Süddeutsche Zeitung

Grafinger VHS:Konträre Sichtweisen

Der Grafinger Stadtrat diskutiert hitzig über die Frage, ob die Stadt ein neues VHS-Gebäude bauen soll oder nicht.

Von Thorsten Rienth

GrafingDas Gebäude der Grafinger Volkshochschule in der Rotter Straße 8 ist seit fast fünf Jahren in weiten Teilen gesperrt. Soll die Entscheidung über den teuren Neubau jetzt fallen oder doch erst nach den Kommunalwahlen im März? Im Grafinger Stadtrat ist darüber am Dienstagabend eine heiße Debatte entbrannt.

"Wenn ihr das Gebäude nicht haben wollt, dann stellt bitte endlich den Antrag, dass ihr das Haus abreißen wollt und lieber Parkplätze baut!", rief Grünen-Stadträtin und Bürgermeisterkandidatin Angelika Obermayr zur CSU hinüber. Die CSU wollte das freilich nicht auf sich sitzen lassen und konterte in Person von Thomas Huber: "Es gibt keinen hier, der bestreitet, dass der Bau nötig wäre. Aber ich habe noch nichts davon gehört, woher wir das Geld nehmen. Ich habe erhebliches Bauchweh, wenn ich mir diese Kalkulationen ansehe."

Diese Kalkulationen, damit meint der Landtagsabgeordnete die Berechnungen des Immobilienmanagers Matthias Reichle. Er hatte im Auftrag der Stadt verschiedene Finanzierungsmodelle für ein neues VHS-Gebäude in der Rotter Straße analysiert. Je nach Variante müsste Grafing demnach über einen Zeitraum von 30 Jahren jährlich mindestens gut 300 000 Euro kalkulieren.

Der Schlagabtausch zwischen CSU und Grünen machte im Stadtrat nicht nur einmal mehr deutlich, wie verschieden die Sichtweisen in dem Gremium weiterhin sind. Er zeigte auch, dass die Gemeinde mitten im Wahlkampf steckt. Sonst würde jemand wie die Zweite Bürgermeisterin und offensichtliche Bürgermeisterkandidatin der CSU, Susanne Linhart, in Richtung Grüne, SPD und Bündnis für Grafing (BfG) kaum derart deutlich werden: "Sie machen hier wilde Vorwürfe, aber keinen einzigen Vorschlag, wo diese 300 000 Euro im Jahr herkommen sollen - so kann's ja wohl nicht gehen!"

Zuvor hatten auch SPD und BfG (Bündnis für Grafing) die CSU kritisiert. "Ich sehe keinen Grund, warum wir eine Entscheidung jetzt weiter auf die lange Bank schieben", sagte SPD-Chefin Regina Offenwanger. "Wir haben das ausreichend untersucht, wir haben die verschiedenen Modelle durchgespielt, jetzt sollten wir endlich einmal ein klares Signal setzen, dass wir dieses Projekt voranbringen", forderte sie. Darauf wollte auch Heinz Fröhlich (BfG) hinaus. "Wir warten seit fünf Jahren darauf, dass die CSU nicht nur sagt, dass sie das Gebäude will, sondern dass sie auch sagt: Wir zahlen das!" Es sei den Grafingern nicht mehr länger vermittelbar, warum das Thema regelmäßig im Stadtrat auf der Tagesordnung stünde, das Gremium aber keine Entscheidung treffe.

Bei CSU-Stadtrat Josef Pollinger ist diese Entscheidung offenbar schon gefallen. "Wir binden uns da einen Riesenrucksack auf den Buckel - ich kann da nicht zustimmen", stellte er klar. Rechne man die Finanzierung des neuen Gebäudes und die Kosten für die Mitgliedschaft im VHS-Zweckverband zusammen, würde Grafing bald jedes Jahr 650 000 Euro für die Einrichtung ausgeben. Das sei ihm zu viel.

Zünglein an der Wage könnten die Freien Wähler sein. War die Vereinigung um Christian Einhellig in den vergangenen Monaten zu dem Thema recht leise, fand sie am Dienstag klare Worte. "Es ist doch eine Frage der Sichtweise, wie man an die Sache herangeht: Ist das Ziel, dass wir zeigen, dass das Projekt nicht geht? Oder sagt man: Die Zahlen geben den Bau her und wie können wir es schaffen, das Geld dafür aufzutreiben?" Zumindest bei der VHS stehen die Freien Wähler den Grünen und der SPD also näher, als ihrem traditionellen Partner CSU. Eine Abstimmung gab es in der Sitzung nicht. Der Tagesordnungspunkt sah lediglich die Debatte, nicht aber einen Beschluss vor. Die endgültige Entscheidung ist wohl auf eine Sitzung nach den Kommunalwahlen im März vertagt.

Auf ein immerhin kleines Signal in Richtung Volkshoch- und Musikschule konnte sich das Gremium jedoch doch noch einigen. Die jährlich gut 300 000 Euro sollen fest in die Finanzplanung der nächsten Jahre aufgenommen werden. Da kann das Projekt dann zwar schnell wieder herausgenommen werden. Aber eine erste kleine finanzpolitische Hürde ist damit genommen.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2013
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