Grafinger Stadthalle:Raten, lachen, glücklich sein

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Blick hinter die Kulissen eines Livestreams: Quizmaster Sebastian Schlagenhaufer und Haustechniker Wolfgang Heller bei ihrer ersten Sendung aus der Turmstube der Grafinger Stadthalle. Die Premiere ist so gut gelaufen, dass das Programm nun ausgeweitet wird. (Foto: Veranstalter)

Sebastian Schlagenhaufer arbeitet an einem abwechslungsreichen Onlineprogramm. Das Pubquiz war ein voller Erfolg, Improtheater, Bingo und Escape Room sollen folgen

Von Anja Blum

Die Zeit der "Schockstarre" sei vorbei, sagt Sebastian Schlagenhaufer, nun hätten Motivation und Kreativität wieder das Ruder übernommen. Der Intendant der Grafinger Stadthalle arbeitet wie seine Kollegen vom Alten Kino in Ebersberg oder vom Meta Theater in Moosach jetzt mit Hochdruck an neuen Ideen und Online-Formaten, um die Schließung ihrer Kulturstätten in den kommenden Wochen, wenn nicht gar Monaten zu kompensieren. "Wir wollen die Beziehung zwischen dem Haus, seinen Gästen und regionalen Künstlern aufrechterhalten", formuliert Schlagenhaufer das übergeordnete Ziel. Da freilich sehr viele Kulturinstitutionen nun diesen Weg beschreiten, sieht der Grafinger den Königsweg für die Stadthalle darin, sich vor allem auf Angebote mit Lokalbezug zu spezialisieren. "Das ist unser Alleinstellungsmerkmal."

Der erste Grafinger Testballon ist bereits geflogen - und zwar erfolgreich. Vergangenen Donnerstag ging das erste Online-Pubquiz über die Bühne, beziehungsweise den Livestream. Laut Schlagenhaufer ein voller Erfolg. Das Angebot war in Nullkommanix ausgebucht, 16 Teams nahmen teil, eines sogar von Exil-Grafingern, die mittlerweile in San Francisco leben. Schlagenhaufer sendete aus der Turmstube, moderierte, stellte die Fragen und wertete die Antworten aus. Kommunikation war über einen Chat als auch über Mail möglich. "Und es hat technisch alles einwandfrei funktioniert, wir waren ruckelfrei online und hatten so fast zwei Stunden Programm", erzählt er. Was den Intendanten aber besonders freut, ist die Erfahrung, dass sich durchaus eine Art "Livefeeling" eingestellt habe. "Es gab immer wieder lustige Zwischenrufe, die Stimmung war wirklich gut, und man hatte tatsächlich das Gefühl, Teil einer größeren Gruppe zu sein." Das Feedback der Teilnehmer habe das auch bestätigt. "Bemängelt wurde zum Beispiel, dass ich vor schwarzem Hintergrund ein schwarzes Hemd getragen habe - aber wenn das alles ist ...", sagt Schlagenhaufer und lacht.

Klar ist also bereits jetzt, dass es eine Wiederholung des Pubquiz' geben wird, und zwar am Donnerstag, 14. Mai, um 20 Uhr. Dann werden auch mehr Teams teilnehmen können, da Schlagenhaufer plant, sich Unterstützung für die Auswertung der Antworten zu holen. Außerdem soll in der Zeit, in der die Teams in ihren eigenen Konferenzen die Fragen diskutieren, auch etwas geboten sein: "Musik, wie wir sie normalerweise spielen, eignet sich nicht, weil die Teilnehmer ja Ruhe brauchen, deswegen haben wir uns was anderes überlegt: Live-Painting!" Sprich: Ein Maler wird in jeweils acht Minuten ein Bild erschaffen. Sobald er seine Signatur darunter setzt, wissen die Ratenden, dass die Zeit in dieser Runde abgelaufen ist.

Ganz generell lautet das aktuelle Ziel von Schlagenhaufer: den Menschen in der Corona-Isolation lokal interaktive Unterhaltung sowie Anlass zur Vernetzung zu bieten, und diese Formate so gut es geht mit kulturellen Elementen anzureichern. "Wir waren zwar vor allem technisch auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet, aber wir entwickeln uns täglich weiter", sagt der Intendant. Er selbst zum Beispiel habe noch nie etwas gestreamt, deswegen sei das Pubquiz auch für ihn ganz persönlich eine große Premiere gewesen.

