Grün ist die Hoffnung:Unendlich blüht es nicht

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Nele Köstler führt die Gärtnerei ihrer Familie bereits in der sechsten Generation. Doch der Grafinger Traditionsbetrieb leidet unter den Corona-Maßnahmen, die Primeln kommen nicht zu den Kunden, zudem machen Supermärkte den Gärtnereien immer mehr Konkurrenz. (Foto: Christian Endt)

In einem Schreiben an die Politik appelliert Nele Köstler von der gleichnamigen Traditionsgärtnerei aus Grafing für die Öffnung der Gärtnereien zum Saisonstart im März

Von Nathalie Stenger, Grafing

Nele Köstler hat einen Brief an die Politik geschrieben. Eine Mail an den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), an den Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz und an den Landtagsabgeordneten Thomas Huber (beide CSU), um genau zu sein. Betreff: Das Sterben der landwirtschaftlichen Gärtnereien. Vergangenen Samstag hat sie ihn verschickt, als sie die vielen Blumen zum Valentinstag in den Supermärkten gesehen hat. Ihre Forderung: Die Öffnung der Gärtnereien zur Saison von März bis Oktober.

Zu Besuch in der Gärtnerei Köstler. Drei Azubis kümmern sich kurz vor Feierabend noch um die kleinen Frühlingsblüher, Nele Köstler selbst steht in den breiten Gängen zwischen Primeln und Kronenanemonen, als sie von ihrer aktuellen Situation erzählt. Eine Gärtnerei sei wie ein Oktoberfest, sagt sie. "Wir machen in wenigen Wochen, von März an, den Löwenanteil unseres Umsatzes." Danach sei Ruhe, so Köstler, abgesehen von besonderen Anlässen wie etwa Weihnachten oder Muttertag. Sie bestätigt das, was sie auch in ihrer Mail an die Abgeordneten geschrieben hat: "Wenn wir ab März nicht wieder öffnen dürfen, können wir unser Bestehen nicht garantieren."

Mit Nele Köstler wird die Premium Gärtnerei Köstler in Grafing nun schon in der sechsten Generation familiengeführt. 2017 ist die studierte Philosophin nach einigen Jahren in der Industrie voll operativ in das Familienunternehmen eingestiegen. Mit ihr kamen der Aufbau des Cafés in der Gärtnerei sowie der Ausbau des Onlineshops. 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Auszubildende sind nun insgesamt beschäftigt, unter anderem zwei Geflüchtete. Vorab betont Köstler die generelle Lage. "Die grüne Branche steht sowieso stark unter Druck", so die 33-jährige. "Wir haben versucht eine Nische zu finden." Der größte Unterschied zu anderen Gärtnereien: Im Gartencenter Köstler werden 60 Prozent der Pflanzen selbst angebaut. Dadurch würden sie nachhaltig. "Wir heizen mit nachwachsenden Rohstoffen, haben unseren eigenen Wasserkreislauf zum Gießen, nutzen eigene recycelte Töpfe." Was jetzt so weh tue, sagt die Chefin und deutet auf die vielen bunten Flächen hinter sich: Dass alles voll sei. Und niemand hier.

Alle leiden, so Köstler, aber man müssen ein bisschen zwischen den Betrieben differenzieren. "Ich kann nicht das Licht ausschalten und alle in Kurzarbeit schicken." Durch die eigene Produktion müsse die Ware gepflegt werden, sie müsse heizen und ihre Leute behalten, sonst gehe alles kaputt. Ein kurzer Blick durch die große Glastür neben den Primeln zeigt viele weitere Pflanzen. "In der Produktion wächst schon Sommerware." In ihrem Schreiben nutzt Köstler folgende Worte: "Da wir Lebendware anbieten, die einem klaren Verfall unterliegt und immense Fixkosten jeden Monat stemmen müssen, werden wir nicht auf die Hilfen warten können."

5000 verschiedene Primelsorten, etwa 12 000 verschiedene Viola, 3000 Bellis - insgesamt mehr als 20 000 verschiedene Frühlingsblüher stehen für den Saisonstart auf der 3400 Quadratmeter großen Verkaufsfläche bereit. Auch etwas, das Köstler anspricht: "Es führt zu viel Irritation, wenn bestimmte Dienstleistungsbetriebe, die auf lange Zeit auf engstem Raum mit dem Kunden in Kontakt treten, öffnen dürfen." Beispiel Fahrschulen. In der Gärtnerei hingegen seien die Gänge drei Meter breit, Glasdach und Wände seien offen, es gebe ein Lüftungskonzept und einen ausgeklügelten Hygieneplan, und somit wenig Gefahrenherde. "Ich habe das Gefühl, da wird nach dem geschaut, der am lautesten schreit", so Köstler. Ein weiteres Problem: "Mit welcher Aggression der Lebensmitteleinzelhandel aktiv den Markt besetzt."

Tatsächlich hatte Nele Köstler sowieso geplant, sich an die Behörden zu wenden. Dass es dann so schnell ging, sei dem Blumenangebot der Supermärkte am vergangenen Wochenende geschuldet gewesen. Ihr liege es fern, den einzelnen Lebensmittelhandel verantwortlich zu machen, schreibt sie, diese handeln im wirtschaftlichen Interesse. Neben den Blumen stehend fügt sie dann hinzu: "So ruinieren wir uns gezielt den Mittelstand."

Köstler betont: "Wir bemühen uns. Wir machen call und collect und click und collect über den Onlineshop. Wir liefern. Das ist aber ein Fragment unsere normales Umsatzes." Der vergangene Valentinstag etwa brachte nur ein Drittel der sonstigen Einnahmen. Für sie bleibe eine Frage: Warum dürfen in anderen Bundesländern Gärtnereien öffnen, aber nicht die in Bayern?

Köstler hat sich nicht zum ersten Mal an die Behörden gewandt. Im ersten Lockdown hatte sie bereits Kontakt mit Andreas Lenz und Thomas Huber aufgenommen. "Beide waren extrem hilfsbereit", sagt sie und weiter, "ich hatte das Gefühl, sie bemühen sich". Auch auf ihre neue Mail gab es schon Antworten. Von anderen Gärtnereien, die sich mit Köstler solidarisieren und auf eine Öffnung Anfang März hoffen, von der Kundschaft, und auch von Lenz und Huber. Letzterer etwa schrieb, er könne Köstler gut verstehen, insbesondere weil es sich bei einer Gärtnerei um einen Saisonbetrieb handle. Er unterstütze die Forderung nach einer Öffnung in den nächsten Wochen, dabei denke er konkret an den 1. März, er habe dies so im bayerischen Landtag kommuniziert. In der Antwort von Anderas Lenz hieß es, so Köstler, er verstehe, was sie in ihrem Schreiben anspreche, dass das Schwierigste die Planungsunsicherheit sei.

© SZ vom 19.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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