Süddeutsche Zeitung

Fanausschreitungen:Gesetz nach Kölner Silvesternacht setzt womöglich Hooligans unter Druck

Bisher musste der Täter in einem Pulk eindeutig identifiziert werden. Ein neues Gesetz macht es jetzt vielleicht möglich, die ganze Fangruppe zu bestrafen. Ein Grafinger Eishockey-Verein könnte davon profitieren.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Während die Spieler des Eishockeyklubs EHC Klostersee in der Gästekabine des ESV Dachau ihren Sieg feierten, zogen draußen 35 Männer mit Bierflaschen zum S-Bahnhof. Auf dem Weg demolierte die Gruppe ein Straßenschild, warf Stühle eines Wirtshauses durch die Gegend und zündete verbotene Pyrotechnik. Die Dachauer Polizei war mit Beamten vor Ort, identifizierte zwei der Randalierer - und zeigte beide an. Die anderen 33 kamen ohne Anzeige davon. Ein Fall wie viele andere: Wenn Hooligans randalieren, gibt es kaum Strafen. Daran könnte sich künftig womöglich etwas ändern.

Die Gruppe war bisher die Tarnung des Hooligans. Mit vermummten Gesicht und unauffälliger Kleidung lies sich nahezu unbehelligt Steine werfen oder zündeln. "Die Polizei konnte in solchen Fällen nur Personen festnehmen, denen man eine Tat eindeutig zuordnen konnte", sagt Ebersbergs stellvertretender Polizeichef Gerhard Freudenthaler.

Das Risiko, erwischt zu werden, war entsprechend gering - ein Grund, warum es auch diese Saison wieder krachte: Fünf Mal nutzten sogenannte Fans aus Grafing Eishockeyspiele für Krawalle. Zuletzt konnten EHC-Anhänger und Fans des MEK München nur durch Bundespolizisten und eine vom Verein engagierte Sicherheitsfirma getrennt werden. Anzeigen gab es keine, wieder mal.

Seit Kurzem hat die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen möglicherweise mehr Möglichkeiten. In Folge der Übergriffe in der Silvesternacht von Köln gilt seit November ein neues Gesetz mit dem prominenten "Nein heißt nein"-Passus, der vor allem Frauen schützen soll. Weniger bekannt ist der ebenfalls neue Paragraf 184j. Danach gilt: "Wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt", dem droht eine Gefängnis- oder Geldstrafe. Der Paragraf 184j bezieht sich zwar explizit auf Straftaten, wo sexuelle Übergriffe geschehen. Freudenthaler erhofft sich davon dennoch auch Möglichkeiten in Hooligan-Pulks.

"Wenn einer einen Stein schmeißt, sind künftig auch die anderen dran."

Am Sonntag um 17.30 Uhr empfängt Grafing den EHC Waldkraiburg, ein weniger brisantes Spiel, weil kaum Gästefans erwartet werden. Freudenthaler erhofft sich, dass der neue Paragraf die Arbeit der Polizei künftig generell erleichtert, gerade wenn verfeindete Gruppen nach Heimspielen in die Stadt weiterziehen. "Für könnte das ein neues Werkzeug werden", sagt er. Die Schwierigkeit bleibt dabei, dass auch Gruppen nur dann strafrechtlich verfolgt werden dürfen, wenn es für eine Tat Zeugen gibt, und wenn, so der Paragraf, sexuelle Beweggründe mitspielen.

In Grafing spricht die Polizei von 15 bis 20 Männern, die seit vier Jahren Spiele des EHC Klostersee für Randale und Schlägereien nutzen, einmal flogen auch Steine. Trotz Stadionverboten und Sicherheitspersonal ging es so weit, dass bundesweit über den EHC berichtet wurde. Als dann auch noch Sponsoren absprangen, war die Oberliga für Klostersee nicht mehr finanzierbar. Der Verein meldete die erste Mannschaft im Sommer 2016 ab und startete nach dem Zwangsabstieg in der sechsten und untersten Liga den Neuanfang.

Einer, der ganz aufgehört hat, ist Alexander Stolberg. Nach dem Oberliga-Aus trat der 46-Jährige in seinem zehnten Jahr als EHC-Präsident zurück. Seither konzentriert sich Stolberg auf seine Kanzlei, er ist Rechtsanwalt für Strafrecht und sieht in Paragraf 184j womöglich eine Chance für Polizei und Staatsanwälte. "Nicht nur für Sexualstraftäter, auch für Hooligans könnte es künftig schwieriger werden", sagt er. Stolberg hofft, dass sich das Gesetz in der Szene herumspricht. Seine Botschaft: "Wenn einer einen Stein aus der Gruppe schmeißt, dann sind künftig die anderen auch dran."

Als Höchststrafe sieht der Paragraf 184j zwei Jahre Haft vor. Diese, so Stolberg, werde meist zur Bewährung ausgesetzt, "außer bei notorischen Mehrfachtätern". Die mildere Variante ist die Geldstrafe, ab 90 Tagessätzen ist man aber dennoch vorbestraft. Stolberg hofft, dass diese Aussichten eine abschreckende Wirkung entfaltet.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2017
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