Ein Format, das wie geschaffen scheint für einen Onlineabend mit Mitmachfunktion, ist Improtheater. Da Schlagenhaufer als Schauspieler selbst Teil einer solchen Gruppe ist, wird es in der Turmstube bereits am Donnerstag, 7. Mai, um 20 Uhr soweit sein: FKK - Die Impro Show spielt "Nicht anfassen". Das heißt, zwei Akteure werden wie gewohnt auf "Zuruf" des Publikums Szenen improvisieren, nur dass die Wünsche eben nicht aus dem Saal, sondern per Chat oder Mail eingehen. Außerdem müssen die Darsteller auf der Bühne freilich genügend Abstand zueinander halten, doch das dürfte kein Problem sein: Es gebe in diesem Genre diverse Spielformen, die sich wunderbar dafür eigneten, erklärt Schlagenhaufer, zum Beispiel die Rubrik "Gebärdensprache". Und bei anderen Formaten könnte die physische Distanz eine ganz besondere Komik entwickeln, hofft er. "Das muss man einfach ausprobieren, ganz ohne Netz und doppelten Boden." Sebastian Schlagenhaufer selbst wird den Abend moderieren. "Das hat den Vorteil, dass ich gute Ideen aus dem Publikum auch direkt in die Szenen hineingeben kann, was beim normalen Improtheater ja nicht möglich ist. Da herrscht während des Spiels absolute Ruhe", erklärt er.

Ein begrenztes Teilnehmerkontingent wie beim Quiz wird es beim Grafinger Improabend nicht geben, dafür aber so genannte "Support-Tickets": Wer online dabei sein mag, muss sich anmelden und bezahlen, "so viel, wie er eben mag", sagt Schlagenhaufer. Auch das ein Novum - aber der Ticketanbieter, mit dem die Stadthalle zusammenarbeitet, habe mit dieser Form des Erlöses gute Erfahrungen gemacht. Überhaupt scheint es dem Grafinger Publikum wichtig zu sein, seine Kulturstätte nicht hängen zu lassen: Bislang sei noch keine einzige Karte zurückgegeben worden, berichtet Schlagenhaufer, obwohl bislang aufgrund der unsicheren Lage noch keine Ersatztermine feststünden. "Unser Appell, die Künstler zu unterstützen, scheint zu fruchten. Das ist toll!"

Der nächste Termin, an dem die Stadthalle online geht, ist am Sonntag, 26. April, um 14 Uhr. Da gibt es "Bingo für Kids", ebenfalls im Livestream. Auch dafür muss man sich anmelden, weil per die Spieltafeln vorab per PDF verschickt werden. Die Größe der Gruppe ist egal, es können Geschwister teilnehmen, aber auch mehrere junge Freunde, die sich in einem eigenen Videochat zusammentun. Schlagenhaufer sendet wieder aus der Turmstube, wo er die Zahlen per Kugeln aus einer Maschine ziehen und die Bingo-Meldungen entgegennehmen wird. Auch eine Ausgabe des Lotteriespiels für Erwachsene soll es dann geben, und zwar bereits am Samstag, 2. Mai, um 20 Uhr.

Um einiges mehr an Vorbereitung muss das Team der Stadthalle in eine anderes Format stecken: Am Donnerstag, 28. Mai, soll es einen Escape-Room-Abend geben, also ein Spiel, in dem Gruppen in bestimmten Räumen Rätsel lösen müssen. "Meine Idee ist, das an Schauplätzen in Grafing spielen zu lassen, die im Moment aufgrund der Corona-Krise unzugänglich sind", sagt Schlagenhaufer, deswegen soll das Motto "Forbidden Places" lauten. Per Fotos oder Lageplänen könnten die Teilnehmer dort Aufgaben lösen. "Aber wie das genau ablaufen könnte, das muss ich noch ausarbeiten, und dann testen, was gut funktioniert und was nicht."

Außerdem sind weitere Formate in Planung: Am Donnerstag, 30. April, soll es einen Beitrag zum International Jazzday geben, zum Beispiel mit Ausschnitten vom Ebersberger Festival 2019. Auch der Vatertagsstammtisch am Donnerstag, 21. Mai, soll diesmal online über die Bühne gehen. Sehr gerne anbieten würde Schlagenhaufer außerdem eine historische Bilderreise durch Grafing, eine virtuelle Städtereise mit Livemusik, eine Online-Mixed-Show, eine weitere "Goethe-Stunde" mit Literaturexperte Michael Skasa oder einen Science-Slam mit Mitmachexperimenten. "Wir wollen als Stadt- und Kultureinrichtung einfach aktiv bleiben", sagt der Intendant. Man darf also gespannt sein, was da noch so alles kommen wird.

Online-Programm der Grafinger Stadthalle: Sonntag, 26. April, 14 Uhr: Bingo für Kids; Donnerstag, 30. April, 20 Uhr: Beitrag zum International Jazzday; Samstag, 2. Mai, 20 Uhr: Bingo-Abend; Donnerstag, 7. Mai, 20 Uhr: Improtheater; Donnerstag 14. Mai, 20 Uhr: Pubquiz; Donnerstag, 21. Mai, 11 Uhr: Vatertagsstammtisch; Donnerstag, 28. Mai, Escape Room.

© SZ vom 21.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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