Süddeutsche Zeitung

Grafinger Protokollpraxis:Ab jetzt pünktlich

Grafings Stadträte müssen monatelang auf die Sitzungsprotokolle warten. Eine verschärfte Geschäftsordnung und ein neuer Mitarbeiter sollen das nun ändern.

Thorsten Rienth

Wenn es um die Protokolle der Grafinger Stadtratssitzungen geht, herrscht im Rathaus, man kann das so sagen, der Schlendrian. Die Aufzeichnungen der Juli-Sitzung etwa kommen erst im nächsten März, beim Bauausschuss müssen Stadträte und Öffentlichkeit im Durchschnitt sechs Monate warten. Weil sich daran seit Jahren nichts ändert, steht das Thema regelmäßig auf den Tagesordnungen. Mit dem Verweis auf die Personalnot im Rathaus war die Diskussion dann meist schnell zu Ende. Es geht eben nicht schneller, hieß es. Nun aber scheint sich tatsächlich etwas zu ändern. Nach einem Antrag der Grünen werden die Fristen in der Geschäftsordnung verschärft, zudem soll sich ein neuer Mitarbeiter schwerpunktmäßig um die Protokolle kümmern.

Es ist erst ein paar Wochen her, da kam es im Grafinger Stadtrat zu einer grotesken Situation: Das Gremium sollte über einen früheren Empfehlungsbeschluss des Bauausschusses zum geplanten Einheimischenbauland abstimmen. Doch über welche Details sie da eigentlich zu beraten hatten, wusste die Hälfte des Gremiums - nämlich alle, die nicht auch im Bauausschuss sitzen - nicht. Diese Stadträte konnten dies auch gar nicht. Denn das Protokoll aus dem Wochen zurückliegenden Ausschuss war noch nicht fertig. "Seit 17 Jahren nehmen wir diesen Zustand mehr oder weniger klaglos hin, weil wir schon fast aufgegeben haben", sagte Grünen-Fraktionschefin Angelika Obermayr, als sie ihren jüngsten Antrag zu einer neuen Grafinger Protokollpraxis erläuterte. Um verlässliche Zahlen zu bekommen, habe sie einmal alle Protokolle der aktuellen Legislaturperiode überprüft. "Es sind im Durchschnitt viereinhalb Monate, beim Bauausschuss sogar sechs Monate." Das behindere eine gewissenhafte Stadtratsarbeit und sei obendrein ein klarer Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Tatsächlich steht dort, dass die Protokolle "in der Regel (...) innerhalb von vier Wochen" an die Stadtratsmitglieder zu gehen haben. Beantragt hatte Obermayrs Fraktion die Wörter "in der Regel" aus dem Passus zu streichen. Dies würde die Verwaltung zu schnellerer Arbeit gewissermaßen zwingen. Wie Zweite Bürgermeisterin Susanne Linhart (CSU), die für das erkrankte Stadtoberhaupt Rudolf Heiler die Sitzung leitete, erklärte, dürfte dies künftig wohl gar nicht mehr nötig sein. "Wir haben ab dem 1. Juni einen neuen Mitarbeiter, der sich im Schwerpunkt genau um solche Dinge kümmern wird." Mit einigen wenigen Gegenstimmen von Freien Wählern und CSU ging der Antrag dennoch durch. Künftig haben die Protokolle verbindlich spätestens vier Wochen nach der Sitzung vorzuliegen. Zudem gilt ein Protokoll erst dann als formal angenommen, wenn beim neuen Tagesordnungspunkt "Verabschiedung des letzten Protokolls" keine Einwände erhoben werden.

Vorangegangen war der Abstimmung ein hitziger Schlagabtausch zwischen dem dritten Bürgermeister Heinrich Hölzle (FW) und den Grünen. "Mich stört es, dass der Verwaltung hier ständig ein solches Misstrauen gegenüber gebracht wird", schimpfte Hölzle. "Sie tun hier so, als würde man bei der Verwaltung überhaupt keine Informationen bekommen. Dann muss man halt mal hingehen und sich selber darum kümmern." Christiane Goldschmitt-Behmer konterte: "Das hat mit Misstrauen gegenüber der Verwaltung überhaupt nichts zu tun", rief sie. "Hier ist jahrelang etwas Grundsätzliches komplett falsch gelaufen - wenn ich das Protokoll von einer Sitzung Monate später bekomme, dann bringt das keinem mehr etwas, das kann ich gleich in den Abfalleimer schmeißen."

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Quelle:
SZ vom 17.05.2013
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