Grafing:Softrock und Säbeltanz

Grafing: Das Grafinger Jugendorchester ist bei vielen Gelegenheiten dabei: Hier begleitet das Drumline-Ensemble die Eröffnung des Grafinger Skulpturenwegs.

Das Grafinger Jugendorchester ist bei vielen Gelegenheiten dabei: Hier begleitet das Drumline-Ensemble die Eröffnung des Grafinger Skulpturenwegs.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Grafinger Jugendorchester, der Stimmlust-Chor Eberharting und die Rosenheimer Dance Factory präsentieren ihre erste Konzertreihe im Alten Speicher Ebersberg.

Von Rita Baedeker, Grafing

Geigen und Celli im Arm, Tuba und Trompeten in die Höhe gereckt, in festliches Schwarz gekleidet und fröhlich, so posieren die Mitglieder des Grafinger Jugendorchesters Seit' an Seit' fürs Foto zum "All-in-one-Projekt": Gut hundert Musiker spielen hier mit vom jüngsten Mitglied mit neun Jahren bis zum ältesten mit 77. Gemeinsam mit den 30 Sängerinnen und Sängern des Chors "Stimmlust" aus Eberharting sowie Jazztänzern und Breakdancern der "B 8 Dance Factory Rosenheim und Wasserburg" wird sich das Orchester vier Tage lang unter Leitung von Hedwig Gruber im Alten Speicher Ebersberg und in der Fußgängerzone präsentieren.

"Das Grafinger Jugendorchester ist ein freies Ensemble, das die Idee des offenen und flexiblen Orchesters kompromisslos praktiziert", sagt Gruber zum Konzept. Am 31. Mai vergangenen Jahres gegründet, habe es keinerlei ideelle, materielle oder anderweitige Bindung an irgendeine Institution. Die Mitgliedsanträge seien nur so reingetrudelt, berichtet Gruber. Wobei manch einer das Wort "Jugend" im Orchesternamen ein wenig zu ernst nehme.

Und so sieht Gruber in dem Orchester denn auch ein Generationenprojekt. Vom Medizinstudentern bis zum Unternehmer, vom Gymnasiasten bis zum Orchester-Opa kämen viele verschiedene Talente und Temperamente zusammen. Da seien auch mal Qualitäten außerhalb der Musik gefragt. Vom Bäckermeister bis zum Toningenieur, vom Lkw-Fahrer bis zum Lebensmittelkaufmann und zur Bürokraft arbeite ein Heer von Fachleuten für die gemeinsame Sache.

Das Orchester spielt alles, was Spaß macht

Diese gemeinsame Sache hat auch sonst wenig gemein mit einem "normalen" Orchester. "Wir holen klassische, oft als ernst bezeichnete Musik aus der elitären Ecke und machen damit einfach, was uns Spaß macht, wir kombinieren Stile und Genres, nicht selten in einer einzigen Nummer und schwelgen hemmungslos im eigenen Sound." Vom Ohrwurm bis zum Swing-Exoten, vom Boogie und Popwalzer bis zum Streicher-Hip-Hop und Shanty-Orchester sei alles dabei, sagt Gruber.

Viel Zustimmung bekommt die engagierte Musikpädagogin von Leuten wie Franz Mlnarshik, dem pensionierten Studienrat für Musik. "Als Streichercoach im GJO kann ich bei Musikstilen mitarbeiten, die mir nicht so geläufig waren", sagt er. "Es macht unheimlich Spaß zu sehen, wie sich die Stücke allmählich zu Gesamtkunstwerken entwickeln." Sein Statement und andere Zitate finden sich in dem professionell gestalteten Blog des Orchesters. Andreas Hirtreiter, Tenor im Chor des Bayerischen Rundfunks, findet: "Eine bessere und sinnvollere Freizeitbeschäftigung kann ich mir als Berufsmusiker in der heutigen Zeit nicht vorstellen."

Hirtreiter hat am Programm "Singing Orchestra" mitgewirkt. Und Anna-Lena Galster aus Kirchseeon freut sich, dass ihr das Orchester an ihrem 11. Geburtstag ein Ständchen gespielt hat. "Ich treffe immer wieder Mitglieder des Orchesters. Wenn ich nicht beim Jugendorchester dabei wäre, würde ich diese Leute alle gar nicht kennen."

Da fragt sich der musizierwillige Laie natürlich, welche Voraussetzungen er mitbringen muss, um Teil dieses erstaunlichen Klangkörpers zu werden. Die Antwort: fast keine! Alle denkbaren Instrumente sollen integriert, verschiedene Spielniveaus berücksichtigt, die Stimmen entsprechend dem Können maßgeschneidert arrangiert werden. Ziel sei, über alle sozialen Schranken hinweg eine verbindende Klammer zu schaffen, eine Klammer über unterschiedliche Altersstrukturen, soziale Schichten, Bildungsniveaus und Lebenszusammenhänge hinweg.

Derzeit gehören dem Orchester Amateure und Profis aus elf verschiedenen Schulen von Rosenheim bis Haar, Auszubildende, Studenten von Garching bis Wien, Berufstätige, Eltern und Rentner an. Die Mitgliedschaft im Orchester ist kostenlos, die Konzerte werden über Spenden, Sponsoren, Einnahmen und Verkaufsaktionen finanziert. Es gibt eine professionell gemachte Homepage mit Ticketshop. Eigenleistung wird großgeschrieben.

"All in One" ist auch Motto des Konzertprogramms. Da geht es wunderbar chaotisch durch Zeiten, Kulturen und Stilformen. Lloyd Webbers "Evita" muss sich zwischen einer Bourrée von Bach und Khatchaturians "Säbeltanz" behaupten. Softrock von Sting stößt an bayerische Amtsgerichtspolka, auf Hubert von Goiserns Song folgt Mozarts "Alla Turka" ("mal so richtig türkisch"). Vier "übereifrige Hände" am Flügel intonieren die Ouvertüre des Barbiers von Sevilla. Der Hummelflug von Rimsky-Korsakov wird zum fetzigen Boogie, "La Valse d'Amélie" wird mit Tanzsolistin aufgeführt.

Weiter stehen auf dem Programmzettel eine Gesangsnummer über Minderheiten und sinnlose Gewalt, die Uraufführung eines Medleys von Hedwig Grubers Sohn Rupert und die wunderschöne "Fantasia on British Sea Songs" von Henry Wood, wie sie alljährlich bei der "Last Night of the Proms" aufgeführt wird. Könnte sein, dass es, wenn die Konzertreihe ein Erfolg wird, bald auch "Proms" in Ebersberg geben wird.

Das Grafinger Jugendorchester, der Stimmlust Chor Eberharting und die B 8 Dance Factory Rosenheim veranstalten am Samstag, Dienstag und Mittwoch, 20., 23. und 24. Juni, jeweils 19.30 Uhr, sowie am Sonntag, 21. Juni, 11 Uhr, mit 150 Musikern, Tänzern, Sängern und Künstlern, Amateuren und Profis das Konzert "All in One" im Alten Speicher Ebersberg. Jeweils 30 Minuten vor Beginn und nach der Matinée am Sonntag präsentieren sich die Gruppen Drumline und Marching Band in der Fußgängerzone. Karten zu 17, ermäßigt sieben Euro gibt es unter www.jugendorchestergrafing.de, in der Bücherstube Slawik in Grafing sowie an der Abendkasse.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: