Poetry Slam:"Dialekt ist seit einiger Zeit wieder sehr in Mode"

Poetry Slam: "Wir haben's einfach gemacht": Ko Bylanzky und Moses Wolff.

"Wir haben's einfach gemacht": Ko Bylanzky und Moses Wolff.

(Foto: Veranstalter)

"Wer ko, der ko": Moses Wolff hat den ersten "Bairischen Poetry Slam" mitbegründet. Vor dem Gastspiel in Grafing erklärt er, warum sich Mundart für einen Wettstreit eignet.

Interview von Anja Blum

Sensation! Der "weltweit einzige barische Poetry Slam" kommt nach Grafing! "Wer ko, der ko." Unter diesem Titel gastieren die beiden Moderatoren Moses Wolff und Ko Bylanzky am Donnerstag, 12. August, auf der mobilen Bühne des Ebersberger Kultursommers. Mit dabei sind wieder hochrangige bayerische Poetinnen und Poeten, nämlich: Anna Funk, Chris Buntspecht, Eva Karl-Faltermeier, Gelati und Mani Eder. Im Gespräch erklärt Initiator Wolff, Schauspieler, Komiker und Autor, warum sich Mundart für einen Slam wunderbar eignet und warum es trotzdem so schwierig ist, passende Künstler für das Format zu finden.

SZ: Herr Wolff, 2018 haben Sie zusammen mit Ko Bylanzky in München den ersten "Bairischen Poetry Slam" ins Leben gerufen. Seltsam eigentlich, dass nicht schon früher jemand auf diese geniale Idee gekommen ist, oder?

Moses Wolff: Ja, das haben wir uns auch gedacht, schließlich ist Dialekt seit einiger Zeit wieder sehr in Mode. Sei es in der Literatur oder im Hip Hop. Genau wie das Format des Poetry Slams. Was also lag näher, als beides zu kombinieren?

Bayerischer Poetry Slam Moses Wolff und Ko Blyanzky

Der bairische Poetry Slam "Wer ko der ko" findet am Donnerstag, 12. August, um 20 Uhr im Grafinger Schledererhof (vor dem Caritas-Zentrum) statt.

(Foto: Veranstalter)

Was unterscheidet einen Mundart-Slam von einem herkömmlichen Dichterwettstreit?

So einiges! Zunächst einmal ist es ja so, dass bei uns Künstler aus allen sieben bayerischen Regierungsbezirken auftreten, und diese Vielfalt der Dialekte mit ihren einzigartigen Färbungen per se sehr abwechslungsreich ist. Sprechen beispielsweise ein Allgäuer und ein Stuttgarter denselben Text, wird es sich völlig anders anhören, obwohl beide aus Schwaben stammen. Außerdem finde ich, dass Mundart sich sehr gut dazu eignet, Stimmungen zu transportieren. Humor ist damit genauso gut möglich wie großes Pathos. Eine Eigenheit des Dialekts ist zudem, dass sich mit wenigen Worten viel sagen lässt. Es gibt im Bairischen so tolle Ausdrücke. "Griabig" zum Beispiel, "geh weida", oder "dua di ned obi".

Sie selbst stammen aus Pasing?

Ja, genau, und diesem Stadtteil und meinen alten Freunden dort bin ich immer noch sehr verbunden. Außerdem schätze ich meinen Dialekt sehr. Wenn man zum Beispiel auf dem Amt ist und einem grantigen Beamten gegenübersitzt, kann ein schönes altes Münchnerisch schnell eine gewisse Vertrautheit schaffen, so wie ein geheimer Code. Ich glaube, ein gewisser Schmäh hilft immer...

Derzeit wird ja viel über Sprache und ihre möglicherweise diskriminierenden Aspekte diskutiert. Wie geht es Ihnen als Wortkünstler damit?

Schwierig. Ich denke, man kann es auch übertreiben mit der Vorsicht. Wenn eine Tierschutzorganisation jetzt vorschlägt, man solle kein "Hünchen mehr mit jemandem rupfen", sondern lieber gemeinsam "Weinblätter rollen", geht das meiner Meinung nach weit am Ziel vorbei.

Es gibt ja Menschen, die sich sogar in Vereinen für den Erhalt des Bairischen einsetzen...

Richtig. Und solche Dialektliebhaber sitzen manchmal auch bei uns im Publikum. Hochwertige Tracht mit Gamsbart, Schariwari und allem Drumrum - da weiß man dann gleich, dass derjenige vermutlich noch nie auf einem Poetry Slam war. Aber diese Leute sind meist sehr gesellig, und das passt wunderbar zu uns. Schließlich soll auch unser Publikum an den Abenden mitwirken, etwa, indem es uns auf die Schippe nimmt. Gute Stimmung ist uns wichtig, deswegen fliegt auch zwischen den Runden keiner der Poeten raus. Der Sieger wird bei uns erst ganz am Ende gewählt.

Ist Ihr Publikum eher eine eingeschworene Gemeinschaft oder finden sich darunter auch immer mal neue Gesichter?

Eindeutig zweiteres. Es gibt viele Leute, die neugierig sind, oder die einfach Lust haben auf Dialekt. Oft kommen auch Fans von bayerischen Künstlern wie Gerhard Polt oder Fredl Fesl zu uns.

Als Organisatoren des Slams sind Sie und Bylanzky auch Talentscouts, richtig?

Ja, aber es ist wirklich nicht leicht, gute Mundart-Slammer zu finden. Denn viele Künstler wollen auf der Bühne kein Bairisch sprechen. Und jene, die es schon tun, haben oftmals Berührungsängste mit dem Format. Wenn ein Liedermacher seine Texte plötzlich ohne Instrument als Gedicht oder Prosa vortragen soll, fühlt sich das natürlich erstmal komisch an. Ich kann das gut verstehen, ich würde schließlich auch nicht gerne in einer französischen Komödie mitwirken, weil ich diese Sprache nicht kann. Man muss sich schon wohlfühlen, mit dem, was man tut. Deshalb sind wir oft unterwegs, schauen uns Kabarettisten, Rapper und andere Künstler an, um neue bayerische Poeten zu finden. Überredet wird aber niemand, wir bieten nur eine Chance. Sehr gerne dabei hätten wir zum Beispiel mal einen echten Gstanzlsänger...

Wie ist es Ihrem Slam in der Corona-Zeit ergangen? Und wie kam es nun zu dem Engagement in Grafing?

Naja, die Pandemie hat auch uns ziemlich lahmgelegt. Es waren nur eine kleinere Ausgabe und ein paar Onlineauftritte möglich. Grafing ist sozusagen nun ein kleines Comeback. Wir touren ja immer wieder durchs Land, aber gerade Grafing bin ich sehr verbunden. Ich bin schon oft in der Stadthalle aufgetreten und arbeite seit vielen Jahren immer wieder mit deren künstlerischem Leiter, Sebastian Schlagenhaufer, zusammen.

Beim Ebersberger Kultursommer findet der Slam als Open-Air statt. Was muss man da als Organisator beachten?

Klar ist, dass das im Freien eine ganz andere Atmosphäre sein wird. Wichtig ist aber vor allem ein ausgiebiger Soundcheck. Da die Poeten unterschiedliche Arten haben, zu performen - der eine spricht vielleicht leise und schnell, ein anderer eher laut, der nächste rappt - muss wirklich alles perfekt eingestellt sein, um jedem die gleichen Startbedingungen zu bieten. Sehr froh bin ich darüber, dass die Corona-Regeln nun wieder etwas lockerer sind. Wenn auf der Bühne keinerlei Begegnung stattfinden darf, wenn Julia einen großen Bogen um ihren Romeo machen muss, das ist doch schrecklich!

Apropos Corona: Sie sind ein ausgewiesener Wiesn-Fan, hatten sogar mal einen Briefkasten am Hacker-Zelt, inklusive Nachsendeantrag. Wie groß ist aktuell Ihre Trauer?

Sehr groß natürlich. Aber ich werde es halten wie im vergangenen Jahr und zum Anstich im Hacker-Gasthof in Straßlach sein - mit den entsprechenden Bands, Bedienungen und anderen Stammgästen. Die innere Euphorie dort kommt der Wiesn schon relativ nahe. Und insgesamt hoffe ich einfach, dass wir 2022 wieder etwas mehr Normalität leben können - samt Oktoberfest. Eine Auer Dult mit Zaun drumrum? Das entspricht einfach nicht unserer bayerischen Impro-Mentalität.

Bairischer Poetry Slam "Wer ko der ko" am Donnerstag, 12. August, um 20 Uhr im Grafinger Schledererhof (vor dem Caritas-Zentrum). Karten gibt es unter www.stadthalle-grafing.de oder an den bekannten Vorverkaufsstellen.

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