Grafing:Tröstliches Licht

Zwei Arbeiten von Hubert Elsässer schmücken die Aussegnungshalle

Von Franziska Langhammer, Grafing

"Die Hölle ist der Ort, an den man keinen Menschen wünscht", sagt der evangelische Pfarrer Axel Kajnath, "ein Ort, von dem man nur weg möchte." Das, was die Menschen hier erlebten, sei aber auch ein Teil der Hölle: Hier trauern Menschen, weil ihnen jemand genommen wurde, der ihnen nahe stand. Hier, das ist die Aussegnungshalle am Waldfriedhof in Grafing, in die an diesem Vormittag eine milde Herbstsonne hineinscheint. In der Halle werden zwei Bronzereliefs des renommierten Künstlers Hubert Elsässer eingeweiht, die sich thematisch und ästhetisch sehr gut in die Umgebung einfügen. Kajnath sowie sein katholischer Kollege Anicet Mutonkole-Muyombi leiten die kleine, aber feierliche Zeremonie.

"Hinabgestiegen in das Reich der Toten" lautet der Titel des einen Werks. Auf kreisrundem Untergrund ist eine Gruppe von Menschen zu sehen; sie scheinen orientierungslos in der Dunkelheit, drängen sich eng aneinander, strecken ihre Hände verzweifelt in die Höhe. Und doch scheint etwas ihre Aufmerksamkeit erregt zu haben, ihr Suchen hat eine Richtung. Fast die Hälfte des Reliefs gilt einer Person, die sich abhebt von den anderen, die größer ist und mit offenen Armen die Stufen in die Tiefe hinunter schreitet. "Mit der Person, mit Jesus kommt Licht hinein", sagt Kajnath, "und die Personen, die in der Hölle sind, bemerken das." Dieses Licht in der absoluten Dunkelheit, dieser Glanz inmitten dumpfer Hoffnungslosigkeit, soll nun auch auf die Trauernden ausstrahlen: Die beiden Werke, die an der hinteren Wand der Aussegnungshalle angebracht sind, sollen beim Abschied Trost und Hoffnung schenken.

Grafing: Mit Jesu Sterben setzen sich die beiden Bronzereliefs von Hubert Elsässer auseinander, die die Stadt Grafing nun geschenkt bekommen hat.

Mit Jesu Sterben setzen sich die beiden Bronzereliefs von Hubert Elsässer auseinander, die die Stadt Grafing nun geschenkt bekommen hat.

(Foto: Christian Endt)

Der Name des anderen, in schroffen Formen angefertigten Bronzegusses lautet "Grablegung Jesu". Er zeigt einen in seiner Schmalheit beinah filigran wirkenden Jesus auf seinem Totenlager, umgeben von wuchtigen Felsen. Leblos liegt er da, und doch umgibt ihn ein schützender Schein. Den Rahmen der Szenerie bilden zwei kräftig wirkende Figuren rechter und linker Hand; sie trauern und bewachen den Leichnam. Alles in diesem Bild drückt gespannten Stillstand aus, das Warten auf ein erlösendes Weiter.

Dass die beiden Bronzegüsse nun ihren Platz am Grafinger Waldfriedhof gefunden haben, ist einem glücklichen Zufall geschuldet: Mitte der Sechzigerjahre war der angesehene Bildhauer Hubert Elsässer (1934 bis 2009), der den Würzburger und den Limburger Dom mitgestaltete, in Waldkraiburg beschäftigt: Er fertigte dort einen Kreuzweg für die Pfarrkirche an. Der damalige junge Kaplan Anton Zawadke war so begeistert von der Arbeit des Künstlers, dass er zwei Probeabgüsse der Bronzereliefs erwarb. Später nahm Zawadke die Werke mit nach Ottobrunn, wo er lange Jahre als Pfarrer lebte und arbeitete. 2013 vererbte er die beiden Stücke an seine Nichte, die Grafingerin Dorothea Paster, die sie dann gerne in der Öffentlichkeit ausstellen wollte. Denn, wie Paster mit einem Schmunzeln bemerkt, "fürs Wohnzimmer ist das eher nichts".

Grafing: In der Aussegnungshalle sollen sie im Moment der Trauer Hoffnung spenden.

In der Aussegnungshalle sollen sie im Moment der Trauer Hoffnung spenden.

(Foto: Christian Endt)

Also wandte sich Dorothea Paster nun an die Stadt Grafing. Zuerst stand die Überlegung im Raum, die beiden Reliefs im örtlichen Museum unterzubringen, doch Paster wollte sichergehen, dass sie auch gezeigt werden. "Wir haben uns überlegt, dass sie ganz gut in die Aussegnungshalle passen würden", sagt sie und verweist auf die ansonsten kahl wirkenden Wände der Halle, "die sind ja sonst ein bisschen nackert". Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) sowie Archiv- und Museumsleiter Bernhard Schäfer, die ebenfalls an der Weihe der beiden Artefakte teilnehmen, freuen sich über die Schenkung. "Eine schöne Sache", findet Schäfer, "mit Blick auf die Bronzegüsse können sich die Menschen in diesem Raum der Trauer den Tod im christlichen Glaubensverständnis ins Gedächtnis rufen." Pfarrer Mutonkole-Muyombi sagt: "Diese beiden Reliefs sind Zeichen des Lebens hier an diesem Ort, wo wir für die Toten beten."

Unikate sind die zwei der Stadt gestifteten Bronzebilder von Hubert Elsässer zwar nicht, aber doch eine wertvolle Rarität: Nach dem endgültigen Guss der Reliefs, die noch in der Pfarrkirche in Waldkraiburg hängen, wurden die Gipsformen zerstört.

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