Grafing:Jahrzehnte für 2,7 Kilometer

Am Ende entscheidet das Votum der Grafinger, dass die Stadt ihre Umgehungsstraße bekommt

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es gibt Landkarten aus den 1970er Jahren, da strichelt sich östlich von Grafing eine dünne Linie entlang. Mindestens seit damals ist also bekannt, dass sich in dieser Gegend südlich von Gsprait einmal etwas größeres tun könnte. Manch Alteingesessener verortet die ersten Debatten um Sinn oder Unsinn einer Grafinger Ostumfahrung sogar auf die 1950er Jahre. Trotzdem kommt erst Bewegung in die Sache, als die Staatsregierung die Grafinger Ostumfahrung, die "St2080neu", in die oberste Dringlichkeitsstufe nimmt. Im Jahr 2001 ist es soweit.

So eindeutig positiv, wie die Staatsregierung die Trasse stets bewertet, sehen sie allerdings nicht alle. Viele Grafinger, allen voran SPD und Grüne, wettern nach Kräften gegen das Vorhaben. Sie nennen die bei Umfahrungen gängigen Gegenargumente: Zu viel zerstörte Natur für zu wenig Entlastung. Wenn überhaupt, dann sei doch eine Westumfahrung über Grafing Bahnhof und dann entlang der Bahnlinie nach Rosenheim sinnvoller, heißt es. Oder eine Variante weiter östlich. Die Staatsregierung attestiert allerdings beiden Optionen Unwirtschaftlichkeit.

Die Grafinger CSU und die Freien Wähler stehen mit dem anderen Lager der Grafinger Öffentlichkeit voll hinter den Plänen. Die Ostumfahrung sei Grundvoraussetzung für weniger Verkehr in der Innenstadt. Sei die Umfahrung eröffnet, könne man sich endlich an die Umgestaltung und Beruhigung des Marktplatzes machen. Außerdem biete sie Entwicklungsmöglichkeiten im Osten der Stadt.

Im Dezember 2008 dürfen sich die Grafinger offiziell zu den Planungen äußern. Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Rudolf Heiler kommt es zum Ratsentscheid. Er soll das Votum des Stadtrats pro Ostumfahrung mit einer direkten demokratischen Legitimation untermauern. Die Gegner der Umfahrung kontern den Ratsentscheid mit einem entgegengesetzten Bürgerentscheid. Heiler gewinnt mit über 58 Prozent der Stimmen. Der Bürgerentscheid scheitert knapp mit 49,96 Prozent. J e nach Entscheid und Wahlbezirk sind jedoch über 13 Prozent der Stimmzettel ungültig. Die Kombination aus zwei Entscheiden plus Stichfrage ist kompliziert.

Im Dezember 2010, fällt die Regierung von Oberbayern schließlich den Planfeststellungsbeschluss. Das verbleibende Grafinger Hauptanliegen ist darin umgesetzt: Der umstrittene Damm, auf dem die neue Trasse zwischen der Rosenheimer und Rotter Straße verlaufen soll, ist von etwa 4,5 auf 1,68 Meter abgesenkt. Dennoch klagen 17 Grafinger gegen den Beschluss. Das zugrunde liegende Verfahren sei voller "eklatanter Abwägungsfehler". Im Herbst 2012 weist das Bayerische Verwaltungsgericht die Klagen ab. Im Februar 2016 rollen Bagger und Baumaschinen an.

Die Forderung einiger Grafinger nach zusätzlichem Lärmschutz lehnt das Gremium derweil ab. Sonst müsse man ja überall auf eigene Kosten aktiv werden. Anderswo sind Stadtrat und Bürgermeisterin dagegen bereit, zusätzliches Grafinger Geld frei zu machen. Etwa bei dem Durchstich in Richtung Eisstadion und Freibad. Die eigenen Verkehrsplaner bezeichnen diese sogenannte Sportstättenanbindung als verkehrlich überflüssig - im Stadtrat findet sich trotzdem eine Mehrheit. Die Kosten werden zunächst auf etwa 500 000 Euro beziffert. Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) spricht unlängst von deutlich geringeren Kosten. Konkrete Zahlen nannte sie jedoch nicht.

Im Sommer gibt es noch einmal Aufregung. Überraschend sagt die Stadt das auf der Umfahrung geplante Eröffnungsfest ab. Gibt es Probleme an der Trasse? Nein, gibt die Bürgermeisterin Entwarnung. Die Straße werde erst kurz vor der Verkehrsfreigabe offiziell abgenommen. Vorher könne man deshalb schlecht ein Fest darauf veranstalten.

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