PräventionSchutz gegen den K.o.

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Jugendschutzbeauftragter Ingo Pinkofksy klärt die Klasse 10b des Grafinger Gymnasiums zum Thema Prävention gegen K.-o.-Tropfen auf.
Jugendschutzbeauftragter Ingo Pinkofksy klärt die Klasse 10b des Grafinger Gymnasiums zum Thema Prävention gegen K.-o.-Tropfen auf. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sie sind geruchlos, geschmacklos und sehr gefährlich: K.-o.-Tropfen in Getränken. Doch wie kann man sich davor schützen, Opfer zu werden? Jugendschutzbeauftragter Ingo Pinkofsky und Jugendpfleger Himo Al-Kass geben in einem Workshop am Grafinger Gymnasium einige Tipps.

Von Helen Knaupp, Grafing

Ein Raunen geht durchs Klassenzimmer. Die 15- und 16-Jährigen der Klasse 10b tauschen erschütterte Blicke aus. Gerade hat ihnen Ingo Pinkofsky vom Fall der 18-Jährigen erzählt, die 2018 in Freiburg zum Opfer einer Massenvergewaltigung wurde, nachdem ihr K.-o.-Tropfen verabreicht worden waren. Der Fall sorgte deutschlandweit für einen Schock. Für die 10b des Max-Mannheimer-Gymnasiums in Grafing ist dies also keine normale Schulstunde. In der zweiten Stunde lauschen sie gebannt den Erzählungen von Ingo Pinkofsky und Himo Al-Kass. Der kommunale Jugendschutzbeauftragte und der Jugendpfleger der Stadt Grafing sind in die Klasse gekommen, um über die Gefahren von K.-o.-Tropfen aufzuklären – und darüber, wie man sich schützen kann.

Die beiden berichten von Fällen, in denen jungen Erwachsenen auf Partys plötzlich schwindelig und übel wurde, bis hin zur Bewusstlosigkeit. Alkohol war nicht der Grund. Sie erzählen von Fällen der Vergewaltigung und Ausraubung nach plötzlichen Rauschzuständen und dem Problem, diese Fälle nachzuweisen. Der Fall der Freiburgerin war für Pinkofsky Anlass, das Thema Prävention gegen K.-o.-Tropfen mehr in den Fokus des Jugendschutzes im Landkreis zu rücken. Man merkt ihm an, dass das Thema eine Herzensangelegenheit ist: „Es muss was passieren, so geht es nicht weiter. Wir müssen die Bevölkerung aufrütteln!“

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Der Präventionsworkshop zu K.-o.-Tropfen wurde bereits 2024 von Pinkofsky vom Kreisjugendamt Ebersberg zusammen mit der Gesundheitsregion plus im Landkreis Ebersberg entwickelt und in den 10. Klassen des Grafinger Gymnasiums getestet. Daraus sind zwei Versionen für Unterrichtsstunden entstanden. „Save it first! – Mit uns gegen K.-o.-Tropfen“ wurde der Workshop genannt. Gemeinsam mit Jugendpfleger Al-Kass macht Pinkofsky nun immer wieder auf das Thema aufmerksam.

Jugendpfleger Himo Al-Kass (links) und Ingo Pinkofsky sind ein eingespieltes Team, wenn es um Jugendschutz und Präventionsarbeit geht.
Jugendpfleger Himo Al-Kass (links) und Ingo Pinkofsky sind ein eingespieltes Team, wenn es um Jugendschutz und Präventionsarbeit geht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit dem Workshop wollen sie Jugendliche ab 15 Jahren und ab der 8. Jahrgangsstufe erreichen, die erste Partyerfahrungen sammeln. Als die 10b danach gefragt wird, ob sie jemanden kennen, der eine Erfahrung mit K.-o.-Tropfen gemacht hat, berichtet eine Schülerin von der Schwester einer Freundin. Diese sei auf einer Party mit K.-o.-Tropfen in den Oberschenkel gespritzt worden. Freunde haben sie daraufhin nach Hause gebracht, passiert sei zum Glück nichts. „Nadel-Attacken“, „Needle Spiking“, nennt man das, wenn betäubende Substanzen wie Gamma-Hydroxybuttersäure (GBH) oder die Vorstufe dazu Gamma-Butyrolacton (GBL) unbemerkt injiziert werden. Diese Substanzen werden auch „Liquid Ecstasy“ genannt.

Beim Workshop arbeiten die Jugendlichen engagiert mit

Pinkofsky erklärt den Schülerinnen und Schülern, dass es ein riesiges Problem sei, die Substanz GHB festzustellen, da sie nur wenige Stunden lang im Körper nachweisbar ist. Viele Betroffene werden zu spät untersucht. Al-Kass und Pinkofsky wird immer mehr von solchen Fällen, auch hier im Landkreis, berichtet. Sie gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der Betroffenen riesig ist. Problematisch ist auch, dass man die Tropfen einfach im Internet bestellen kann. Ein paar wenige davon reichen bereits bis die betäubende Wirkung einsetzt.

