Seit einigen Wochen hat Thomas Mahler einen zweiten, neuen Arbeitsplatz: An drei Tagen die Woche ist er halbtags im Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit und Pflege in Grafing und unterstützt dort das Team des Pflegestützpunktes im Bereich Catering, wie das Landratsamt mitteilt. Hauptberuflich arbeitet er in den Werkstätten beim Einrichtungsverbund Steinhöring (EVS) im Bereich der industriellen Fertigung.
„Ich freue mich, dass wir nun endlich einen geeigneten Außenarbeitsplatz bei uns im Landratsamt Ebersberg schaffen konnten“, wird Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in einer Pressemitteilung zitiert. „Die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung ist nicht nur gesellschaftlich geboten, sondern bietet auch in Zeiten des demografischen Wandels eine große Chance.“ Der Vorteil eines Außenarbeitsplatzes liegt darin, dass Betroffene den ersten Arbeitsmarkt erproben können, ohne dabei den geschützten Raum einer Einrichtung zu verlieren.

Zugfahren im Landkreis Ebersberg:Nächster Halt: Treppenstufen
Während der Baldhamer Aufzug wieder fährt, wartet man in Markt Schwaben noch einige Jahre auf barriereärmere Bahnsteigzugänge. Und in Steinhöring ist die Lage noch absurder. Eine Reise durch den Landkreis.
Dass das Landratsamt eine solche Position geschaffen hat, ist im Grunde keine Überraschung. Denn in der Fortschreibung des Demografiekonzepts ist genau das als politischer Auftrag an die Verwaltung festgehalten. Außerdem besteht eine wesentliche Aufgabe des Fachbereichs Inklusion in der Behörde darin, sich dafür einzusetzen, dass Betriebe Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Chance geben und sie über Außenarbeitsplätze einstellen, wie Jochen Specht sagt. „Und dann müssen wir das natürlich auch selbst machen“, so der Sachgebietsleiter Sozialplanung und Demografie weiter.
Die Bereiche der Außenarbeitsplätze sind sehr vielfältig – so wie die Menschen auch
Es sei nicht ganz einfach gewesen, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die für alle Seiten passen. „Das soll ja keine Sache sein, von der wir dann nur sagen können: So, jetzt haben wir das auch gemacht – und dann einen Haken dahinter setzen“, sagt Specht. Zum einen sollte es eine sinnvolle Tätigkeit sein, zum anderen muss der EVS eine dafür geeignete Person finden, die darauf auch Lust hat. Trotzdem sagt der Sachgebietsleiter ganz deutlich: „Mir persönlich hat es zu lange gedauert, das gebe ich zu.“
Insgesamt arbeiten etwa 35 Personen vom EVS auf Außenarbeitsplätzen, wie die Gesamtleiterin der Einrichtung Gertrud Hanslmeier-Prockl auf Nachfrage mitteilt. Brauereien, Bäckereien, Gastrobetriebe, Autofirmen und Kinderhäuser – die Arbeitsplätze seien vielfältig, „so wie die Interessen und Bedarfe der Menschen“. Manche der Betriebe würden sogar mehrere Werkstattmitarbeitende beschäftigen. Und auch innerhalb des Einrichtungsverbunds selbst gibt es Außenarbeitsplätze, etwa in der Pferdepflege.

Ein solches Beschäftigungsverhältnis beginnt immer erst mit einem Praktikum, wie Jochen Specht sagt. Das schaffe Sicherheit: Beide Seiten könnten danach auch sagen, dass es nicht passt – „das kann bei Menschen mit Behinderung genauso passieren wie bei allen anderen auch“. Wenn es passt, arbeiten die Beschäftigten in der Regel zwei oder drei Tage auf dem Außenarbeitsplatz, den Rest der Woche in den Werkstätten des Einrichtungsverbunds. Dabei bleiben sie über den EVS als ersten Arbeitgeber sozialversicherungspflichtig, die erbrachte Leistung beim zweiten Job wird mit der jeweiligen Werkstatt mittels Dienstleistungsrechnung abgegolten.
Über ein solches Modell kann der Einrichtungsverbund die jeweiligen Beschäftigten auch weiterhin gut in ihrer Entwicklung begleiten oder sie dabei beraten, sodass sie sich auf dem Außenarbeitsplatz zurechtfinden, wie Hanslmeier-Prockl sagt. Außerdem ermögliche es den Arbeitgebern, über die Fachdienste des EVS gut beraten zu werden und die Einsatzmöglichkeiten des Beschäftigten abzustimmen. „Das ist eine wunderbare Möglichkeit, die der Gesetzgeber da geschaffen hat“, sagt Specht dazu.
„Wir sind immer interessiert an weiteren Partnern“, sagt Hanslmeier-Prockl
„Die Beschäftigten gehen in der Regel mit sehr großer Freude an ihre Arbeit und bereichern das Betriebsklima, das wird uns von unseren Partnern immer wieder gespiegelt“, so Hanslmeier-Prockl. Das kann Jochen Specht bestätigen, wenn er über Thomas Mahler als seinen neuen Mitarbeiter erzählt. „Herr Mahler ist eine Bereicherung. Wenn die Beraterinnen gerade in Gesprächen sind und weitere Besucher kommen, dann geht er offen und freundlich auf sie zu, zeigt ihnen, wo sie sich hinsetzen können und bietet etwas zu trinken an – er ist eine große Unterstützung für uns!“ Landrat Niedergesäß wird in der Pressemitteilung mit der Hoffnung zitiert, dass es nicht bei diesem einen Außenarbeitsplatz im Landratsamt bleiben wird.
Das dürfte den Einrichtungsverbund freuen. „Wir sind immer interessiert an weiteren Partnern, um das Spektrum an Angeboten zu erweitern“, sagt Hanslmeier-Prockl. „Inklusion können wir als EVS nicht alleine ermöglichen – hierbei brauchen wir immer Partner, die mit uns zusammenarbeiten wollen.“ Jochen Specht könnte sich einen Bereich vorstellen, in dem es bislang noch keinen Außenarbeitsplatz gibt. So hätten einige Schulen im Landkreis das Profil einer sogenannten Inklusionsschule, „warum dort nicht beispielsweise jemanden in der Hausmeisterei mitarbeiten lassen?“
Interessierte Betriebe können sich an den Einrichtungsverbund Steinhöring wenden unter j.baumann@kjf-muenchen.de oder an die Inklusionsfachstelle im Landratsamt Ebersberg unter demografie@lra-ebe.bayern.de. Weitere Infos gibts auch auf der EVS-Homepage.