Süddeutsche Zeitung

Grasbrunn:Die Heimkehr des heiligen Aegidius

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Förderverein und Ordinariat haben sich bei einer Auktion mithilfe eines Sponsors lange verschollene Figuren aus der Keferloher Kirche gesichert. Der Namenspatron soll wieder darin aufgestellt werden

Von Gudrun Passarge, Grasbrunn

St. Aegidius ist nach Hause zurückgekehrt. An seinem Namenstag stand der Heilige wieder dort, wo er hingehört, in Reih und Glied neben dem heiligen Nikolaus, der Madonna, dem heiligen Dionysius und St. Benno: im romanischen Kirchlein St. Aegidius in Keferloh. Die Heiligenfiguren, die aus dem späten 15. Jahrhundert stammen dürften, waren mehr als 65 Jahre verschollen. Jetzt sind sie bei einer Auktion in München wieder aufgetaucht, und Roswitha Riess, Vorsitzende des Fördervereins der Kirche St. Aegidius, hat zusammen mit dem Erzbischöflichen Ordinariat alles daran gesetzt, den Kirchenschatz zurückzuholen. Auch wenn momentan noch nicht feststeht, was genau mit den Figuren und den anderen wertvollen Stücken passiert, ließ Riess keine Zweifel aufkommen: "Wir wollen es nicht wieder hergeben."

Verständlich, wenn man weiß, wie der Förderverein an den Kirchenschatz gelangt ist. Riess berichtete, dass sie gleich mehrere Anrufe bekam von Leuten, die in einem Auktionskatalog auf die Stücke aufmerksam geworden waren. Unter anderem rief auch der spätere Sponsor an, der dem Verein zusagte, beim Erwerb zu helfen. Riess setzte sich mit dem Ordinariat in Verbindung, und beide Seiten verständigten sich schnell darauf, den Kirchenschatz zurückzuholen. Beide wollten je 10 000 Euro dazu beitragen, für den Rest gab es die Zusage des Sponsors.

"Es war eine wilde Versteigerung", erzählte Roswitha Riess. Man hatte versucht, relativ unbekannte Personen im Saal zu platzieren, die mitbieten sollten. "Aber es waren Händler da, die wollten die Figuren unbedingt haben." Das trieb den Preis in eine Höhe, die sie nicht vorhergesehen hatten. Am Ende fanden die Heiligen und diverse andere Stücke für 56 000 Euro den Weg zurück nach Keferloh. "Ich glaube, auch der Sponsor war überrascht", sagte Riess, doch er habe das Geld sofort überwiesen.

Da alles so schnell ging, sei noch nicht einmal Zeit gewesen, um gründlich zu recherchieren, erklärt Norbert Jocher, Chef des Kunstreferats im Ordinariat. So könne man nur schätzen, wie alt die Figuren seien, die alle erst noch restauriert werden müssen. Mancher Heiliger habe eine sehr ungesunde braune Gesichtsfarbe. "Wenn einer von uns so ausschaut, geht er spätestens dann zum Hautarzt", sagte Jocher. Auch die Ikonographie sei nicht ganz sicher, aber der Mann mit dem Einsiedlerhut ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Namensgeber der Kirche, Schutzpatron der Viehhändler und der stillenden Mütter. Wer sich über diese Kombination wundert, muss wissen: Dem gebürtigen Athener Aegidius wird nachgesagt, er sei als Einsiedler von der Milch einer Hirschkuh genährt worden.

St. Aegidius ist in jeder Hinsicht eine besondere Kirche, die jeden Besucher gleich mit ihrer schönen, schlichten Form und den alten Wandmalereien bezaubert. 1173 wurde sie vom Freisinger Bischof Adalbert geweiht, damals stand sie an einer wichtigen Wegkreuzung an der Salzstraße und gehörte zum Prämonstratenserkloster Schäftlarn. Keferloh war Teil eines komplizierten Tauschgeschäfts und neuer Standort der Mönche, die Gebiete in München an Heinrich den Löwen verloren hatten. Warum die Kirche an einem Ort mit zwei Bauernhöfen so groß ausfiel, dazu gibt es zwar viele Spekulationen, etwa dass sie auch als Gerichtssaal oder als Lagerstätte genutzt wurde, aber konkrete Belege fehlen.

Heute besticht St. Aegidius durch die sehr puristische Form der Restaurierung, wobei das Ziel, das Riess formulierte, eindeutig erreicht ist: "Es war von Anfang an klar, dass wir die Kirche in ihrer Urform erhalten wollten." Dass dies gelungen ist, gehört auch zu den großen Verdiensten des Fördervereins.

Nun schlägt er das nächste Kapitel auf, um die Kirche wieder annähernd so zu gestalten, wie sie einmal ausgesehen hat. Dazu gehört der gotische Kirchenschatz, der einst im Kirchlein stand, das bis 1962 in Privatbesitz war und erst dann dem Ordinariat übergeben wurde. Schon damals hatten die Figuren die Besitzer gewechselt. Nun könnte sich Riess vorstellen, wenigstens St. Aegidius wieder in der Kirche aufzustellen. Sie zeigt auf eine zugemauerte Fensternische aus der Barockzeit, wo sie sich den Heiligen gut vorstellen könnte.

"Wir sind noch im Überlegungsstadium", sagt sie. Dazu gehört auch die Idee, im Gut gegenüber von der Kirche eine Museumsstube einzurichten. Dort könnte der Kirchenschatz ausgestellt, zugleich aber auch die Geschichte des Weilers Keferloh erzählt werden. Der Vorsitzenden des Fördervereins ist es ein Anliegen, Keferloh wieder mehr in die Öffentlichkeit zu rücken. Sie habe viele Anrufe zum Kirchenschatz bekommen, berichtet Riess. "Das hat mich sehr gefreut. Die Kirche ist wieder im Bewusstsein der Menschen."

Beim Patroziniumsgottesdienst in St. Aegidius am Sonntag, 6. September, von 10 Uhr an ist der Kirchenschatz zu besichtigen.

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SZ vom 04.09.2015
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