Julia Fehenbergers Stimme ist dynamisch, experimentierfreudig und sehr wandlungsfähig. Fehenberger kann vor allem eines: amerikanischen Jazz beeindruckend interpretieren. Gemeinsam mit dem Gitarristen Stephan Kramer trat sie im Opening Set zur monatlichen Jam-Session bei "Jazz im Turm" auf.
Kramer ist Gitarrist durch und durch. Seit Kindertagen spielt er die verrücktesten Instrumente, nicht nur Standardmodelle, sondern Gitarren unterschiedlichster Bauart, inzwischen sogar ein Instrument mit sieben statt mit sechs Saiten. Der Grafinger Turm war, wie bei den Sessions von Jazz Grafing üblich, gut besucht. Zunächst spielten die Musiker als Duo, später ergänzt von Schlagzeug und Bass. Beide waren kurzfristig eingesprungen. Kompositionen klassischer Jazzgrößen und Standards des Bossa Nova standen auf ihrem Programm, etwa Thelonious Monk's "Ruby, my Dear" oder Nina Simones "Plain Gold Ring". Eine Mischung aus Latin, Swing und Ballade war geboten. Nicht nur in Eric Clapton's "Old Love" schlug Fehenberger dabei jenen dirty Sound an, der so typisch für diese Musik ist, obgleich sie auch sehr sanft singen kann. Mit Ludwig Klöckner von der Organ Exposion am Bass und Johannes Rothmoser von àlaSKA am Schlagzeug zog das Tempo der Musik an, der Groove gewann an Fahrt. Titel, die im weitesten Sinne mit Liebe und Hochzeit zu tun haben, wurden in Grafing zum Besten gegeben. Kein außergewöhnliches Konzept, findet sich doch Liebe gerne als Thema der Musik, vielleicht weil sie im echten Leben öfter scheitert oder aber weil sie die Gefühle zu extremer Hochform steigern kann. "Ruby, my Dear" von Thelonious Monk ist ein solcher Song. Monk soll ihn mit 19 in großer Verliebtheit geschrieben haben. Und auch in "Plain Gold Ring" geht's um die Liebe. Sphärische Klänge zauberte die Gitarre da, schwebende Momente mit starken Hall-Effekten standen im Raum. Dem Gitarrensolo folgte die Sängerin solistisch, ehe Bass und Schlagzeug mit einstiegen. Welch betörende Klänge der Schlagzeuger da mit seinen Paukenschlägeln auf den Perkussionsinstrumenten zauberte. Man wähnte sich zuweilen in einem Film oder bei James Bond. Sicher haben sich auch Filmkomponisten von jenem Song inspirieren lassen, der doch im Original so völlig anders klingt. Das ist eben das Großartige am Jazz: Die Songs klingen je nach Interpreten unterschiedlich. Die Freiheit der Improvisation ist etwas Wunderbares!
Stephan Kramer brachte auch Songs aus New York mit. Dort hat er sieben Jahre gelebt und alle möglichen bekannten und unbekannten Jazzgrößen erleben dürfen. Ein Titel von Barry Harris war ein solches Mitbringsel, das übrigens rein instrumental als Trio gespielt wurde. Auch Billie Holiday fehlte an diesem Abend nicht, ebenso Brook Bentons Song "I'll Take Care Of You", den das Quartett als Zugabe spielte. Nicht erst hier war man beim Blues angelangt. Jenes "Yeah!" aus dem Publikum zum Schluss des Konzertes konnte deutlicher nicht sein. Die Zuhörer waren hingerissen. Nach dem Set öffnete sich das Podium für die obligatorische Jam-Session, bei der übrigens auch wunderbare Musik gespielt wurde. Witzig war, dass zur gleichen Zeit genau gegenüber bayerische Blasmusik erklang. Dort feierte man die "Bierprobe" fürs Grafinger Volksfest. Unterschiedlicher können Klang-Kontinente nicht sein.