Vor 130 Jahren, am 26. Mai 1894, ging die Lokalbahn Grafing-Glonn in Betrieb. Diese - inzwischen seit mehr als fünf Jahrzehnten aus dem Landschaftsbild wieder verschwundene - Nebenbahn wäre wohl nie gebaut worden, hätte nicht zu Beginn der 1890er-Jahre eine Schmetterlingsart riesige Waldflächen kahl gefressen - die "Nonne". Dieser Waldschädling, auch "Fichtenspinner" genannt, wütete ab 1889 im Ebersberger Forst, weshalb man in der königlichen Forstverwaltung befürchtete, dass der Schädlingsbefall auch auf die Wälder westlich und südlich der Bahnlinie München-Grafing-Rosenheim übergreifen und sich dort ebenfalls verheerend auswirken werde. Um das zu verhindern, mussten riesige Mengen des befallenen Holzes rasch geschlagen und abtransportiert werden.
Die Holzabfuhr in solchen, bis dahin nicht gekannten Ausmaßen konnte damals nur mit einer Bahn bewältigt werden. Und obwohl die Lokalbahn von Grafing über Moosach nach Glonn bevorzugt bewilligt und geplant wurde, kam sie zu spät: Als sie eröffnet wurde, war die Nonnenplage schon vorüber, weshalb man befürchtete, diese Lokalbahn werde stets defizitär bleiben. Doch das Gegenteil war der Fall, zur allgemeinen Überraschung entwickelten sich ihre Betriebsergebnisse lange Zeit recht positiv.

Damit war es allerdings vorbei, als in den 1950er-Jahren die Motorisierung einsetzte, die für die Glonner Bahn letztlich das Aus bedeutete. Anstelle der Dampfzüge fuhren nun zwar moderne rote Schienenbusse, die einen nie gekannten Komfort auf die Strecke brachten, doch auch mit ihnen ließ sich der Niedergang nicht aufhalten. Gegen den direkt nach Ottobrunn und München verkehrenden Kraftpostbus und den privaten Pkw war das "Glonner Bockerl", wie die Nebenbahn liebevoll genannt wurde, chancenlos - was der Streckenführung geschuldet war, die im Verkehr mit München einen erheblichen Umweg bedeutete. 1970 fuhren die letzten Schienenbusse, 1971 wurde die Strecke stillgelegt und abgebaut.
Über die wechselvolle Geschichte dieser längst vergessenen Bahn berichtet am Mittwoch, 15. Mai, auf Einladung des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg der Walpertskirchener Eisenbahn-Autor Karl Bürger, der auch zum "Glonner Bockerl" eine Publikation verfasst hat. In seinem mit vielen historischen Fotos angereicherten Vortrag spannt er den Bogen von den - zunächst enttäuschten - Hoffnungen Glonns auf einen Eisenbahnanschluss Mitte des 19. Jahrhunderts über die vermeintlich "gute alte Zeit" (die es nie gegeben hat) bis zum Beginn der 1970er-Jahre, als die Glonner Nebenbahn stillgelegt und die Münchener S-Bahn gebaut wurde, in deren Netz man die Bahn nach Glonn nicht integriert hatte. Die Gründe dafür kommen dabei ebenso zur Sprache wie die besten Tage des "Glonner Bockerls". Die Veranstaltung, zu der alle Interessierten eingeladen sind, findet im Museum der Stadt Grafing statt und beginnt um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.