Auffangstation in Grafing:Wie man bei Igeln Darmbeschwerden verhindert

Lesezeit: 3 min

Grafing: Fütterung eines Jungigels mit einer Mischung aus Fencheltee und Aufzuchtsnahrung. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"Letztens erzählte mir eine Frau, sie habe gelesen, man solle Igeln Cola zum Trinken geben." Eindrücke aus dem Arbeitsleben einer Grafinger Spezialistin.

Von Karin Pill, Grafing

Wenn im Herbst die Blätter im Garten rascheln, ist endlich wieder Igel-Zeit, zumindest gilt diese Weisheit unter vielen Naturfreunden. Für die Tiermedizinische Fachangestellte Monika Kolic aus Grafing trifft das jedoch nicht zu. Denn im Keller der 41-Jährigen raschelt es das ganze Jahr über. Die ausgebildete Tierpsychologin und Verhaltenstherapeutin hat eine von zwei professionellen Igel-Auffangstationen im Landkreis Ebersberg.

"Das Ganze ist während meiner tiermedizinischen Ausbildung entstanden", sagt Kolic. In sommerlicher Kleidung sitzt sie an diesem Herbsttag auf ihrer Terrasse. Um die Beine streift ihre Katze, der Hund sitzt im Körbchen auf dem Boden. Von den pflegebedürftigen Igeln ist zunächst nichts zu sehen. Kolic erzählt, dass sie schon während ihrer Arbeit in Kliniken und Praxen gerne mit Wildtieren gearbeitet habe. "Meine Begeisterung fing bei Eichhörnchen an und hörte bei Igeln auf." Doch die Behandlung von Wildtieren sei eine Domäne, in die der klassische Tierarzt wenig eingebunden sei. "Ich habe mich dann selbst schlau gemacht und auf dem Gebiet weitergebildet."

Zum großen Glück für die 42 Igel, die aktuell bei Kolic und ihrer Familie im Keller leben - je nach Größe in Hasenkäfigen oder Mörtelwannen. Vermittelt werden die kleinen, stacheligen Tierchen meist über die Ebersberger Kreisgruppe des Bundes Naturschutz, über Tierärzte oder auch über die Untere Naturschutzbehörde. "Aber inzwischen ist auch einfach ein großen Netzwerk entstanden, und da spricht sich das rum."

1 / 4
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

So süß die kleinen Igel auch aussehen, ist es meist doch am besten, sie einfach in Ruhe zu lassen - es sei denn, sie sind verletzt oder geschwächt. Dann kommt Monika Kolic ins Spiel.

2 / 4
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für die unterernährten Igel, die manchmal nur 30 Gramm auf die Waage bringen, geht es insbesondere darum, wieder ein ordentliches Gewicht zu bekommen.

3 / 4
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Milch, Obst oder Nüsse bekommen den Tieren entgegen der allgemeinen Meinung aber eher nicht.

4 / 4
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei der Pflegestation kommen Dankeskarten von Leuten an, deren gefundene Igel eine neue Heimat gefunden haben.

Seit nunmehr acht Jahren ist die zweifache Mama also auch noch Ersatz-Mama für Igel. Die Tiere kommen immer dann zu ihr, wenn sie zum Beispiel unterernährt, geschwächt oder verletzt sind. "Dann müssen sie bei mir aufgepäppelt werden, damit sie noch vor dem Winterschlaf wieder raus in die Natur können." Für die halb verhungerten Igel, die manchmal sogar nur 130 Gramm auf die Waage bringen, gehe es insbesondere darum, sich wieder ein ordentliches Gewicht anzufuttern.

SZ PlusEbersberger Forst
:Das Ebola der Schweine

Die Afrikanische Schweinepest bedroht das Idyll im Ebersberger Forst - auch weil Waldbesucher die Tiere füttern. Ein alteingesessener Jäger will sie schützen. Über den Weg der Seuche.

Von Korbinian Eisenberger (Text) und Peter Hinz-Rosin (Fotos)

Aber es gebe auch verletzte Igel, erzählt die Grafingerin, denen ein oder mehrere Beine oder manchmal sogar ganze Gesichtshälften fehlten, etwa weil sie unter die Klingen von Mährobotern gekommen sind. Auch der Befall mit Milben oder Pilzen nehme immer mehr zu, sagt sie. Schlechtes Wetter, zu wenig Futter oder auch der Einsatz von Düngemitteln seien dafür verantwortlich. All das schwäche die Igel. Die Hautkrankheiten hätten zur Folge, dass den Tieren die Stacheln ausfallen.

