Süddeutsche Zeitung

Umfahrung Grafing:Es gibt auch Verlierer

Ein symbolischer Spatenstich eröffnet am Montag den Bau der Grafinger Ostumfahrung - und beendet damit ein 60 Jahre andauerndes Politikum.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) hatte ein rotes Jackett gewählt; damit stach sie am Montagmittag heraus zwischen all den dunkel gewandeten Spatenhaltern, die ihrerseits hineinstachen, ins Erdreich. Zur feierlichen Eröffnung waren Staatssekretär Gerhard Eck, Landrat Robert Niedergesäß (beide CSU) und der Ebersberger Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer (SPD) erschienen. "Jetzt steh' ich der Gemeinde vor und bin so klug wie nie zuvor", dichtete Obermayr, früher eine Gegnerin der Trasse, jetzt eine der Wegbereiterinnen, vor der versammelten Zuhörerschaft. "Die Straße wollt' verhindern ich, jetzt tu ich hier den ersten Spatenstich", sagte Obermayr. Das tat sie dann auch.

Mit acht Spatenstichen endete am Montag ein 60 Jahre lang währendes Politikum, mit dem sich schon Obermayrs Vorgänger herumschlugen. Wenn alles nach Plan läuft, werden Ende 2017 die ersten Autos an einem neuen Kreisel an der Rosenheimer Straße abbiegen und am Grafinger Osten vorbei in Richtung Gsprait fahren.

Bis es dazu kommt, werden die Diskussionen innerhalb Grafings weitergehen: über das Für und Wider einer Umfahrung, deren Gegner noch immer erbost sind. Zumindest ließ sich dies aus den Wortmeldungen aus dem bürgerlichen Publikum erschließen - vor allem während des Vortrags von Eck, der im Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr zuständig ist. "So erreichen wir eine spürbare Entlastung von Grafing", sagte Eck. "Zur Freude der Anwohner" werde der Verkehrslärm "deutlich reduziert werden", so Eck. Für diese Entlastung seien "elf Millionen Euro am Ende ein gut ausgegebenes Geld."

Kern der Diskussionen ist der Nutzen der Umfahrung

Der tatsächliche Effekt der Ostumfahrung ist ein Kernthema der Diskussion. Die Befürworter sehen in all dem sowohl eine entscheidende Verbesserung für den Marktplatz als auch für die Wasserburger Straße - dort soll sich das Verkehrsaufkommen durch die Umgehung um 80 Prozent reduzieren. "Ich hoffe inständig, dass die prognostizierte Entlastung wesentlich höher ausfällt", sagte Obermayr. "Damit sich wieder viel mehr Grafinger trauen, mit dem Radl in die Stadt zu fahren oder zu Fuß zu gehen."

Die Gegner stufen die prognostizierte Verkehrsentlastung von 15 Prozent am Marktplatz hingegen als zu gering ein. Kritisiert werden auch die veranschlagten Ausgaben von etwa einer halbe Million Euro für die Anbindung der Straße an die Sportstätten. Diese Summe müsste die Stadt selbst bezahlen - weil die Verkehrsplaner die Anbindung für überflüssig halten. Landrat Niedergesäß, bekannt als Mann der diplomatischen Worte, sprach schließlich aus, was mehrere Landwirte im Publikum bemängelten. "Es gibt natürlich nicht nur Gewinner", so der Landrat. Eine Straße sei immer auch "ein Einschnitt in die Natur und in die Landschaft."

Eine große Lösung ist sei langem nicht mehr im Gespräch

Bei Schweinsbraten und Kartoffelsalat tauschten die etwa 50 Gäste noch bis in die Nachmittagsstunden jene Argumente aus, die in etwa so alt sind wie die Idee der Osttrasse selbst. Wie man die Dinge auch drehte und wendete, Einigkeit wurde in 60 Jahren nie erzielt - was schließlich in einem Bürgerentscheid gipfelte, den die Befürworter der Grafinger Trasse knapp für sich entschieden. Ähnliche Debatten werden seit Jahren auch in Kirchseeon, Parsdorf/Weißenfeld, Steinhöring oder Forstinning geführt. Immer wenn die Frage nach dem ob und wo einer Umgehungsstraße aufkommt, gibt es in der jeweiligen Gemeinde für verschiedene Standpunkte stets gute Argumente. Über eine große Lösung wird dabei seit längerem nicht mehr diskutiert - zumindest nicht öffentlich.

Der frühere Ebersberger Stadtrat Florian Brilmayer (CSU) hatte vor sieben Jahren eine Idee geäußert, die vielen nur mehr als kühner Plan in Erinnerung ist: Brilmayer dachte laut über eine ganzheitliche Lösung für die Verkehrsentlastung des Landkreises nach - auch um die innerkommunalen Kämpfe zu beenden. Das Vorhaben war jedoch zum Scheitern verurteilt, vor allem weil sich mehrere Gemeinden aus Angst vor zu großer Nähe zur Umgehungsstraße dagegen gewehrt hatten. Ebersberg selbst hat bekanntlich bis heute weder eine West- noch eine Ost-Umfahrung, was man von Grafing demnächst wohl nicht mehr sagen kann.

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SZ vom 03.05.2016/moje
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