Drei Menschen und eine Kanne Tee - mehr braucht es eigentlich nicht, um der "Transition Town" in Grafing näher zu kommen. Die Missverständnisse und Spekulationen, denen die Initiative immer wieder begegnet, könnten also wohl schnell ausgeräumt werden. Die regelmäßigen Treffen der Gruppe, jeden ersten Freitag im Monat um 19.30 Uhr im Familien- und Bürgerzentrum, stehen als "Ideenschmiede" schließlich allen Interessierten offen. Doch viele Grafinger wissen vielleicht einfach zu wenig über Transition Town, um sich auf dieses Experiment einzulassen.
"Wir haben jetzt schon öfter erlebt, dass der englische Begriff ,transition' durchaus in die Irre führen kann", sagt Michaela Müller, man wolle ihn aber trotzdem weiter verwenden, um als Teil einer weltweiten Bewegung erkennbar zu bleiben. Für sie und ihre Mitstreiter heißt "Transition Town" übersetzt schlicht "Stadt im Wandel". Und so offen wie dieses Motto klingt, will auch die Gruppe sein: Sie versteht sich in erster Linie als Vernetzungsplattform für alle erdenklichen Initiativen. "Wir sind keine Spinner, sondern ganz bodenständig, es geht bei uns um die Sache", sagt Müller.
So sind unter dem Dach von Transition Town in den vergangenen vier Jahren etliche Aktionen entstanden: Vom Repair-Café über Filmabende und Gesundheitsgespräche bis hin zu einer essbaren Hecke. Unter dem Titel "Grafing summt" setzt sich die Gruppe für eine bienenfreundliche Region ein, eine Ernährungsinitiative bringt Landwirte und Verbraucher zusammen und die Stoffbeutelaktion will ganz konkret helfen, Plastikmüll zu vermeiden.
"Es geht darum, nicht auf Veränderungen von oben zu warten, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen - in einem wohlwollenden Miteinander", erklärt Sabine Kirchner, die die Gruppe zusammen mit Müller ins Leben gerufen hat. Transition Town sei weder parteipolitisch, noch religiös oder in sonst irgendeine Schublade zu stecken. Man wolle schlicht "Raum halten für gewisse innere Werte" und die Vielfalt bürgerlichen Engagements. "Kopf, Herz und Hände müssen verbunden sein, darauf kommt es an", sagt Müller. Wie der Einzelne lebe, sei aber freilich seine Sache.
Wie offen die Initiative ist, zeigt sich schon an den drei Gesprächspartnern - ganz verschiedenen Menschen mit jeweils einer eigenen Transition-Geschichte. Kirchner zum Beispiel, die Juristin, lernte durch die Gruppe vor Menschen zu sprechen - "wovor ich früher unheimlich Angst hatte". Außerdem komme hier endlich ihr "Heinzelmännchen-Gen" wunderbar zum Tragen - "das macht so viel Freude!" Müller wiederum, die aus der Buchhaltung kommt, liebt es, am Unsinnigen Donnerstag mit einer Gruppe Verkleideter "durch die Menge zu tauchen" und Scherben, Flaschen und sonstigen Müll einzusammeln, damit der Marktplatz bei dem lustigen Treiben sauber bleibt. "Da kann ich meinen Sammeltrieb so richtig ausleben", sagt sie und lacht. Wichtig ist ihr außerdem vor allem die "Herzweggruppe", in der es um Redekultur, die Gemeinschaft und innere Prozesse geht. Und Michael Springer, der in der Filmbranche arbeitet, ist Pate - was läge näher - für das Transition-Kino, außerdem zerlegt und repariert er schon seit seiner Kindheit gerne Geräte aller Art. Kein Wunder, dass er von Anfang an beim Repair-Café dabei ist. "So setzt hier jeder seine Fähigkeiten sinnvoll ein", sagt Springer. Doch entscheidend sei auch, dass man in der Gruppe viele Kontakte knüpfen und Freunde finden könne. "Erst durch dieses Ehrenamt fühle ich mich hier wirklich daheim", sagt sogar Michaela Müller, die aus Grafing stammt.
Der harte Kern von Transition Town umfasst etwa 20 Leute aller Couleur, 30 bis 70 Jahre sind sie alt, Hierarchien sucht man vergebens. Allenfalls Zuständigkeiten gibt es, sogenannte Projektpaten, die jeweils eine Idee ausarbeiten, umsetzen, mit Leben füllen. Drumherum bewegt sich laut Kirchner ein "Schwarm" an Aktiven und Freunden, im Verteiler des Transition-Newsletters befänden sich etwa 400 Menschen. "Wir experimentieren auch gerne mit neuen Formen der Entscheidungsfindung", berichtet Springer, "wir wollen einfach ein wildes Denken."
Auch was andere Institutionen angeht, haben die Verantwortlichen keine Berührungsängste: Sobald sie von einer Sache überzeugt sind, ist jede Kooperation willkommen. Ganz besonders eng ist Transition Town mit dem Grafinger Familien- und Bürgerzentrum (FBZ) verbunden, dessen Vorsitzende Michaela Müller ist. "Da Transition Town kein Verein ist und daher zum Beispiel kein eigenes Konto besitzt, ist es wunderbar, dass wir die Strukturen des FBZ nutzen können." Auch dessen Räume an der Kirchenstraße stünden der Initiative stets zur Verfügung. Die Casa Creativa hingegen, in der zum Beispiel die Filmabende stattfinden, ist ein Veranstaltungsort in privater Hand.
Wichtig ist dem Transition-Team, dass bei den Aktionen nicht die Leistung im Vordergrund stehe, sondern die Freude am Gestalten. "Jeder soll sich da einbringen, wo seine Energie gerade hinfließt", sagt Müller, nicht wie in der Politik, wo das Engagement oft von Tagesordnungen, Machtkalkül und Parteiprogrammen bestimmt werde. "Bei uns merkt man: Manche Ideen zünden einfach" - so wie zuletzt die der "Mitfahrbankerl". Etwa 20 Standorte hat die Initiative kürzlich bei einer Radltour durch Grafing ermittelt, wo sich Sitzgelegenheiten für Tramper in die nähere Umgebung anbieten würden. "Heute haben wir gleich noch einen Termin bei der Bürgermeisterin, um das alles zu besprechen."
Das Schöne am Transition-Engagement sei letztlich, so Müller, dass einem die Welt dann nicht mehr ganz so schlimm vorkomme. "Man merkt, man kann es gemeinsam anpacken. Und das potenziert sich dann irgendwann, irgendwie", sagt sie und lacht.
Nächster Termin ist am Freitag, 16. Juni, um 20 Uhr, das Transition-Kino in der CasaCreativa, Grandauer Str. 4. Gezeigt wird: "E-MOTION - Unterbewusstsein und Gesundheit" von Frazer Bailey. Im Anschluss Filmgespräch. Der Eintritt ist frei. Mehr Infos und Termine unter: www.transitiongrafing.de.