Grafing:Musik versetzt Berge

Lieder der Hoffnung - Grafing evang. Kirche

Einfache Lieder in verschiedenen Sprachen zum Rhythmus der Trommeln verbinden Menschen, Kulturen und Religionen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim gemeinsamen Singen mit Christian Bergmann vergessen die Teilnehmer für Stunden ihre Sorgen

Von Mohamad Alkhalaf, Grafing

Singend die Welt verbinden, war das Thema des Abends am Sonntag im Evangelischen Gemeindehaus in Grafing. Langsam schloss sich der große Kreis der Teilnehmer, etwa 20 waren zusammengekommen. Wie in einem bunten Bild, das sich nach und nach mit Menschen aus verschiedenen Nationalitäten, Kulturen, Sprachen und Farben zusammenfügt. Helfer, Flüchtlinge und interessierte Menschen füllten den Kreis, um einander im gemeinsamen Gesang zu begegnen.

Christian Bergmann, Initiator der Veranstaltung, gelang es, mit einfachen Liedern, die jeder mitsingen konnte, die Besucher zu führen, so dass Körper und Geist still wurden. Mit geschlossenen Augen singend bei sich selbst ankommen, für kurze Zeit den Alltag, die Trauer und die Sorgen vergessen - das wollte er vermitteln. Musik ist Nahrung für das Herz. Jeder Teilnehmer sollte ein Lied aus seiner Heimat vorsingen. Unter Leitung von Christian Bergmann konnten alle mitsingen, auch wenn sie die Sprache nicht verstanden. Und als auch noch die Trommeln aus den verschiedenen Kulturen in ihrem wunderbaren Rhythmus geschlagen wurden, konnte wohl jeder in eine Zeit des Vergessens eintauchen.

Manchmal ergriff der Rhythmus die Gäste so sehr, dass es sie nicht mehr auf ihren Stühlen hielt. Sie bewegten sich zusammen zur Musik, es war, als ob ihre Gedanken und Gefühle in den Himmel fliegen. Wenn er tanze, sei er in Gedanken ganz bei seiner Familie, sagte Christian Bergmann. Und Yaoad aus Afghanistan erklärte: "Wenn ich singe, vergesse ich alle meine Probleme und denke an meine Mutter." Josef aus Sierra Leone wiederum denkt beim Singen an seine Frau und an seine Kinder. Bei allen, die zu dem regelmäßig stattfindenden Singkreis gehen, gelten die Gedanken den Angehörigen, jenen, die zurückgelassen wurden und schmerzlich vermisst werden. In einer kurzen Pause wurden Geschichten erzählt, man lernte sich kennen und lachte zusammen.

Der Singkreis kommt einmal im Monat zusammen, an diesem Sonntag ging es vor allem um Volkslieder, die ihren Ursprung in verschiedenen Ländern haben - stets begleitet von fröhlich anmutenden Trommelschlägen. Art und Sprache der Musik wechselten von Stück zu Stück, mal wurde auf afghanisch gesungen, mal auf arabisch, mal war es ein afrikanischer Gospel. Es war also ein Abend der Volksmusik, nur eben eine Art von Volksmusik, die in Oberbayern nicht so verbreitet ist. Die gemeinsamen Lieder, die Konzentration auf die Musik, blendeten für zwei Stunden den Alltag aus und ließen bei allen Teilnehmern eine große, entspannte Ruhe zurück. Und so manchem gelang es, sich mit Hilfe der Musik in eine Welt zu versetzen, die er in der Realität vielleicht verloren hat. Auf arabisch gibt es ein Sprichwort, das besagt, dass Musik die schweren Berge wegnehmen könne, die manchem auf der Brust liegen. In der Musik sind alle gleich, ob Muslim, Christ, Jude oder Hindu.

Alle Kulturen und alle religiösen Symbole wie Kreuz und Halbmond kamen an diesem Abend in Grafing zusammen und verbanden sich zu einem musikalischen Regenbogen, der die Welt umspannte. Dieser Regenbogen löste sich nur sehr langsam auf - Menschen hatten zusammengefunden, und die Verbindung wirkte lange nach.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: