Namen von Parteien fallen an diesem Vormittag im Pausenhof des Grafinger Gymnasiums keine. Ganz bewusst, denn Schulen müssen parteipolitisch neutrale Räume sein. Trotzdem ist es einer Gruppe engagierter Schülerinnen und Schülern ein großes Anliegen, mit Blick auf die Bundestagswahl am Sonntag ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen für Demokratie, Solidarität und Toleranz. Deswegen lädt die SMV in dieser letzten Schulstunde vor dem Wochenende erstmals zu einem „Fest der Vielfalt“ ein.
„Die grobe Idee zu so einer Veranstaltung gab es schon länger, aber nun dachten wir eben: Das ist ein sehr guter Zeitpunkt“, erzählt Schülersprecher Lucca Betzold. Schließlich sei die aktuelle politische Lage durchaus beängstigend – auch wenn die Ergebnisse der U-18-Wahl ihn doch hoffnungsvoll stimmten. „Vielleicht färben die ja ab?“ Nur leider sei die Entscheidung für das Fest ziemlich spontan, nämlich erst vor eineinhalb Wochen gefallen, ergänzt Lara Kriwitz von der SMV – sodass das Gelingen der ganzen Aktion nicht unbedingt gewiss gewesen sei.

Doch an diesem Vormittag verfliegen schnell alle Zweifel. Das internationale Büfett zum Beispiel füllt sich wie von Zauberhand mit Spenden aus der gesamten Schulfamilie, das Angebot reicht von einem deutschen „Krokodil“ aus Trauben-Käse-Spießchen über indische Samosas und amerikanische Brownies bis zu einem unaussprechlichen Snack aus Finnland.
Aber nicht nur für den Gaumen, auch fürs Auge ist etwas geboten: Eine Woche lang waren die Schülerinnen und Schüler aufgerufen gewesen, in den großen Pausen Plakate für das Fest zu gestalten. „Eine Kleine kam jeden Tag mit ihrem Malkoffer und hat ganz fleißig mitgemacht“, erzählt Lehrerin Katja Guhl und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Denn nun sind im Pausenhof die vielfältigen Ergebnisse der Aktion zu sehen: Pappschilder mit bunten Händen oder Fahnen drauf, dazu die entsprechenden Botschaften. „Wir sind alle anders gut“, oder „Nie wieder ist jetzt“.

U18-Wahl in Ebersberg und Erding:Die Mitte macht’s
Bei einer Testwahl des Kreisjugendrings Ebersberg haben 1561 Jugendliche ihre Stimme abgegeben. Besonders drei Parteien sind bei den Unter-18-Jährigen beliebt.
Das Herzstück des Festes aber ist eine bewegende Rede, die Lara Kriwitz und Lucca Betzold gemeinsam halten. Und obwohl sie darin nicht politisch im engeren Sinne werden, versteht vermutlich jeder, was die beiden 17-jährigen Organisatoren mit Blick auf die Wahl sagen wollen. Gerade an einer Schule, die nach dem Holocaustüberlebenden Max Mannheimer benannt ist, „haben wir die Verantwortung, aufzustehen für die Demokratie“. Nicht ohne Grund prange ein berühmtes Zitat des Namensgebers am Eingangsbereich zur Schule: „Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ In diesem Sinne wolle man mit diesem Fest ein Zeichen setzen, „dass wir als Schule zusammenhalten, egal was kommt“.
An diesem Tag wollen „wir feiern, dass wir unterschiedlich sind“, sagt Betzold. Denn erst die Vielfalt mache das Leben doch spannend – und eine Gemeinschaft stark, ergänzt Kriwitz. „Denn Vielfalt bedeutet, dass wir voneinander lernen können.“ Und jeder Einzelne könne etwas tun für ein harmonisches Miteinander: „Wir können zuhören, wenn jemand traurig ist. Wir können helfen, wenn jemand Hilfe braucht. Wir können den Mund aufmachen, wenn jemand ungerecht behandelt wird.“

Deswegen gebe es auch jede Menge Hoffnung. „Wir glauben an eine Zukunft, in der jeder und jede dazugehört, in der wir alle wichtig und richtig sind.“ Die jungen Menschen von heute würden bald die Welt von morgen gestalten. „Wir sind die Zukunft! Und die kann bunt sein. Sie kann gerecht sein. Sie kann freundlich sein. Und sie fängt hier und heute an – bei uns.“ Jede Begegnung, jedes Gespräch, jedes Lächeln sei ein Anfang.
Die beiden jungen Redner haben sich akribisch auf diesen Moment vorbereitet
Man merkt: Kriwitz und Betzold, beide Q12, haben sich akribisch auf diesen Moment vorbereitet. „Uns war es sehr wichtig, dass wirklich jeder etwas mitnimmt, dass unsere Aussagen ankommen, auch bei den Jüngeren“, sagt der Schülersprecher. „Und wir wollten nicht gegen etwas demonstrieren, sondern für etwas, es sollte unbedingt eine positive Rede sein“, erklärt Kriwitz. Deshalb hätten sie sich auch mehrmals mit Lehrern aus Fachbereichen wie Geschichte oder Politik und Gesellschaft unterhalten, um für die Ansprache ein wirklich gutes Konzept erarbeiten zu können.
Aber auch alle anderen Schülerinnen und Schüler des Grafinger Gymnasiums waren aufgerufen, sich an diesem Freitagvormittag zu Wort zu melden – ein Angebot, das der AK „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ freilich gerne annahm. Dessen Vertreterinnen und Vertreter werben denn ebenfalls für ein offenes Miteinander ohne Ausgrenzung. „Nicht rassistisch zu sein, reicht nicht“, heißt es da. „Man muss aktiv werden, laut sein, sich einmischen. Wir brauchen den Mut, jederzeit für Toleranz einzustehen.“
Kein Wunder also, dass Rektorin Nicole Storz am Ende nur lobende Worte findet: „Ich bin ganz begeistert und sehr stolz, dass es an dieser Schule so viele engagierte junge Menschen gibt“, sagt sie, und ruft sogleich einen neuen Slogan für das MMGG aus: „Mutig mahnen, gemeinsam gestalten.“ Und man kann sagen: Das ist den Grafinger Schülerinnen und Schülern an diesem denkwürdigen Freitag vor einer entscheidenden Wahl fraglos gelungen.