Selbstverwaltete Jugendarbeit:Den Laden am Laufen halten

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Ben Müller, Helen Hamburger und Lukas Müller (von links) von der Jugendinitiative Grafing stellen ihr Handbuch für selbstverwaltete Jugendtreffs vor. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vier ehemalige Vorstandsmitglieder der Grafinger Jugendinitiative haben ihr Wissen und ihren Erfahrungsschatz in einem „Handbuch JIG“ niedergeschrieben. Das Spannende an der 120-Seiten-Produktion: Vieles daraus lässt sich auch auf Vereine mit anderen Vereinszwecken übertragen.

Von Thorsten Rienth, Grafing

In selbstverwalteten Jugendzentren können die Dinge schnell gehen, im Guten, wie im weniger Guten. Weniger gut ist zum Beispiel, wenn der halbe Vorstand eine Ausbildung in einer Stadt beginnt, aus der es sich abends nicht mit der S-Bahn in den Treff fahren lässt. „Dann kann von einer auf die andere Woche richtig viel Wissen verloren gehen“, weiß Lukas Müller. Der 29-Jährige spricht aus eigener Erfahrung. Bis vor einigen Jahren war er als Vorsitzender in der Jugendinitiative Grafing (JIG) aktiv. Zusammen mit der ebenfalls ehemaligen Vorsitzenden Helen Hamburger hat er nun eine Fibel für einen systematischen Wissenstransfer in selbstverwalteten Jugendtreffs herausgegeben.

„Handbuch JIG“ lautet der Titel dieses im Selbstverlag veröffentlichten Buches, „Wissen aus und für die Jugendinitiative Grafing e.V.“ der Untertitel. Mitgetextet haben auch Müllers jüngerer Bruder Ben sowie der frühere Grafinger Grünen-Stadtrat Keno Maierhofer, beide ebenfalls ehemalige Mitglieder im Vereinsvorstand. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales sowie der Bayerische Jugendring (BJR) haben das Projekt gefördert.

Organisation und Verwaltung ähneln sich in allen Vereinen – da könnte das Handbuch helfen

Das Spannende an der 120-Seiten-Produktion: Vieles daraus lässt sich auch auf Vereine mit anderen Vereinszwecken übertragen. Zum Beispiel die Sache mit der Motivation. „Der Kitt, der das JIG zusammenhält, ist die Motivation an den gemeinsamen Aktionen und dem offenen Betrieb – wenn wir coole, spaßige und erfolgreiche Aktionen machen, haben wir alle mehr Bock, weitere coole, spaßige Aktionen zu planen“, steht da zum Beispiel. „Da ist nicht das eine immer richtig und das andere immer falsch“, stellt Mitherausgeber Müller klar. „Aber wie man eine treffende Organisationsstruktur aufbaut oder seine Finanzen organisiert, das ist bei vielen Vereinen schon sehr ähnlich.“

Von dort aus geht es mitten hinein in die Vereinsarbeit hinter den Kulissen, sozusagen als Basis für die Arbeit vor den Kulissen. Nötige Festanmeldungen zum Beispiel, sollten Veranstaltungen voraussichtlich länger dauern als die festgelegten Öffnungszeiten des Vereinsheims. „Wichtig ist: Diese Gestattung läuft jedes Jahr aus und muss dann neu beim Ordnungsamt beantragt werden, ansonsten dürfen wir keine Festtermine machen.“ Im nächsten Schritt müssten die Termine mit den Verantwortlichen bei Polizei, Ordnungsamt, Stadtjugendpflege und Jugendschutz abgestimmt werden. „Das passiert über einen dafür eingerichteten Mailverteiler.“

Auch was bei der Veranstaltung von Konzerten zu beachten ist, kann man aus dem Buch lernen

Wer zu Veranstaltungen einlädt, muss in der Regel auch Künstler bezahlen. Also schlüsselt das Handbuch die unterschiedlichen Arten von Gagen auf, liefert Beispielkalkulationen und Beispieleinlassabrechnungen oder Handreichungen, wo sich unter welchen Umständen ein Zuschussantrag lohnt. In den Anhang hat das Autoren-Quartett auch einen Muster-Gastspielvertrag gedruckt. Dessen wesentlichen Punkte gelten für ein Konzert im Jugendtreff genauso wie für den Handballverein, der am Sommerfest einen Feuerspucker engagieren möchte.

Mit ähnlichem Abstraktionsgrad geht das weiter durch die Organisation des tagtäglichen Vereinsbetriebs. Wie hat ein korrekt geführtes Kassenbuch auszusehen? Welche Daten und Infos sind bei der Gema anzumelden? Und wie funktioniert die Anmeldung von neu gewählten Vorständen beim Registergericht?

Aus den 120 Seiten hätten Hamburger, die beiden Müllers und Maierhofer durchaus 240 machen können. „Aber es bringt ja nichts, sich in den Details zu verlieren“, sagt Lukas Müller. In der ehrenamtlichen Vereinsarbeit liege die Kunst darin, Strukturen gerade so verbindlich festzuschreiben, dass sie als für den Vereinszweck sinnvolle Leitplanken wirken. „Wenn zu feste Strukturen irgendwann die Vereinsarbeit einschränken, macht der Verein etwas falsch.“

Ein weiterer Tipp der Handbuch-Verfasser lautet: Ein aktualisiertes Handbuch zu schreiben

Was Müller meint: Den E-Mailverteiler mit den Zuständigen bei Polizei, Ordnungsamt, Stadtjugendpflege und Jugendschutz verlege die nächste Vorstands- und Mitgliedergeneration vielleicht in eine Cloud. „Das ist vollkommen in Ordnung. Wichtig ist, dass es einen Kanal gibt, über den der Verein seine Veranstaltungen korrekt anmelden kann.“

Ihr Ansinnen fassen die Autoren im Vorwort folgendermaßen zusammen: „Unsere Hoffnung ist, dass dieses Buch im Großen und Ganzen hilfreiches Wissen für die tagtägliche Arbeit im JIG bereithält, dass man zu kleinen und größeren Fragen hier nachlesen kann, wie wir es gemacht haben.“ Sie hofften aber auch, dass die Aktiven das Buch immer auch vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Zeit lesen. „Nehmt euch, was euch hilft und lasst den Rest weg – und wenn sich zu viel geändert hat, dann schreibt ein neues, aktuelleres, besseres Handbuch JIG!“

Im Kreisjugendring Ebersberg (Bahnhofstraße 12) liegen „Handbuch-JIG“-Exemplare aus, PDF-Versionen können zum Beispiel unter mail@kjr-ebe.de angefragt werden.

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