Grasbrunn:Glücksfall voller Zärtlichkeit

Grasbrunn: Ungewöhnlich reichlich weiblich besetzt ist das "Bayerische Kammerorchester Bad Brückenau", das das Publikum im Bürgerhaus Neukeferloh beglückt.

Ungewöhnlich reichlich weiblich besetzt ist das "Bayerische Kammerorchester Bad Brückenau", das das Publikum im Bürgerhaus Neukeferloh beglückt.

(Foto: Christian Endt)

Rathauskonzert Vaterstetten mit dem "Bayerischen Kammerorchester Bad Brückenau" in Neukeferloh

Von Claus Regnault, Grasbrunn

Fast wäre es eine Damenkapelle geworden, so reich besetzt an attraktiver Weiblichkeit ist das Bayerische Kammerorchester Bad Brückenau. Bestimmt war der besonders zarte, ja zärtliche Ton des Höhepunkts dieses Konzertes, "Appalachian Spring" von Aaron Copland, dieser durchaus ungewöhnlichen Besetzung zu verdanken. Da haben sich Gott sei Dank die Zeiten seit jenem Eklat geändert, als die Berliner Philharmoniker, damals eine reine Männergesellschaft, sich weigerten, die Klarinettistin Sabine Meyer in ihren Kreis aufzunehmen.

Das Vaterstettener Rathauskonzert dieses Orchesters im Bürgerhaus Neukeferloh war ein Ereignis von besonderer Güte. Es hatte nur einen Schwachpunkt, und der war die Besetzung des Soloparts im "Konzert für Cembalo und Orchester A-Dur BWV 1055" von Johann Sebastian Bach durch das Akkordeon des ansonsten hervorragenden Solisten des Abends, des kroatisch-stämmigen Denis Patkovic. Was unter Studiobedingungen leicht manipulierbar wäre, war im Livekonzert von Nachteil, dass nämlich die Solostimme des Akkordeons im Klang des Orchesters fast unterging und in den linearen und Unisono-Partien des Stücks nicht die Präsenz des Cembalos oder eines Blasinstruments hatte.

Im Übrigen war die Aufführung ein reiner Glücksfall. Sie begann mit der "Streichersymphonie Nr. 7 in b-Moll" des damals 13-jährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy, eine Talentprobe aus sich ankündigender Mendelssohn-Melodik und Bach'scher Kontrapunktik, die dem jungen Komponisten von seinem Lehrer Zelter beigebracht worden war. Bemerkenswert vor allem das witzige "Menuetto e Trio" als in dieser Sinfonie erstmals probierter Viersätzigkeit und der Finalsatz "Allegro molto", in welchen Mendelssohn fast lausbubenhaft Überraschungseffekte wie etwa verfrühte Schlussakkorde einbaute.

Nach der Pause kam Patkovic in zwei Stücken aus den "Five Tango Sensations" von Astor Piazzolla "Asleep" und "Fear" nachdrücklich und technisch brillant zur Geltung. Piazzolla hatte diese bezaubernden Stücke nach seiner Begegnung mit dem avantgardistischen Kronos-Quartett für dieses komponiert - für das Publikum endlich einmal eine Begegnung mit Stücken, die sich außerhalb der inzwischen reichlich bekannten Pfade seiner Erfolgstangos bewegen. Auch hier, im Satz "Fear" im Fugato die Bezugnahme des Komponisten auf Bach, den Piazzolla als sein großes Vorbild gewählt und dem er in seinen populären "Bachianas Brasileiras" ein sehr persönliches Denkmal gewidmet hatte. Patkovic konnte seine fulminante Virtuosität am Ende noch in einem zugegebenen Piazzolla-Stück beweisen.

Höhepunkt des Abends war jedoch eine der ursprünglichen Fassungen für Kammerorchester der Ballettmusik "Appalachian Spring" von Aaron Copland. Man kennt dieses Werk des "Vaters" der amerikanischen Konzertmusik in der späteren Fassung für großes Orchester, dort im banalen Sinn sehr amerikanisch. Die Seele dieser Musik kommt jedoch in der ursprünglichen Fassung für 13 Instrumente berührend zur Geltung. Copland verarbeitet hier amerikanische Folklore, insbesondere ein bezauberndes Lied der Shakers, einer amerikanischen Sekte, die sich von den Quäkern schon im 18. Jahrhundert abgezweigt hatte, eine Musik, die für das bessere, ideale Amerika steht.

Die Aufführung unter der kundigen Leitung von Sebastian Tewinkel vermittelte in ihrer zarten, intonationsreinen Gestalt ein musikalisches Bild des wahren Amerika. Dies am Vorabend des ersten TV-Duells zwischen Trump und Clinton, politische Gestalten, die nach Meinung mancher Beobachter eine andere Wahrheit Amerikas verkörpern.

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