Grafing:Späte Sternstunde des Jazz

Grafing: Florian Brandl und sein Quartett gestalteten einen großartigen Jazzabend im Grafinger Turm.

Florian Brandl und sein Quartett gestalteten einen großartigen Jazzabend im Grafinger Turm.

(Foto: Hinz-Rosin)

Florian-Brandl-Quartett gastiert bei Session im Turm

Von Claus Regnault, Grafing

Auch der Jazz braucht Zeit. Der voll besetzte Turm der Stadthalle, stark angereichert mit auftrittslüsternen Musikern, erlebte einen Abend, der sich erst spät, aber dann zu großartiger Weltmusik entwickelte. Der Reihe nach: Die Band des Abends war das Florian Brandl-Quartett, neben dem Chef an der Trompete besetzt mit Josef Ressle, Piano, Reneé Haderer, Bass, und Stefan Noelle, Schlagzeug. Der noch junge Brandl präsentierte eigene Stücke aus seiner 2014 erschienenen CD, gut gearbeitete griffige Titel, in welchen er musikalische Erfahrungen verarbeitet, so im "Blues for Ellis", inspiriert durch den großartigen Trompeter und Big-Band-Arrangeur der Siebzigerjahre, Don Ellis, oder "Hume it", eine Reverenz an Paul Hindemith, dessen Sonate für Trompete und Klavier er als Student erlernt hatte. Dieses Programm und sein Trompetenspiel hatten daher etwas Kopflastiges, kühl Metallisches, dem ein wenig die durch den Atem vermittelte Seele fehlte.

Bewegung kam in das Spiel des Quartetts durch die Mitspieler Ressle und Noelle, die auch die letzte Set-Nummer, ein up-Tempo-Stück mit dem ungarischen Titel "Boraros tér" - Brandl hat verwandtschaftliche Beziehungen zu Ungarn -, ein schneller Blues und real swinger, mitreißend gestaltet von der Gruppe, zu der Brandl auch ein gut artikuliertes "sprechendes" Solo beisteuerte.

Danach wurde es etwas beliebig. Der Hammond-Virtuose Ruben di Renzo, diesmal am Piano, legte einen schnellen, ganz in der traditionellen Sprache dieses Stils gehaltenen Boogie-Woogie hin, der sich gewaschen hatte. Lokale Größen wie der Trompeter Josef Schmölz und der Altsaxofonist Joachim Jann, eine der Stützen der Grafinger Jazzinitiative, trugen zur Buntheit des Abends bei, der Letztere mit einem sehr emotionalen Blues-Solo. Dann bemühten sich kundig wenn auch nicht übermäßig beredt zwei Posaunisten um den Titel "There will never be another you" von Harry Warren.

Und dann geschah, was den Jazz zum Ereignis werden lässt: Till Martin und Florian Brandl lieferten sich ein Duell der Superlative, Brandl aufgewacht zu seinen starken emotionalen Fähigkeiten, und Martin, der "Architekt" großartig gebauter Improvisation. Bei ihm hat man ähnlich wie bei dem großen Vorvater aller Tenorsaxofonisten, Coleman Hawkins, den Eindruck, dass die Gestalt der Improvisation schon vorgefertigt auf ihren Abruf wartet. Die gewählten Titel waren die Allzeit-Runner der Improvisation "Confirmation" von Charlie Parker, "Body and Soul" von John W. Green, und "Cherokee" von Ray Noble; und als bezaubernder Ausflug nach Brasilien "Recorda me" von Carlos Jobim. Das zu diesem Zeitpunkt um 23 Uhr schon etwas ausgedünnte Publikum geriet in helle Begeisterung, aber entscheidend war wohl der eigene Enthusiasmus der Musiker, die wie für sich selbst spielten.

Und hier, in dieser späten großen Stunde des Jazz, konnten auch die Begleiter ihre reife Kunst zeigen, der Pianist Ressle in sehr einfallsreichem Bebop-Idiom, der Bassist Haderer in ungemein melodischem und klangschönem Spiel und auch Noelle, der den ganzen Abend über mit lächelnder Lust sein Schlagwerk mal heftig schlagend, mal streichelnd bediente. Ein großer Abend!

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