Doch egal, aus welchem Grund Igel zu Kolic kommen, die Tierpflegerin weiß immer, wie sie die Kleinen wieder auf die Beine bekommt. "Igel, die intensiv betreut werden müssen, leben in kleinen Boxen auf Wärmequellen. Die kriegen dann auch regelmäßig Infusionen", so Kolic. Wenn es mal eine Amputation gebe, arbeite sie freilich auch mit Tierärzten zusammen.

Auch wenn sie immer mal wieder schlimme Verletzungen bei Igeln sehe, die meist beim Rasenmähen entstehen, sei sie nicht per se gegen Mähroboter oder Rasentrimmer. Doch am liebsten wäre es ihr, wenn die Mähroboter nur am Tag zum Einsatz kämen, wenn Sträucher, die getrimmt werden müssen, vor dem Mähen nach Igeln abgesucht würden und wenn generell weniger Düngemittel zum Einsatz kämen. "Diese ganze Technik, Chemie und das alles birgt große Risiken für die Igel." Deshalb plädiert die Tierpsychologin für mehr Wildnis im Garten. "Je mehr naturnahe Gärten es gibt, desto besser für die Igel." Es müsse zwar nicht in jedem Garten ein hüfthoher Rasen stehen, aber "die eine oder andere unaufgeräumte Ecke, etwa mit Holzscheiten oder Laubhaufen, ist auch schon super", sagt die Expertin.

Monika Kolic ist ausgebildete Tierpsychologin. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch abgesehen von der Technik und der Chemie, die den Igeln zu schaffen machen, ist es manchmal auch die Liebe der Spezies Mensch, die dem Wildtier nicht unbedingt guttut. "Es gibt viele Leute, die einfach jeden Igel aufsammeln, den sie finden. Egal, ob das Tier Hilfe benötigt oder nicht. Darin sieht die Tierpsychologin eine ganz große Gefahr. "Igel sind immer noch Wildtiere, und laut Gesetz darf man die Tiere nicht einfach der Natur entnehmen." Wer das tue, ohne dass ein Tier sichtbar geschwächt oder verletzt ist, mache sich sogar strafbar. "Wildtiere sollten nur von professionellen Pflegern für die Zeit, die für die Genesung notwendig ist, aufgenommen werden."

Wer einen Igel findet und sich nicht sicher sei, ob er pflegebedürftig ist, könne etwa bei der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt nachfragen. Die vermittle dann bei Bedarf an Pfleger wie sie selbst. Ganz schlimm findet die Expertin es auch, wenn sich Menschen in den Sozialen Netzwerken mit Igeln in Szene setzen und dokumentieren, wie sie sich angeblich um die Tiere kümmerten. "Wir haben nicht das Recht, einfach Tiere der Natur zu entnehmen."

Überhaupt lese sie im Internet oft haarsträubende Dinge. "Letztens erzählte mir eine Frau, sie habe gelesen, man solle den Igeln Cola zum Trinken geben", sagt Kolic und klärt sogleich auf: Auch Milch, Obst, Haferflocken oder Nüsse seien nichts für Igel. "All das macht den Tieren Darmbeschwerden." Ihr Rat ist daher: Wer einen Igel unter 200 Gramm findet, solle erst einmal einen Experten kontaktieren.

Nachdem all diese Informationen erzählt sind, ist es dann doch endlich soweit, dass ein paar von Kolic' Igeln gefüttert werden müssen. Mit Handschuhen hält sie eines der kleinen Säugetiere in der Hand und flößt ihm über eine Spritze spezielle Milch ein. Und auch wenn man weiß, dass Igel Wildtiere und keine Schmusebärchen sind, so kommt man doch nicht umhin, beim Anblick dieser kleinen Kerlchen große Augen zu machen.

© SZ vom 16.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSchädlinge im Garten
:"Wenn man eine Schnecke zerschneidet, dann kommen zehn andere zum Beerdigungsschmaus"

Laufenten, Knoblauch, kochendes Wasser - Tipps gegen Nacktschnecken gibt es zuhauf. Aber welche helfen wirklich? Ein Gespräch mit Autor und Gartenexperte Wolfram Franke.

Interview von Alexandra Leuthner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: