„Hey Grafing“:Stadt stoppt Zahlungen

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Ein Plakat am Grafinger Bahnhof wirbt für das Stadtportal, im Rathaus herrscht dagegen beim Thema "Hey Grafing" inzwischen Ernüchterung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit einer digitalen Vermarktungsplattform wollte Grafing lokalem Einzelhandel, Dienstleistungsgewerbe, Gastronomie und Vereinen unter die Arme greifen. Weil das Portal noch immer Baustelle ist, zieht das Grafinger Rathaus jetzt die Daumenschrauben gegenüber der verantwortlichen Agentur an.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Länger als ein Jahr ist das Stadtportal „Hey Grafing“ jetzt schon online. Noch immer kommt es voller Lücken, längst zurückliegenden Kalendereinträgen und wild zusammengewürfelten Website-Bestandteilen daher. Von den rund 400 Grafinger „Plätzen“ ist etwa ein Gutteil mit nicht mehr ausgestattet als einer Kontakt-Telefonnummer, sowie ein paar kopierten Absätzen aus den jeweiligen Internet- oder Facebook-Seiten.

Um im Jargon der Branche zu bleiben: Von der digitalen Vermarktungsplattform, mit der Grafing Einzelhandel, Dienstleistungsgewerbe, Gastronomie und Vereinen unter die Arme greifen wollte, existiert bestenfalls eine Beta-Version, sprich: Eine erste Variante, die Hersteller üblicherweise zu Testzwecken veröffentlichen.

Die Betreiber hatten der Stadt versprochen, diese habe keine Arbeit mit dem Portal

Im Rathaus ist die Geduld deshalb nun aufgebraucht. Wie Bürgermeister Christian Bauer (CSU) auf Nachfrage bestätigte, hat die Stadt ihre Zahlungen an die verantwortliche Agentur „bis zur vollständigen Erfüllung der vertraglich zugesicherten Leitungen“ eingestellt. Bei den Zahlungen handelt es sich um die monatliche Betriebskostenpauschale von knapp 1400 Euro.

Die Gesamtkosten des Portals bezifferte Wirtschaftsfördererin Julia Rainert auf rund 63.000 Euro. Abzüglich der „React-EU“-Förderung in Höhe von etwa 23.000 Euro verblieben also rund 40.000€ bei der Stadt.

Derzeit findet man auf der Seite von "Hey-Grafing" vieles, was es auch auf der offiziellen Stadt-Website gibt, etwa Hinweise auf kommende Veranstaltungen und städtische Einrichtungen wie Bücherei und Museum. Im Rathaus ist man mit dem Angebot unzufrieden. (Foto: Screenshot: SZ)

Im Grafinger Rathaus hat man sich das Projekt und seinen Verlauf anders vorgestellt. „Insgesamt kann man sagen, dass die Einführung eines solchen Stadtportals mit erheblichen personellen Ressourcen vor Ort verbunden ist und nur die reine Einführung und Bereitstellung gegen Bezahlung keinesfalls ausreichend ist“, schreibt Rainert. „‚Hierzu ist seitens der Kommune keinerlei personeller Aufwand nötig’ – dieser plakative Slogan auf der ‚hey.business‘-Seite ist definitiv unzutreffend. Der Aufwand ist von Stadtseite aus leider deutlich höher, als er initial versprochen wurde.“ Wiederholt habe zudem die Wirtschaftsförderung in Eigenregie einspringen müssen, „weil über längere Zeit die Eintragserstellung gar nicht erfolgte“.

Selbst an grundlegenden Website-Statistiken mangelt es „Hey Grafing“ laut Rainert. „Stand heute hat die Stadt trotz wiederholter Nachfragen und Anmahnung keine Nutzungszahlen erhalten, obwohl (…) der Webanalysedienst Google Analytics implementiert ist und somit Nutzungszahlen längst erhoben werden sollten.“

Bei „Hey-Grafing“ verweist man auf Personalmangel und gelobt Besserung

„Hey Grafing“-Macher Hans Wembacher ist hörbar um Deeskalation bemüht. Die Lücken seien Personalmangel und Ressourcenknappheit in seinem Team geschuldet. Auch externe Auftragnehmer hätten „leider nicht zufriedenstellend“ gearbeitet. Den Stopp der Betriebskostenzahlung halte er grundsätzlich für gerechtfertigt. „Auch wenn es bei einem kleinen Start-up, welches überwiegend aus Teilzeitkräften besteht, finanziell weh tut. Aber es erhöht weiter den Druck zur Lösungsfindung und spornt uns weiter an.“

So ganz scheint Bürgermeister Bauer solchen Aussagen nicht mehr über den Weg zu trauen. Er setzte der Agentur das sprichwörtliche Messer auf die Brust: Bis zu einem Treffen Mitte September sollten die offenen Punkte gelöst sein, räumte Wembacher ein.

Dessen Mannschaft dürften nun arbeitsreiche Wochen ins Haus stehen. Von der „Hey Grafing“-Smartphone-Variante gibt es noch nicht mal die Beta-Version. Und bevor sich irgendwo eine „Hey Grafing-App“ hochladen lässt, müssen bekanntlich noch Apple respektive Google ihre Freigabe erteilen. Dafür blendet die Automatik beharrlich Produktionen anderer „Hey Bayern“-Portale ein. Zum Beispiel den 3D-Rundgang durch die Traunsteiner Klosterkirche. Immerhin: Die Suchfunktion, die zwischenzeitlich bei den Begriffen „barrierefrei“ und „Grafing“ die örtliche Kletterhalle ausspuckte, ist mittlerweile gänzlich inaktiv.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes konnte der Eindruck entstehen, die Stadt habe inklusive „React-EU“-Förderung bereits rund 63 000 Euro an die „hey.business UG“ bezahlt. Bei den rund 63.000 Euro handelt es sich um die Gesamtkosten des Projekts. Wir haben die Stelle entsprechend präzisiert.

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