Süddeutsche Zeitung

Silvester im Landkreis:Pyrotechniker aus Grafing: Der Typ mit dem Knall

Der 51-jährige Andreas Büttner ist seit 17 Jahren im Geschäft. Feuerwerk ist für ihn ein Stück Kultur.

Von Johanna Feckl, Grafing

"Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Feuerwerkskiste an ist und man denkt sich: Ach du liebe Scheiße!" Einer, der genau weiß, wie man eine Kiste anzündet, ohne dass ein solcher Gedanke aufblitzt, weil einem gleich alles um die Ohren fliegt, ist Andreas Büttner. Der 51-Jährige ist Pyrotechniker, seit fast zwei Jahrzehnten führt er seine eigene Firma "Büttners Feuerwerke" in Grafing. In Zeiten, in denen die Forderungen nach Böller- und Raketenverboten, um damit gefährlichen Feinstaub zu vermeiden, immer lauter werden, scheint Büttners Branche in Verruf geraten zu sein. Vor etwas mehr als 17 Jahren, als Büttner sich selbständig machte, sah das noch ganz anders aus.

Damals, als Büttner seine Ausbildung zum Pyrotechniker absolvierte, war von Feinstaub und Raketenverboten keine Rede. In die Branche ist er irgendwie so hineingestolpert. Über den Gastrobetrieb ist er zur Veranstaltungsbranche und schließlich zur Pyrotechnik gelangt. "Das Funkeln in den Augen der Zuschauer, ihre Emotionen zu wecken, wie es ein Musiker auch tut", das ist es, was Büttner damals an dem Beruf des Feuerwerkers begeistert hat.

Das hat sich bis heute nicht verändert, ebenso wenig wie die Voraussetzungen für eine 30-stündige Ausbildung im Bereich Groß- oder Bühnenfeuerwerk: Laut Agentur für Arbeit muss der Anwärter an mehreren Feuerwerken oder pyrotechnischen Effekten mitgearbeitet haben, mindestens 21 Jahre alt sein und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorweisen können.

Silvester macht nur einen kleinen Teil des Geschäfts aus

Jetzt sitzt Büttner in einem Nebenraum der Halle in Grafing, in der er in diesem Jahr seinen Verkauf für Silvester betreibt. Es ist Mitte Dezember. Wenige Minuten zuvor hat der 51-Jährige - kurze graue Haare, dunkle Jeans, unter denen Sneaker mit neongrünen Schnürsenkeln hervorblitzen, schwarze Wolljacke, darüber einen schwarzen Schal - mit Raketen, Böller und Kisten die ersten Regale drapiert. Auch 17 Jahre nach Gründung seiner Firma ist sie ein Ein-Mann-Betrieb. Für regelmäßige Events wie den Silvesterverkauf arbeitet Büttner aber mit einem festen Kern an freien Mitarbeitern zusammen. Ihm ist wichtig, dass alle im Team vom Fach sind, idealerweise mit einer pyrotechnischen Ausbildung.

Der gebürtige Wasserburger möchte, dass jeder, der zu ihm kommt, ordentlich beraten wird - damit am Ende nicht doch eine Feuerwerkskiste brennt und man feststellt, dass der Platz dafür gar nicht ausreichend ist. "Wenn die Kiste einmal brennt, dann brennt sie", sagt Büttner. Es sei wichtig, im Vorhinein zu klären: Steht die Kiste an einem sicheren Ort? Gibt es genügend Sicherheitsabstand zu Menschen und Dingen? Für den einen mag das spießig klingen - Hauptsache es knallt und raucht, der Rest wird schon irgendwie passen. Wer Büttner zuhört, wie er über sein Handwerk spricht, merkt aber, dass von Spießigkeit hier keine Rede sein kann. Ein sorgsamer Umgang mit Raketen und Co. ist einfach normal für jeden, der nicht des Lebens müde und nicht scharf auf einen "ach du liebe Scheiße"-Moment ist. Das Geschäftsmodell scheint sich auszuzahlen: Büttner schätzt, dass in jedem Jahr etwa 80 Prozent Stammkunden zu ihm kommen.

Der Feuerwerksverkauf für Silvester ist aber nur ein kleiner Teil von Büttners Arbeit. Hauptsächlich wird er gebucht, um Feuerwerks- oder Flammenshows durchzuführen. Die Anlässe dafür sind vielfältig, das können Hochzeiten und Geburtstagsfeiern sein, Einweihungen und Jubiläen von Firmen, oder Volksfeste. In jedem Fall hat die Gemeinde, in der die Show stattfindet, kein Mitspracherecht. Wenn Büttner am Werk ist, dann liegt eine Genehmigung der Regierung von Oberbayern vor und zwar erst, nachdem Obere und Untere Naturschutzbehörden und die zuständigen Ordnungs- und Forstämter ihr Einverständnis gegeben haben. Der zuständige Bürgermeister wird über das Vorhaben lediglich informiert.

Erschrecken soll sich möglichst keiner

Das hat in der Vergangenheit schon zu so manch einer kuriosen Situation gesorgt. Büttner erinnert sich an einen Bürgermeister, der ihn partout nicht seine Arbeit machen lassen wollte. Der Rathauschef sei während des Aufbaus zu dem Pyrotechniker gekommen, "nö, in meiner Gemeinde gibts kein Feuerwerk". Der Bürgermeister habe sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen, so Büttner, trotz Erklärungen und der vorliegenden Genehmigung von der Regierung. Schließlich musste die Polizei einen Platzverweis gegen ihn aussprechen. Ein Fall, in dem sich ein Bürgermeister über dem Wort der Regierung wähnt, sei aber äußerst selten.

Büttner hält es für wichtig, dass informiert wird, wenn er für eine Show in eine Gemeinde kommt. "Wir haben auch ältere Menschen in der Gesellschaft, die den Krieg mit erlebt haben", sagt er. Wenn die ohne Vorwarnung abends vor dem Fernseher durch Geknalle geweckt werden, könne das schlimme Erinnerungen wachrütteln. Mit einer Info vorab würden die meisten dann aber sagen: "Oh, ist ja bloß der Andi" - und dann weiterschlafen, so Büttner.

Egal, ob der 51-Jährige für ein Feuerwerk oder für eine Flammenshow gebucht wird, beide Prozedere benötigen viel Vorbereitungszeit. In jedem Fall macht Büttner eine Ortsbegehung, denn von der Größe des Platzes hängt die Wahl der Feuerwerkskörper oder Feuereffekte ab. Am Computer programmiert der Grafinger dann die Show. Dazu muss er immer auf dem Laufenden sein, was es auf dem Markt gibt, Steig- und Explosionszeiten kennen, wie weit geht dieses oder jenes Feuerwerk auf - Büttner hat das meiste davon im Kopf. Es ist eine kreative Arbeit, die der 51-Jährige da macht. Eine Flammenshow etwa wird von Musik begleitet, die sich der Kunde ausgesucht hat. Passen die Effekte zur Musik? Passt die Musik zum Platz? Passt der Platz zum Budget? Am Ende von Büttners Arbeit soll ein stimmiges und ästhetisches Bild entstehen. "Feuerwerk ist ein Stück Lebensfreude und Kultur!"

Trotz Debatte ums Feuerwerk wird es eifrig gekauft

Das sehen nicht alle Menschen so. In Büttners Wahrnehmung ist die Debatte um Feinstaub, den Raketen in der Silvesternacht freisetzen, in den vergangenen zwei bis drei Jahren extrem geworden. Für den 51-Jährigen zieht sich durch die Diskussion viel Unwissenheit oder zumindest Halbwissen. Die wenigsten Feuerwerksgegner kämen auf ihn zu und suchten das Gespräch mit ihm, einem, der vom Fach ist. Büttner findet das schade.

Es ist aber auch die Doppelmoral, die ihn stört: "Die Supermärkte, bei denen es jetzt keine Feuerwerkskörper mehr gibt, stellen sich als Saubermänner hin." Dass die Marge bei den niedrigen Preisen im Discounter ohnehin nie dem großen Aufwand gerecht wurde, erwähnt kaum jemand. Büttners Urteil zufolge gibt es für den Einzelhandel nur wirtschaftliche Vorteile, zu Silvester nichts Knalliges mehr zu verkaufen. Und: Trotz der vielen und lauten Stimmen, die Feuerwerke verteufeln, steigen die Umsätze, so Büttner. Jedes Jahr.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2019/aju
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