zazays las, "da habe ich gar nicht zweimal drüber nachgedacht", sagt sie.

Caium ist neun, er spielt gerade mit einem Stoffball. Nadjila, fünf, und Basmina, drei, sitzen am Tisch und malen Bücher aus. Die Kinder teilen sich nun ein Schlafzimmer zu dritt, es ist also keine Luxussituation. Aber so viel schöner als vorher, dass die Mädchen um die Wette strahlen. Dass er sie nun alle um sich hat, verdankt Rahim Zazay dem Familiennachzug, der ihm nach Jahren gewährt wurde. Der 35-Jährige arbeitete einst als Soldat bei der afghanischen Armee, ehe er von Taliban-Kämpfern gefangen genommen wurde und in einer dramatischen Fluchtaktion der Hinrichtung entkam. Das hatte er auch den Beamten vom Bamf berichtet, ehe sein Asylantrag gewährt wurde.

Afghanistan ist fern, Ebersberg ist die Zukunft für die Zazays. Rahim Zazay hat Arbeit, bei einer Versicherung im Kantinenlager, und nun auch eine ordentliche Wohnung. Für alle fünf wird es nun darum gehen, ihr Deutsch zu verbessern. Caium hat gerade ein neues Wort gelernt, das er in seinen Schulblock schreibt: "Geld". Auch ein Thema, bei dem die Zazays Unterstützung erhalten, das Ebersberger Jobcenter gewährt einen Zuschuss für die Miete. Dieser Betrag, so erklärt Bettina Friedrichs vom Ebersberger Asylhelferkreis, liegt noch im Rahmen des üblichen Jobcenter-Satzes.

Erleichterung auch bei der Stadt Ebersberg. "Wir sind heilfroh", sagt der städtische Geschäftsführer Erik Ipsen. Ganz gelöst ist der Fall für ihn damit dennoch nicht. Für die drei Wohnsitzlosen sei man noch auf der Suche. Schließlich handelt es sich bei dem alten Haus um eine Art Notunterkunft.

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Quelle:
SZ vom 06.03.2020
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