Süddeutsche Zeitung

Humor aus Ebersberg zum Lesen:Schule als Kabinett der Kuriositäten

In seinem neuen Buch "Ganzer Satz!" zeigt sich der Kabarettist Hans Klaffl als Detektiv und Sammler

Von Franziska Langhammer

Ganz an den Anfang seines Büchleins stellt Hans Klaffl, der sich selbst gerne "Han's" schreibt, eine bescheidene Einordnung: "Es sind... hauptsächlich Abfälle, die Sie gerade in Händen halten", schreibt der Autor und Kabarettist. Für einen großen Teil des Inhalts sei sein Regisseur Markus Bachmeier, Chef des Ebersberger Alten Kinos, verantwortlich. Dieser habe nämlich seine teils sechs Stunden langen Programmentwürfe auf ein für das Publikum erträgliches Maß gekürzt - was es nicht auf die Bühne geschafft hat, kann also nun gelesen werden. Ebenso haben Klaffelsche Dauerbrenner wie etwa die Abschiedsrede des Kollegen Gmeinwieser hier ihren Weg in die Verschriftlichung gefunden.

Doch auch wenn das Buch "Ganzer Satz! Gebrauchte Texte und solche, die er werden sollten" eine willkürliche Zusammenstellung loser Fragmente und Liedtexte ist, hat es ein solches Understatement nicht verdient. Allein die Kurzbiografie des Autors auf der Umschlagsinnenseite macht das 161 Seiten fassende Büchlein für Klaffl-Fans lesenswert - grade weil man dort eigentlich nichts über den Autor erfährt. "Han's Otto Klaffl wurde weder im April, noch in Hittistetten und schon gar nicht in diesem Jahrtausend geboren", heißt es dort etwa, und: "Er legt auch keinen Wert auf die Feststellung, dass er beim Eurovisions-Contest 2024 nicht mitgewirkt hat". In ähnlicher Weise fröhlich verwirrend schreitet der in Ebersberg lebende Kabarettist dann auf den folgenden Seiten voran.

In der entlarvenden Typisierung der vier pädagogischen Phänotypen beispielsweise fühlt sich bestimmt jeder Schüler - oder wer mal einer gewesen ist - an einen ehemaligen Lehrer erinnert. Wer kennt ihn etwa nicht, den tiefenentspannten Typ A, genannt Sedlmayer: Resistent gegen Neuerungen jeglicher Couleur, sitzt er um ihn hereinbrechenden Stress einfach aus und geht dann, völlig unbeeindruckt und gesund, in den Ruhestand. Sedlmayers Motto, so Klaffl: "Probleme mit Schülern habe ich nicht. Wenn, dann haben die Schüler Probleme mit mir!"

Hans Klaffl, Jahrgang 1950, war selbst jahrzehntelang Lehrer im Münchner Umland und erheitert genauso lang schon sein Publikum mit kleinen Spitzfindigkeiten und Ungereimtheiten aus dem Schulalltag. Seit 2014 ist er in Pension und hauptamtlich als Kabarettist unterwegs. Viele seiner Beobachtungen gibt Klaffl auf der Bühne in einem musikalischen Rahmen wieder, und so finden sich auch einige Liedtexte aus unterschiedlichen Bühnenprogrammen im Buch, etwa der höchst vergnügliche Beitrag "Lehrerkonferenz". Schon der Untertitel soll alles verraten: "Spannender als eine Lehrerkonferenz ist nur, eine Farbe beim Trocknen zu beobachten." Doch die Leser können sich auf eine amüsante Dechiffrierung des Lehreralltags freuen. So heißt es etwa: "Der Chef tritt auf und fragt als Erstes: Wer schreibt Protokoll? Einer ist zu langsam unter dem Tisch. Das arme Schwein trifft es voll."

Den Blick für die Kuriositäten im Zusammenspiel von Heranwachsenden und Lehrern hat Klaffl auch in der pädagogischen Routine nicht verloren; detektivisch und in logischer Denkmanier folgt er dem unlogischen Wahnsinn, der sich zwischen Unterrichtsstoffvermittlung und Hormonausbrüchen abspielt. Selbst Karl Valentin hätte seine Freude daran. Köstlich zu lesen sind etwa die Dialoge zwischen Lehrer und Schüler in "Die Unterstufe" und "Die Mittelstufe", die das Geschehen unmittelbar ad absurdum führen. Ebenso lustig sind Klaffls Exkurse über schulische oder alltägliche Phänomene wie die Kunst des Entspannens oder die epidemische Hochbegabung und ihre Ursachen. Die Hochbegabung etwa, immer häufiger attestiert von ratlosen Eltern, finde sich allerdings, analysiert Klaffl, nur und ausschließlich in der gymnasialen Mittelstufe. Dann, wenn die Sprösslinge sich langweilen und Unfug treiben. Spätestens in der Oberstufe nämlich hat man sich laut Klaffl zu entscheiden: Abi oder Obi.

Klaffl ist nicht nur ein begnadeter und gnadenloser Beobachter, er ist vor allem auch ein Sammler. So stehen zu Beginn jedes Kapitels Stilblüten, die er in seinen 40 Jahren als Lehrer zu lesen oder zu hören bekommen hat. Etwas spät, erst gegen Ende des Buchs, nimmt Klaffl darauf Bezug und schwört, dass alle im Buch verteilten Aphorismen echt seien, zum Beispiel auch die Bonmots "Mit der Griffhand nackeln heißt vibrato" oder "Drei bedeutende romantische Liedkomponisten: Franz Schubert, Johannes Brahms, Alfons Schuhbeck".

Manche Stücke sind jedoch besser für die Bühne geeignet. So wirken Klaffls Ausführungen zur Aussprache des Bairischen in "Dòdàdiàdàdà" zwar plastisch, doch sind sie etwas zu ausführlich und leserunfreundlich. In "Leicht verständliche Musiklehre für Kinder" vermischt der ehemalige Musiklehrer Verballhornungen und Musikwissen derart, dass der Text stellenweise weder erheitert noch aufklärt.

Wer "Ganzer Satz!" in die Hand nimmt, um auf Klafflsche Manier unterhalten zu werden, kommt auf jeden Fall auf seine Kosten. Spätestens bei den "Gedanken des Lehrers bei der Abiturfeier", als Klaffl zugibt: "Wenn ich euch da oben so stehen seh', dann werde ich jedes Mal wieder sentimental" - spätestens dann wird klar: Hier erzählt einer, der sich zwar gern lustig macht über die Marotten der Schulgänger, der aber auch mit ganzem Herzen Lehrer war und irgendwie, auch ohne Schule, immer noch ist. Seine Fans lieben das neue Buch jetzt schon so sehr wie Klaffls Bühnenprogramme: Es ist bereits ausverkauft. Ab Mitte Januar 2020, so schreibt der Autor auf seiner Homepage, sei dann die zweite Auflage erhältlich.

Das Buch "Ganzer Satz! Gebrauchte Texte und solche, die es werden sollten" kostet 15 Euro und kann bestellt werden über https://hans-klaffl-shop.de

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Quelle:
SZ vom 07.01.2020
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