Was es Partygängern zudem schwer macht, Liquid Ecstasy in ihrem Getränk zu erkennen, erklärt Al-Kass: „K.-o.-Tropfen schmecken nach nichts und sind farblos.“ Eine Schülerin in der zweiten Reihe nickt zustimmend, das war ihr also schon bekannt. Zwar gab es bereits Bemühungen seitens der Politik, den Umgang mit dem Wirkstoff strenger zu regulieren, das Thema liegt aktuell allerdings wieder auf Eis.

In Gruppen überlegen die Schülerinnen und Schüler der 10b, wie sie sich im Ernstfall verhalten können, um sich und andere zu schützen.
In Gruppen überlegen die Schülerinnen und Schüler der 10b, wie sie sich im Ernstfall verhalten können, um sich und andere zu schützen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach vielen Infos, kurzen Präventionsvideos und Fallgeschichten Betroffener, denen die Schüler und Schülerinnen gespannt folgen, animieren die Workshopleiter die Klasse zu einer Gruppenarbeit. Die Jugendlichen beschäftigen sich damit, wie sie sich verhalten, wenn sie etwas Auffälliges und Ungewöhnliches bei einem Freund oder einer fremden Person auf einer Party beobachten. Eine Gruppe überlegt sich, wie man sich selbst vor einem K.-o.-Tropfen-Angriff schützen kann. Das Sammeln von Antworten auf die Fragen fällt der 10b sichtlich leicht, flink schreiben sie bunte Zettel voll. Ihre Ergebnisse tragen die Schülerinnen und Schüler der Klasse vor und kleben die bunten Zettel an die Tafel. Ein Schüler übernimmt die Aufgabe sehr engagiert, „du bist der Kleber, nicht der Tropfer!“, witzelt Pinkowsky und sorgt damit für Gelächter.

Die Schülerinnen und Schüler stellen die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit der Klasse vor.
Die Schülerinnen und Schüler stellen die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit der Klasse vor. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Mit den Silikon-Kronkorken "Cronis" können die Jugendlichen nun ihre Getränke schützen.
Mit den Silikon-Kronkorken "Cronis" können die Jugendlichen nun ihre Getränke schützen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Fest steht, so das Ergebnis am Ende: Es ist wichtig, sofort zu handeln, wenn man etwas Auffälliges, wie ein plötzliches Schwanken und Orientierungslosigkeit bei einer Person oder Freundin bemerkt. Man soll dem Personal und der Security Bescheid geben, die betroffene Person auf keinen Fall alleine lassen, den Rettungsdienst verständigen und bei Bedarf Erste Hilfe leisten. Der beste Selbstschutz vor einem möglichen Angriff ist es, nie alleine feiern zu gehen, darauf zu achten, wie das Getränk zubereitet wird, sein Getränk nicht unbeaufsichtigt zu lassen und nach Möglichkeit abzudecken.

Um Getränke zu schützen, hat sich Pinkofsky etwas einfallen lassen: Getränkeabdeckungen und Silikon-Kronkorken für Flaschen wie zum Beispiel Bier. Die bunten „Croni“ teilt er auch an die Klasse 10b aus.

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Der Schulgong tönt, es kommt wieder Bewegung ins Klassenzimmer und die 45 Minuten Präventionsworkshop vergingen wie im Flug. Schülerin Lena, 15, haben vor allem die persönlichen Geschichten über Betroffene berührt, wie sie erzählt. Emma, 14, wusste zwar schon viel über K.-o.-Tropfen, hat in der Stunde aber nochmal mehr gelernt.

Für eine war es allerdings nicht das letzte Mal, dass sie diesen Workshop mitmacht: Lehrerin und Gesundheitsbeauftragte Simone Thal. Sie organisiert zwei weitere Workshops in den 10. Klassen des Gymnasiums in Grafing. Prävention in der Schule ist auch für Thal ein Herzensthema. Bisher engagierte sie sich vor allem für Präventionsangebote zum Thema Essstörung. Jetzt nimmt sie sich eines neuen Themas an, um ihre Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren. Auch Thal hat einmal in ihrem Umfeld von einem Fall mit K.-o.-Tropfen mitbekommen, daher ist es ihr ein persönliches Anliegen, über das Thema aufzuklären.

Für Gesundheitsbeauftragte und Lehrerin Simone Thal sind Präventionsangebote in der Schule ein Herzensthema.
Für Gesundheitsbeauftragte und Lehrerin Simone Thal sind Präventionsangebote in der Schule ein Herzensthema. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Konzept für den Workshop stellt Pinkofsky den Schulen kostenfrei zur Verfügung. Er und Al-Kass bieten dieses Schuljahr noch weitere Workshops in der Mittelschule in Grafing an. Für die Zukunft wünscht sich Pinkofsky mehr Aufklärung zum Thema K.-o.-Tropfen und dass noch mehr Schulen auf das Programm des Workshops zurückgreifen.

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