Grafinger Jugendorchester:Musikalisches Freudenfest

Das Grafinger Jugendorchester bereitet dem Publikum im Alten Speicher drei Stunden lang ein Konzert mit Charme, Leichtigkeit und komödiantischen Einlagen.

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Wo auf der Welt gibt es ein Orchester, bei dem die Gesangssolistin auf einem Motorroller bis zur Bühnenrampe vorfährt; bei dem zur Ouvertüre des "Barbier von Sevilla" eine Nassrasur stattfindet; und bei dem die Aufführung der "Fantasia on British Sea Songs" von Henry Wood in eine Art Kindergeburtstag ausartet?

Grafinger Jugendorchester: Flammende Show: Matthias Gruber (links), Lena Brenninger und Sebastian Gassmann bei Hubert von Goiserns "Brenna tuats guad"

Flammende Show: Matthias Gruber (links), Lena Brenninger und Sebastian Gassmann bei Hubert von Goiserns "Brenna tuats guad"

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Im Landkreis Ebersberg gibt es solch ein Ensemble - das Grafinger Jugendorchester. Am Samstag hat diese bunte Hundertschaft junger Musiker zwischen neun und 77 Jahren zusammen mit dem Stimmlust-Chor Eberharting und Mitgliedern der Rosenheimer Dance-Factory unter Leitung von Hedwig Gruber auf der erweiterten Bühne des Alten Speichers in Ebersberg ein "All in One" genanntes Musik-Freudenfest veranstaltet.

Schon vor Beginn liegt fiebrige Energie in der Luft, eine überraschende Leichtigkeit. Überraschend deshalb, weil der organisatorische Aufwand vor und hinter der Bühne und das umfangreiche Repertoire jeden Nervenzusammenbruch rechtfertigen würden. Zu den Musikstücken werden Videoprojektionen gezeigt, nicht zu reden von den szenischen und tänzerischen Einlagen, von den intelligenten musikalischen Ideen, bei denen die eine oder andere Partitur ein originelles Arrangement verpasst bekommt. Alles auf einmal! Dem Motto wird der Abend gerecht.

Absolut genial die Variation, die nach einem Geplänkel zwischen Geigerin Teresa Gruber, Pianist Jakob Skudlik und Conférencier Philipp Gassert Mozarts Rondo-Satz "alla Turca" erfährt. "Warum nicht mal A-Dur statt immer nur A-moll", fragt der Moderator. Und warum nicht das "h" ein klein wenig tiefer streichen?

Grafinger Jugendorchester: Alla Turca? Richtig türkisch klingt Mozarts bekanntes Rondo erst in der Bearbeitung durch Teresa Gruber, Violine, und Jakob Skudlik, Klavier.

Alla Turca? Richtig türkisch klingt Mozarts bekanntes Rondo erst in der Bearbeitung durch Teresa Gruber, Violine, und Jakob Skudlik, Klavier.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Was dabei herauskommt, hätte Mozart staunen lassen, ach was, es hätte ihn vom Hocker gerissen, denn so klingt das Rondo endlich mal wirklich türkisch und ist obendrein ein Beleg für das Können der beiden jungen Solisten. Köstlich auch, wie der noch sehr junge David Khatchatrian mit Schürze die Tasten des Klaviers wienert, wobei er wie aus Versehen Beethovens Fünfte anschlägt (kann ja mal passieren), um dann in den "Hummelflug" zu gleiten.

Zu Beginn ist die Bühne in Ozeanblau getaucht. "Riverdance", die sinfonische Suite des Iren Bill Whelan, zum Auftakt dokumentiert, wie homogen und rhythmisch sauber die jungen Musiker agieren. Dabei präsentieren sich die Sängerin Hannah Kreck und Geiger Michael Beschorner als starke Pfeiler der Aufführung.

Grafinger Jugendorchester: Die Abteilung "Blech" wiederum stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass sie jede Blaskapelle locker an die Wand spielt.

Die Abteilung "Blech" wiederum stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass sie jede Blaskapelle locker an die Wand spielt.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Gesangs- und Instrumentalsolisten geben während der dreieinhalb Stunden, die das Musikfest dauert, alles. Susanne Dorowski spielt auf der Querflöte Bachs "Bourree". Ähnlich, wie vor Jahrzehnten Jethro Tull das Stück genial "verhunzt" hat. Die Brüder David, Adam und Hamlet Ambarzumjan mit Benedikt Ohmann, Marimba, zelebrieren einen irrwitzigen "Säbeltanz" von Khatschaturian, müssen aber zweimal spielen, weil die Musiker beim ersten Mal vergessen haben, ihre kaukasischen Fellmützen aufzusetzen. Da kennt der Moderator, ein wunderbarer Komödiant mit Fliege und Fönfrisur, kein Pardon.

Auch Sänger und Sängerinnen haben einen Sonderapplaus verdient. Unglaublich, was diese jungen Kräfte stimmlich können: Lena Brenninger, die unter anderem den James-Bond-Song "Skyfall" von Adèle mit herrlich rauem Timbre interpretiert. Anastasia Turcu, die mit einem Song von Lloyd Webber Eindruck macht. Seppi Neuhäusler und Sebastian Gassmann, die Herzen höher schlagen lassen mit Stings "Shape of my Heart" und vor allem mit Sir Elton John's Hit "My Song" (Gassmann), zu dem dann - ist jetzt auch höchste Zeit - Leuchtstäbe zum Schwenken ausgeteilt werden.

Hubert von Goisern darf sich gebauchpinselt fühlen von der intensiven Darbietung seines Lieds "Brenna tuats guad" durch Sänger und Posaunist Matthias Gruber, Gassmann und Brenninger. Überhaupt bekommt die Liedermacher-Szene klanglich Zuwachs auch durch "The Journey", einer Komposition von Rupert Gruber und Lena Brenninger über Liebe und Erwachsenwerden. Eine zauberhafte Balletteinlage mit Spitzentanz von Ballerina Miriam Schweinböck und ein halsbrecherischer Breakdance mit Salto, ausgeführt von Sebastian Gerlitz, geben der dazugehörigen Musik, "La Valse d'Amélie" und "Catgroove" auch optischen Schwung.

Und dann sind da natürlich die Orchestermusiker aus elf verschiedenen Schulen, Studenten, Rentner, Auszubildende, Laien und Profis, die Großartiges leisten. Zum Beispiel die Cellistin Helena Peschel, die einen der Seasongs mit sentimentalem Schmelz spielt.

Mit diesem traditionellen Ausklang der "Last Night of the Proms" in England leitet das Jugendorchester seinen Showdown ein. Und es zeigt sich: Der Briten liebstes Mitmachkonzert gefällt auch dem Ebersberger Publikum, das die ausgeteilten Fähnchen, Tröten und Pfeifen nach Kräften nutzt und übermütig die von der Decke schwebenden Luftballons durch den Saal schubst.

Da kommt der letzte der Seasongs gerade recht, um die Fassung wiederzuerlangen: "Rule Britannia". Kann man ja auch in Bayern singen, wo die Wogen manchmal hoch schlagen. Das Publikum bedankt sich mit lautstarkem Applaus für das wunderbare Konzert, für die Hingabe aller Beteiligten, für das Engagement Hedi Grubers, für "All in One" - das alles an einem Abend.

Das Konzert des Grafinger Jugendorchesters "All in One" wird nochmals aufgeführt am Dienstag und Mittwoch, 23. und 24. Juni, um 19.30 Uhr im Alten Speicher Ebersberg.

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