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Brenner-Nordzulauf:18 müssen es schon sein

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Welche Auswirkungen hat die "Limone"-Trasse des Brenner-Nordzulaufs auf den Golfclub Schloss Elkofen bei Grafing? Ein Besuch bei Vorstandspräsident Helmut Hampel und dessen Vize Jürgen Schunda - und eine Rundfahrt über die Spielwiese.

Von Johanna Feckl, Grafing

Ungefähr sieben Minuten dauert es: vom Clubhaus des Golfclubs Schloss Elkofen bei Grafing bis zum Loch Nummer zwölf. Die Sonne knallt an diesem späten Donnerstagnachmittag im August erbarmungslos vom Himmel: Noch immer hat es gut 32 Grad, nach Wolken am Himmel sucht man vergebens. Unter dem schattigen Dach des Golfcaddys lässt es sich bei dem leichten Fahrtwind, den 15 Kilometer die Stunde verursachen, einigermaßen gut aushalten. Es geht bergauf und bergab, vorbei an Bäumen und Blühwiesen, Schutzhütten und Schilf, Abschlagflächenmarkierungen und Ausruhbankerl. Schön ist er, der Weg zu Loch Nummer zwölf - dasjenige, das der geplanten "Limone"-Trasse des Brenner-Nordzulaufs zum Opfer fallen wird. So sagte es Projektabschnittsleiter Dieter Müller Ende Juli bei einer Infoveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger in Grafing. Nur eine einzige Bahn also würde demnach dem Mega-Projekt weichen müssen.

Ganz so einfach ist es dann allerdings doch nicht, wie vom Golfclub zu hören ist. Jedoch auch nicht so schlimm, wie eine Aussage von Grafings Bürgermeister Christian Bauer kurz nach Bekanntgabe der Trassenwahl verlautbaren ließ: "Der Golfplatz in Oberelkofen wird nicht mehr vorhanden sein." Wenn es weder der Wegfall eines einzigen Loches noch das Plattmachen der gesamten 75 Hektar großen Spielwiese ist - was bedeutet dann die Entscheidung "Limone" für den Golfclub?

Bahn Nummer zwölf liegt am weitesten vom Clubhaus entfernt

Die kurze Antwort: Man weiß es nicht. Die lange Antwort: Die erfährt man, wenn man sich mit Helmut Hampel, Vorstandspräsident im Golfclub, und Jürgen Schunda, Vizepräsident, auf den Weg zu Loch Nummer zwölf macht. Einmal mit zwei Golfcaddys über den gesamten Golfplatz - die zwölfte Bahn ist die vom Clubhaus am weitesten entfernt liegende.

Angst oder gar Panik, dass es den Golfplatz in ein paar Jahren nicht mehr geben könnte, hat hier jedenfalls niemand - das wird schnell klar. "Der Zeithorizont für das Projekt ist aktuell noch viel zu weit weg", sagt Helmut Hampel.

In der Tat sehen die aktuellen Pläne der Deutschen Bahn den Abschluss und die Inbetriebnahme des Brenner-Nordzulaufs für das Jahr 2040 vor. Dann soll die Zugtrasse von München über Österreich nach Verona in Italien einer der zentralen Transportwege für Waren innerhalb Europas werden. Damit sollen Autobahnen entlastet und gleichzeitig ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden.

Anfang der 2030er-Jahre soll der Baubeginn des Nordzulaufs im Landkreis sein

Der Baubeginn für den Abschnitt im Landkreis Ebersberg, also einem Teilbereich des "Limone"-Nordzulaufs, ist für Anfang der 2030er-Jahre geplant. Und: "Wir sind jetzt noch sehr grob unterwegs", sagte Matthias Neumeier Mitte Juli bei der Pressekonferenz in Ebersberg, in der die Trassen-Entscheidung bekanntgegeben wurde. Der exakte Streckenverlauf in allen Details steht demnach noch nicht fest.

Aber egal ob die Trasse letztlich ein paar Meter weiter westlich oder östlich verlaufen wird - in jedem Fall wird sie den Golfplatz durchqueren.

Mit den Caddys an Bahn Nummer neun rechts vorbei gelangt man zum höchsten Punkt des Golfplatzes. Genau hier, hinter den Bäumen wenige hundert Meter entfernt, würde die Limone-Trasse entlanglaufen. In Sichtweite, vermutlich auch in Hörweite. Schweift der Blick von diesem Punkt aus ein wenig nach links, ist das Hamberger Windrad über den vielen Baumkronen zu erkennen. Es sieht aus, als ob es ganz nah ist - einfach nur ein bisschen weiter den Schotterweg entlang.

Individuelle Gespräche mit Vertretern der Bahn gab es bislang keine, erzählt Helmut Hampel. "Wir sind da ein bisschen außen vor, schließlich ist der Golfclub nur Pächter des Grunds - die Bahn spricht also erstmal mit dem Landwirt, dem diese Fläche gehört."

Unter den Mitgliedern ist das Projekt Gesprächsthema, aber Sorge um das Bestehen des Clubs hat niemand

Was es ebenfalls noch nicht gab: Austritte von Mitgliedern oder Kündigungen der sechs Festangestellten. Etwa aus Sorge, dass die "Limone"-Trasse das Spielen unmöglich oder zumindest weniger schön machen könnte. "Aber klar ist das Projekt Gespräch an den Tischen hier im Clubhaus", sagt Jürgen Schunda. Endzeitstimmung herrscht dort jedoch nirgends.

