Deutscher Lehrkräftepreis:Fit gegen Fake News

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So sehen Gewinner aus: Die Lehrkräfte Danilo Fries, Christina Fischer, Laura Henschker und Sebastian Bauer (von links nach rechts) vom Gymnasium Vaterstetten haben mit ihrem Projekt über Fake News beim Deutschen Lehrkräftepreis abgeräumt. Nicht auf dem Bild, aber mit dabei war Lehrerin Viktoria Seidel. (Foto: Christian Endt)

Wie erkenne ich, ob da ein Troll im Spiel ist - oder ob die Nachricht wahr ist? Fünf Lehrkräfte des Vaterstettener Gymnasiums haben eine zehnte Klasse bei dieser Frage begleitet und damit den zweiten Platz beim Deutschen Lehrkräftepreis gemacht.

Von Franziska Langhammer, Vaterstetten

Ein kurzes Scrollen durch Facebook und Co. reicht, und schon wundert man sich, was in der Welt alles passiert: Der Papst unterstützt Donald Trump? Der deutsche Staat zahlt einem Harem Tausende Euro monatlich? Geübte Leser werden Fake News schnell von wahren Nachrichten unterscheiden können. Um diese Kompetenz schon bei Schülerinnen und Schülern zu fördern, haben sich fünf Lehrkräfte am Gymnasium Vaterstetten ein Projekt ausgedacht, "Wissenschaftsjournalismus und Fake News". Dafür sind sie nun mit dem Deutschen Lehrkräftepreis in der Kategorie "Unterricht innovativ" ausgezeichnet worden.

Dass man mit dem Aufklären über Fake News besser möglichst früh beginnt, ist Sebastian Bauer schnell klar geworden. Er ist Lehrer für Mathe und Physik und erzählt, dass er auf der Suche nach Unterrichtsideen mit Schrecken die Kommentare zu wissenschaftlichen Youtube-Videos gelesen hat - gerade wenn es um Klimawandel und Corona geht. "Bei vielen herrscht das Gefühl vor, Wissenschaft sei nur eine Meinung von einzelnen Personen", so Bauer. Ihm sei es ein Bedürfnis gewesen, den Schülern zu vermitteln, wie sich eine Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft herauskristallisiert, sagt er: "Es ist ein Missverständnis, dass eine Aussage von einem Wissenschaftler niemals widerrufen werden darf." Vor diesem Hintergrund hat Sebastian Bauer sich gefragt: "Was kann ich tun, um zu verhindern, dass meine Schüler einmal zu Verschwörungstheoretikern werden?"

Hochkonjunktur der Verschwörungstheorien: Zu Corona-Zeiten kursierten zahllose Pamphlete mit wissenschaftlich fragwürdigem Inhalt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Deutsche Telekom-Stiftung schrieb zu dieser Zeit ein Projekt aus zur Methode "Deeper Learning": Interdisziplinär sollten Schüler die Möglichkeit bekommen, zu einem Thema zu recherchieren und sich Darstellungsformen zu überlegen. Sebastian Fischer holte noch seine Kollegen Danilo Fries, Christina Fischer, Laura Henschker und Viktoria Seidel mit ins Boot. Kritisch zu hinterfragen und Texte nach wissenschaftlichen Kriterien zu überprüfen, stehe auch im Lehrplan, so Sebastian Bauer - leider fehle im Schulalltag oft die Zeit dafür, darauf länger einzugehen.

Die Schüler haben zum Beispiel gelernt, wie sie erkennen können, ob ein Foto KI-generiert ist

Im Rahmen dieses Projekts vertieften sich Schüler einer zehnten Klasse nun ein halbes Jahr in Fragen wie: Welche Quelle ist zuverlässig? Wie kann ich überprüfen, wer der Autor ist? Wie ist ein wissenschaftlicher Artikel aufgebaut? Auch ein SZ-Artikel, warum gemeinsames Essen mit der Familie für die Kinder gesünder ist, wurde untersucht: Wie kommt man vom Zeitungsartikel zur Original-Veröffentlichung?

Christina Fischer arbeitete in ihrem Bio- und Chemie-Unterricht mit einer App, die helfen sollte, zu erkennen, welche Bilder echt und welche KI-generiert sind. "Wir haben uns zum Beispiel im Internet Bilder zu Artikeln angeschaut", so Fischer, "und wie man sieht, ob das Bild wirklich zu dem Krieg gehört, von dem der Text berichtet - oder ob es schon älter ist." Bei den Schülern selber sei das Thema Fake News vor dem Projekt noch gar nicht so angekommen gewesen, glaubt Christina Fischer.

Kommt Ihnen jemand bekannt vor? Sicher? All diese Gesichter sind KI-generiert und zu finden unter https://thispersondoesnotexist.com/. (Foto: thispersondoesnotexist.com)

Auch einen Regisseur vom Bayerischen Rundfunk hat einer der teilnehmenden Lehrer zu einer Videokonferenz mit der Klasse eingeladen. Dieser erzählte von seinem Arbeitsalltag, vom Mehrquellenprinzip, aber auch, wann er einmal nicht mehr auf offiziellem Weg an Informationen gelangen konnte - weil er etwa zu unbequemen Themen recherchierte.

In einer abschließenden Projektwoche im Februar 2023 durften die Schüler ihr neu erworbenes Wissen selbst umsetzen. Heraus kamen unter anderem ein Podcast zur Impfmüdigkeit und zur Genderdebatte, eine Tagesschau-Sendung, ein Tasting zu Milchersatzmöglichkeiten. Den Schülern, so erzählen Fischer und Bauer, habe vor allem das freie Arbeiten großen Spaß gemacht. Ob das Projekt nun aber Schule machen wird, ist fraglich, so Sebastian Bauer: Der zeitliche Aufwand sei groß gewesen, und eine hohe Eigeninitiative sei erforderlich. Gelohnt hat sich der Aufwand allemal für die fünf Lehrkräfte: Nun wurden sie mit dem Deutschen Lehrkräftepreis und 1500 Euro ausgezeichnet - für weitere Schulprojekte.

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