Süddeutsche Zeitung

Zeitzeuge als Patron:Grafinger Gymnasium wird nach Max Mannheimer benannt

Die ganze Schule hat sich für den Holocaust-Überlebenden als Patron ausgesprochen. Bald wird sein Name am Schulgebäude stehen.

Von Alexandra Leuthner, Grafing

Franz Frey, SPD-Stadtrat in Grafing und lange Jahre Lehrer am dortigen Gymnasium, kann es kaum fassen, als er von der Neuigkeit erfährt. Die Schule wird künftig den Namen "Max-Mannheimer-Gymnasium Grafing" tragen. Gemeinsam mit seinem Lehrerkollegen Udo Helmholz hatte Frey sich schon vor Jahren für den in seinem Engagement gegen Rassismus und Nationalismus so wirkmächtigen Holocaustüberlebenden als Namensgeber eingesetzt. Nun, nachdem beide Lehrer die Schule längst in Richtung Ruhestand verlassen haben und Max Mannheimer vor drei Jahren 96-jährig gestorben ist, hat sich die Schulfamilie auf eine erneute Initiative von Schülern hin doch für den neuen Namen entschieden.

Die entsprechende Urkunde wird der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am 17. Januar nach Grafing mitbringen, wenn auch die abgeschlossene Generalsanierung des Schul-Altbaus gefeiert wird. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde von München und Oberbayern Charlotte Knobloch sowie der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Ludwig Spaenle werden dabei sein, wenn die Urkunde an die Schule übergeben wird. "Eine Stele ist auch in Arbeit", erklärte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und fügte hinzu, er gratuliere der Schule als Vertreter des Landkreises und damit des Sachaufwandsträgers zu der Entscheidung.

Der Name Mannheimer sei ja - ähnlich wie Dominik Brunner als Pate für die Realschule in Poing - mit einer bestimmten Haltung verbunden, für die das Gymnasium in Grafing ohnehin stehe: Als Schule ohne Rassismus habe es Überzeugung und Courage immer wieder gezeigt, ob in seinen Aktionen oder in seinem Widerstand etwa gegen rechts motivierte Drohungen gegen die Schule. "Der Name wird diese Haltung noch bewusster machen", sagte Niedergesäß, und es sei ein wichtiger Bildungsauftrag, junge Menschen darin zu bestärken.

Max Mannheimer war kein Grafinger, aber seit 1987 immer wieder in die Stadt gekommen, um nicht nur den Schülern dort von seinem Leben zu erzählen. Insgesamt 32 Mal hatte er Grafing besucht, hatte dort viele Freunde gewonnen. Mit Ausstellungen und Lesungen haben Gymnasiasten seit seinem Tod im September 2016 immer wieder an den so ernsthaften und zugleich so humorvollen Mahner für Verständigung und Toleranz erinnert. Mannheimer war einer, der berichtet, erzählt, aber nie angeklagt hat, trotz allem Leid, das ihm und seiner Familie von Deutschen angetan worden war.

Nur Max Mannheimer und einer seiner Brüder überlebten

Im heutigen Tschechien geboren, versteckte sich seine Familie in Ungarisch Brod vor der Besatzung des Sudetenlands durch deutsche Soldaten. Jedoch vergeblich. 1943 wurde die Familie von den Nationalsozialisten gefunden, in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. Nur Max und einer seiner Brüder überlebten. Seine Eltern, seine damalige Frau und zwei Geschwister starben im KZ. Im April 1945 endete sein erstes Leben, als er mehr tot als lebendig in Tutzing aus dem sogenannten Todeszug geholt wurde, der KZ-Häftlinge aus dem Lager Mühldorf zum Starnberger See transportiert hatte.

Nicht weit von jener Eisenbahnstrecke entfernt, in Haar, ließ Mannheimer sich später nieder und machte es sich zur Lebensaufgabe, gegen das Vergessen der Gräueltaten im Dritten Reich zu kämpfen. Und er tat das mit "Humor, Kampfgeist und Geradlinigkeit, Güte und unerschütterlichen Lebensmut". So formulierte es der Grafinger Direktor Paul Schötz in einer Mitteilung zur Umbenennung seiner Schule. Auch Schüler, die Mannheimer nicht mehr persönlich kannten, die aber über Lesungen und die jährliche Erinnerungsausstellung von ihm erfahren hatten, haben sich laut Schötz der Initiative für die Umbenennung angeschlossen. "Ihnen allen ist es ein großes Anliegen, dass auf diese Weise in unserem Gymnasium die Hochachtung vor Max Mannheimer und seiner vorbildlichen Haltung dokumentiert wird und lebendig bleibt."

Alle schulinternen Gremien - Elternbeirat, Schulforum und Lehrerkonferenz - hätten sich nun für die Umbenennung ausgesprochen, bevor auch das Kultusministerium zugestimmt habe. Früheren Initiativen gleichen Inhalts, etwa von der Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Stamm im Jahr 2011, hatten sich Schule und Elternbeirat noch widersetzt. Wobei auch schon andere Bestrebungen gescheitert waren, der Schule einen klingenden Namen zu geben, etwa die des früheren Schulleiters Harald Parigger, sie nach dem Literaten Heinrich Heine zu benennen.

Und während es im Grafinger Stadtrat 2011 noch Widerstand gegen die von der SPD unterstützte Mannheimer-Initiative gegeben hatte, scheint jetzt die Zustimmung allenthalben einhellig zu sein. "Endlich ist gelungen, was leider zu Lebzeiten Max Mannheimers nicht möglich wurde. Mit der Benennung setzt unser Grafinger Gymnasium gerade in Zeiten, in denen der Rechtsradikalismus zunimmt, ein wichtiges und erfreuliches Zeichen", schreibt etwa der Grafinger CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Huber, dessen Sohn selbst das Grafinger Gymnasium besucht, in einer Pressemitteilung.

Die Nachricht komme, politisch betrachtet, zur rechten Zeit, sagt Franz Frey. "Vielleicht ist man endlich doch aufgewacht und hat begriffen, dass es Zeit ist, Stellung zu beziehen." Frey, der als Geschichtslehrer am Gymnasium viel mit Mannheimer zu tun hatte und ihm freundschaftlich verbunden war, flüstert fast vor Rührung, als er sagt: "Es ist so schön, dass Max jetzt diese Ehrung erfährt." Kollege Udo Helmholz schwärmt noch heute von Mannheimers Auftritten in Grafing. "Seine Besuche waren die besten Geschichtsstunden, die man sich vorstellen konnte. Eine Leitfigur für alle Generationen."

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SZ vom 08.11.2019/koei
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