Grafinger Finanzen:Grafing rudert bei Kita-Folgekosten zurück

Grafinger Finanzen: Die Baustelle an der Grafinger Forellenstraße, wo das neue Kinderhaus entstehen wird.

Die Baustelle an der Grafinger Forellenstraße, wo das neue Kinderhaus entstehen wird.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ursprünglich sollten sich die Grundstückseigentümer zweier Baugebiete an der Finanzierung der zusätzlich benötigten Kita-Plätze in hohem Umfang beteiligen. Doch nun verzichtet die Stadt aus Rechtunsicherheit vorsorglich auf über 750 000 Euro.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Als der Grafinger Stadtrat im vergangenen Dezember die Bebauungspläne für die beiden Neubaugebiete "Am Schönblick-Nord" und "Aiblinger Straße II" auf den Weg brachte, schwang im Beschluss eine klare Ansage mit: "Die Stadt führt die Baulandausweisungen für die beiden Baugebiete nur zu Ende, wenn die dadurch ausgelösten Folgekosten für Kindertageseinrichtungen anteilig von den jeweiligen Grundstückseigentümern getragen werden."

Auf den konkreten Anwendungsfall übersetzt bedeutet der Passus: Baurecht bekommen die Eigentümer nur, wenn sie die Kosten für die von den zusätzlichen Einwohnern benötigten Kita-Plätze mitübernehmen. Die Beteiligung ist der Preis dafür, dass die Stadt mit dem Beschluss eine relativ wertlose Wiese zu teurem Bauland veredelt. Im Falle der Areale "Am Schönblick II" und "Aiblinger Straße II" geht es um sehr viel Wiese und teures Bauland. Auf rund 19 000 Quadratmeter Nettobauland und eine Geschossfläche von etwa 13 000 Quadratmetern beziffert das Rathaus deren Größe.

Am Ende standen unter der Verrechnung von Erfahrungswerten wie Kinder pro Haushalt, Bedarfsfaktoren bei Kindergarten und Hort, Kosten pro Betreuungsplatz und Bodenrichtwert rund 3,8 Millionen Euro Folgekosten. Wenn diese bei den beiden Grundstückseigentümern in Rechnung gestellt würden, so das Kalkül, würde der laufende Neubau des Kindertageszentrums (KiTZ) zwischen Forellenstraße und "Am Stadion" den Stadtetat noch rund 1,8 Millionen Euro kosten.

Dann bekam das Grafinger Rathaus nach SZ-Informationen Post vom Anwalt eines der Grundstückseigentümer. Sein Mandant würde den Vertrag zur Folgekostenberechnung so nicht unterschreiben. Die Abschöpfungsquote, also der Anteil der geforderten Folgekosten an den Gesamtkosten des Bauvorhabens, sei unangemessen hoch.

Eine Analyse ergab: die Stadt könnte möglicherweise gar kein Geld bekommen

In der Stadtverwaltung breitete sich daraufhin eine gewisse Nervosität aus. Denn, so ergab eine neuerliche Analyse: Würde ein Gericht dieser Argumentation folgen, wäre das komplette Konstrukt der Grafinger Folgelastenvereinbarung null und nichtig. Statt 3,8 Millionen Euro bekäme die Stadt: null Euro.

Daraufhin schlug die Stadtverwaltung dem Stadtrat eine Art Rabattierung vor: Mit einem Abschlag von rund 20 Prozent auf die ursprünglich geforderten 3,8 Millionen Euro sei man wohl auf der sicheren Seite. Das wären 764 000 Euro weniger.

Als Ausgangspunkt der Rechnung dient ein gesenkter Bodenrichtwert. Hatte die Verwaltung im Dezember noch mit 1500 Euro je Quadratmeter zum Zeitpunkt der Baulandausweisung kalkuliert, rechnet sie jetzt nur noch mit 1250 Euro. Weil dies den Erlös der Grundstückseigentümer schmälere, müsse auch die Abtretung an die Stadt sinken. "Geänderte Marktverhältnisse" lautete das Stichwort in der Beschlussvorlage zur Sitzung. Die Balance, so der Verwaltungsvorschlag, könnten um 20 Prozent gesenkte Folgekosten an den KiTZ-Baukosten herstellen. Statt 3,821 Millionen Euro wären also nurmehr 3,057 Millionen Euro fällig.

Gutachten wurde keines in Auftrag gegeben

Offenbar drängte inzwischen auch die Zeit. Denn anders als bei derartigen Summen üblich, holte die Stadt diesmal kein Rechtsgutachten ein. Zähneknirschend, so berichten es Sitzungsteilnehmer, habe eine breite Mehrheit dem Vorschlag zugestimmt.

Für das Rathaus hat der Rückzug mit dem Umweg über den gesenkten Richtwert einen gewissen Charme. Damit lässt sich nämlich ein Fehler kaschieren, weswegen der Folgelasten-Grundsatzbeschluss aus dem Dezember vor Gericht ohnehin auf wackeligen Beinen gestanden hätte: In die damalige Rechnung waren auch die Kosten fürs Jugendcafé Chaxter einbezogen worden. Dieses wird, wenn auch räumlich getrennt, ebenfalls in dem Bau untergebracht. Den Folgelasten für die Neubaugebiete darf die Stadt jedoch explizit nur Kita-Plätze anrechnen.

Auffallend ist, dass die Stadt ihren laufenden Finanzplan nicht um die Mindereinnahmen in Höhe von 764 000 Euro angepasst hat. Dies soll daran liegen, dass die tatsächlichen KiTZ-Baukosten offenbar deutlich hinter den einst geschätzten 8,4 Millionen Euro zurückbleiben könnten. "Bei der Vergabe ergaben sich Kostenminderungen", erklärte Bürgermeister Christian Bauer (CSU) auf Nachfrage. "Weil günstiger vergeben wurde, gleicht sich das ungefähr aus."

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