Kultur in Grafing:Wechsel am ersten Pult

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Friedhelm Haenisch (rechts) hat unzählige namhafte Künstler in Grafing auf die Bühne gebracht. Nun, nach 30 Jahren, hat er die Leitung des Kulturvereins in die Hände von Claus Eimer gelegt. (Foto: Christian Endt)

Friedhelm Haenisch hat den Kulturverein Grafing 30 Jahre geleitet. Nun ist es trotz großer Fußstapfen gelungen, einen würdigen Nachfolger zu finden.

Von Anja Blum, Grafing

„Ich bin mit der klassischen Musik verheiratet“, sagt Friedhelm Haenisch und lächelt schelmisch über seine Kaffeetasse hinweg. Noch heute spielt der 85-Jährige Cello, und zwar in gleich mehreren Streichquartetten. „Allerdings seit ein paar Jahren nur noch privat, nicht mehr öffentlich“, erklärt der Grafinger. „Sie wissen schon, das Alter...“ Mit Blick auf dieses ist Haenisch nun auch einen anderen großen Schritt gegangen: Er hat sein Herzensprojekt, den Kulturverein Grafing, in jüngere Hände gelegt. Damit endet eine Ära.

Genau 30 Jahre ist es nun her, dass der Grafinger Kulturverein ins Leben gerufen wurde, und zwar als überparteiliche Initiative aus dem Stadtrat heraus. Quasi zufällig hatten in dem Gremium nämlich einige Menschen mit einem Faible für klassische Musik zusammengefunden, allen voran Friedhelm Haenisch, damals Fraktionsvorsitzender der SPD, sowie sein „guter Freund“ Carl Behmer, seines Zeichens CSU-Chef. Ersterer wurde 1994 zum Vorsitzenden gewählt – und blieb diesem Amt 30 Jahre lang treu.

Haenisch initiiert die Rathauskonzerte und damit den Markenkern des Vereins

Das Erfolgsrezept des Kulturvereins sind von Beginn an die vielen privaten Kontakte und das Verhandlungsgeschick von Haenisch, Stadtrat, Rechtsanwalt und eben ambitionierter Hobbycellist. Auf der Bühne stehen jedenfalls zumeist namhafte Profimusiker, die der Grafinger persönlich kennt. Er etabliert die Tradition der Rathauskonzerte mit Kammermusik, die inzwischen sehr renommiert und stets bestens besucht sind, und schafft damit den „Markenkern“ des Vereins. Doch auch für andere Spielarten der Kultur zeigt sich der Gründervater offen, die Opernbayern der inzwischen verstorbenen Johanna von Schutter etwa sind ihm willkommene Mitstreiter. Ziel des Vereins war und ist es, das kulturelle Leben der Stadt zu bereichern, nicht nur mit klassischen Konzerten.

Nun also wurde Friedhelm Haenisch bei einer Versammlung für sein „musikalisches Lebenswerk“ gedankt – doch der 85-Jährige wäre nicht er selbst, würde er sich komplett zurückziehen: Haenisch bleibt dem Verein als stellvertretender Vorsitzender erhalten. „Mit Kultur kann man nicht aufhören“, sagt er, erneut schelmisch grinsend. Deswegen werde er weiterhin seine überregionalen Kontakte zu Musikerinnen und Musikern einbringen und an der Organisation des Konzertprogramms mitwirken.

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Der Grafinger Kulturverein ist seit nunmehr 30 Jahren aktiv. Die neue Saison bietet hochkarätige klassische Konzerte, aber auch Cross-over-Programme, Kinoabende und Plaudereien am Klavier.

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Und Haenisch ist es gelungen, trotz großer Fußstapfen, einen würdigen Nachfolger zu finden: Claus Eimer. Der 56-jährige Physiker stammt ursprünglich aus dem Allgäu, ist aber seit Langem mit einer gebürtigen Grafingerin verheiratet. „Deswegen kenne ich Friedhelm schon seit etwa drei Jahrzehnten, damals gab er nämlich bei den Schwiegereltern ein Hauskonzert“, erzählt er. Seit 14 Jahren ist Eimer nun ganz in der Stadt zu Hause – und inzwischen politisch wie kulturell gänzlich angekommen. Er sitzt im Grafinger Stadtrat (kürzlich aus der FDP ausgetreten) und war schon ein paar Jahre als Beisitzer im Kulturverein aktiv.

An dessen Angebot reizt Eimer vor allem „die Idee der kurzen Wege“, die eine Teilhabe für alle Schichten ermögliche. „Schließlich kann nicht jeder einfach so zu Konzerten in München fahren – aus welchen Gründen auch immer“, so der neue Vereinschef. Sein Ziel sei es freilich, Bewährtes zu erhalten, von den Rathauskonzerten über die „Plaudereien am Klavier“ in der Stadtbücherei und das Adventskonzert mit der Stadtkapelle bis zur vergleichsweise neuen Kooperation mit dem Grafinger Kino, wo der Kulturverein ausgewählte, meist musikspezifische Filme zeigen darf.

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Apropos Kooperation: „Wir wollen niemandem etwas wegnehmen“, betont Eimer, „sondern andocken und ergänzen.“ Es gelte, Nischen zu entdecken, denn unter dem sehr allgemein gehaltenen Namen Kulturverein sei doch sehr vieles möglich. Auch bislang unbespielte Räume kommen dem neuen Vorsitzenden da gleich in den Sinn. „Im Seniorenzentrum zum Beispiel gibt es jetzt einen schönen neuen Saal inklusive Klavier – das würde sich anbieten.“ Ziel müsse aber freilich auch sein, das Geschehen auf und vor der Bühne langfristig zu verjüngen. „Unser Stammpublikum gerade bei den Rathauskonzerten ist schon etwas älter“, sagt Eimer. Doch Aufmerksamkeit gerade für neue Angebote zu generieren, sei eben viel Arbeit. „Website, Social Media, Newsletter, Onlinevorverkauf – da gibt es viel zu tun.“

Insofern sei das größte Problem des Vereins, der auch dank Förderungen durch Stadt und Landkreis finanziell solide dastehe, eine bislang eher dünne Personaldecke. „Friedhelm hat lange vieles alleine gestemmt“, sagt Eimer, nun sei es an der Zeit, die Arbeit auf mehreren Schultern zu verteilen. Doch die jüngste Wahl lässt hoffen: Als weiterer Stellvertreter neben Haenisch fungiert Christian Einhellig, Architekt und Zweiter Bürgermeister (FW). Ganz neu als Beisitzerin konnte Theresa König, die Kulturmanagerin der Stadt, gewonnen werden, die neben dem Geiger Max Meis vom Münchner Kammerorchester sicher wertvolle Kontakte und Ideen einbringen wird. Aber auch über den Vorstand hinaus appelliert der neue Vereinschef an Kulturinteressierte: Wer auch immer eine Idee für Veranstaltungen habe oder sich anderweitig einbringen wolle, sei herzlich willkommen.

Das nächste Rathauskonzert findet statt am Sonntag, 26. Januar 2025, und bietet eine ungewöhnliche Besetzung: Zu Gast ist das „Saxophonquartett Eternum“. Eintrittskarten zu den Veranstaltungen des Grafinger Kulturvereins gibt es jeweils an der Abendkasse oder im Vorverkauf bei Bücher Herzog am Marktplatz, erreichbar unter (08092) 1015, sowie per Mail an vorverkauf@kulturverein-grafing.de. Die Kinovorstellungen können über das Capitol gebucht werden.

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