Mittlerweile haben Hampel und Schunda auch mit Grafings Bürgermeister Christian Bauer gesprochen - mit dem Mann also, der seiner Sorge um die komplette Existenz des Golfplatzes öffentlich kund tat. "Ich denke, das hat er in einer Stimmung des anfänglichen Aufruhrs gesagt", sagt Hampel. "Nicht nur er war über die Entscheidung der Bahn enttäuscht - da kann ich eine solch emotionale Reaktion voll und ganz nachvollziehen."

Vom Abschlag Nummer neun rechter Hand, entlang der Spielbahn, vorbei an Bahn Nummer zehn und elf - dann steht man vor der Abschlagsfläche der Spielbahn Nummer zwölf. Das Loch liegt in südwestlicher Richtung davon - und wäre auf der anderen Seite der Trasse. "Limone" würde also die Spielbahn durchqueren.

Der Spielzusammenhang macht die Verlegung mehrerer Bahnen notwendig

Bahn zwölf muss also verlegt werden. Und damit beginnt die eigentliche Crux: "Wir brauchen einen Spielzusammenhang", erklärt Hampel. Das bedeutet: Fällt Bahn zwölf weg, fallen ebenso die Bahnen elf, dreizehn und vierzehn weg. Denn sie liegen alle eng beieinander - hier, auf der vor 20 Jahren erweiterten Seite des Golfplatzes, geht man am Rande des Platzes einmal dem Uhrzeigersinn entgegensetzt entlang und spielt eine Bahn nach der anderen. Bis zur Bahn elf wie gewohnt zu spielen, für das zwölfte Loch irgendwo ganz woanders auf dem Golfplatz hin zu müssen, um dann für den Abschlag auf den weiteren Bahnen wieder zurück zu kommen - das entbehre jeder Spiellogik.

Im schlechtesten Fall würde wegen "Limone" vier Bahnen verlegt werden müssen. Denn es geht nicht nur um den Spielzusammenhang, sondern auch um den Erholungsfaktor für die Club-Mitglieder. "Es will ja niemand irgendwo Golf spielen, wenn einen Steinwurf weiter eine Bahnstrecke verläuft und es dementsprechend laut ist", sagt Hampel. Zu nah sollten die Golfbahnen also nicht an die Trasse heranreichen.

Um eine neue Bahn anlegen zu können, muss der Verein einen Bauantrag bei der Stadt Grafing einreichen. Dabei wird sehr eng mit verschiedenen Umwelt- und Naturschutzinstitutionen zusammengearbeitet, wie der Unteren Naturschutzbehörde - es geht um Ausgleichflächen, aber auch um das Schaffen von Golf-Arealen, die für Tiere wie etwa bestimmte Vogelarten und Insekten sowie für die Umwelt im Allgemeinen möglichst attraktiv sind. Bis Pläne dazu fertiggestellt und genehmigt sind, "da sind drei Jahre nichts", sagt Hampel.

Ein Golfplatz besteht aus 18 Löchern, genau wie jede Marathonstrecke 42,195 Kilometer misst

Aber warum nicht einfach mit ein paar Löchern weniger golfen? Statt 18 eben nur noch 14 Bahnen? Hampel und Schunda schütteln die Köpfe. Beim Golfen geht es nicht nur um einen Ball der in ein paar Löcher geschlagen werden muss. Es geht um Vergleichbarkeit, wie bei vielen Sportarten: Ein Golfplatz besteht nun einmal aus 18 Bahnen, und zwar weltweit. Bei einem Marathonlauf sagt auch niemand einfach, dass dieses Mal nur 40 anstatt 42,195 Kilometer zu laufen sind - denn dann ist es eben kein Marathon mehr.

Wahrscheinlich werden auch ein paar Teiche, Bäume und anderes Gewächs sowie Blühwiesen weichen müssen. Allesamt angelegt vom Golfclub, gepflegt wird das von den neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich Greenkeeping.

Helmut Hampel und Jürgen Schunda steigen wieder in die beiden Golfcaddys. Über eine kleine Brücke an den Bahn Nummer vierzehn hinüber geht es zurück in Richtung Clubhaus. Es hängen viele Einzelschicksale an den Plänen rund um "Limone" - "für jeden von ihnen ist das natürlich schrecklich", sagt Hampel. Er kennt Landwirte, deren Grundstücke geteilt werden. "Aber es ist ein globales Projekt und es ist wichtig - da sind wir uns hier im Club einig."

Aktuell lasse sich der Club rechtlich beraten. Und mit den 650 Mitgliedern im Golfclub kommuniziere man offen und ehrlich, das halten er und Hampel für unerlässlich, denn sie sind es schließlich, die den Verein durch ihre Mitgliedsbeiträge komplett finanzieren. Und dabei macht der Vorsitzende klar: "Wir wissen zu vieles noch nicht, um konkret planen zu können." Es gebe Varianten und Möglichkeiten, über die sich die Vorstandsmitglieder gemeinsam mit der Rechtsberatung Gedanken machen - "aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das dennoch reine Spekulation".

Zurück am Clubhaus angekommen parken Hampel und Schunda die beiden Golfcaddys und steigen aus. "Irgendeine Lösung wird es geben", sagt Schunda. Hampel nickt. "Aber jetzt gehe ich erst einmal noch ein paar Löcher spielen."

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