Grafing:Eine Litanei von Anschuldigungen

Der Streit über die Renovierung der Grafinger Pfarrkirche eskaliert: Per Flugblatt werfen Bürger der Kirchenverwaltung Geldverschwendung, Inkompetenz, Geheimniskrämerei und Ignoranz vor - anonym

Von Anja Blum

"Der ,Limbuger Käse' stinkt auch hier in Grafing zum Himmel!" So heißt es auf einem Flugblatt, das seit einigen Tagen in verschiedenen Grafinger Supermärkten ausliegt. Die anonymen Verfasser werfen der "völlig inkompetenten Kirchenverwaltung" Geldverschwendung, Geheimniskrämerei und Ignoranz vor, außerdem rufen sie alle Grafinger auf, sich "endlich zu wehren". Damit hat der Streit um die Renovierung der katholischen Pfarrkirche, kurz nach dem Weggang von Pfarrer Hermann Schlicker, einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Betroffenen - das Ordinariat, der Ebersberger Dekan, der derzeit auch für die Grafinger Pfarrei zuständig ist, und die Kirchenverwaltung - haben jedoch beschlossen, nicht auf das Flugblatt zu reagieren. "Was bringt es denn, diesen Halbwahrheiten und Fehlinformationen zu widersprechen?", sagt Dekan Josef Riedl. "Die, die der Pfarrei nahe stehen, wissen, dass das Unfug ist, und für alle anderen stünde ja dann doch nur Aussage gegen Aussage." Deswegen werde man die Vorwürfe offiziell nicht kommentieren. Riedl selbst will sich jetzt erst einmal mit dem Stand der Dinge vertraut machen, dann, vermutlich im Dezember, soll es eine Pfarrversammlung geben, bei der das Thema offen diskutiert wird. "Wir müssen die Gerüchteküche endlich beenden", so Riedl. "Polemik hilft uns da nicht weiter."

Die große Pfarrkirche Sankt Ägidius wird bereits seit einigen Jahren saniert, die Arbeiten an der Fassade samt Turm sind abgeschlossen, das Kirchenschiff im Inneren wurde frisch gestrichen. Was nun noch fehlt, ist der Altarraum, das Herzstück jeder Kirche. Vor allem an der Frage seiner Gestaltung erhitzen sich denn auch die Grafinger Gemüter. "Die einen sagen, da muss gar nichts neu gemacht werden, die anderen erachten eine umfangreiche Renovierung als notwendig", erklärt der Pfarrgemeinderat Hans Rombeck die Situation. Nicht einfacher wird es dadurch, dass dabei das Ordinariat als Geldgeber ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hat. Die vielen Beteiligten sind auch der Grund, warum sich die Renovierung so hinzieht. "Ich habe mir das vorher auch nicht vorstellen können, aber es ist wirklich ein sehr kompliziertes Verfahren", sagt Max Graf von Rechberg, Mitglied der Kirchenverwaltung. "Und wenn nichts vorwärts geht, ist das natürlich belastend", so Riedl.

Grafing: Nicht in diesem "Kümmerkasten" an der Kirche eingeworfen, sondern in den Supermärkten ausgelegt wurde das anonym verfasste Flugblatt.

Nicht in diesem "Kümmerkasten" an der Kirche eingeworfen, sondern in den Supermärkten ausgelegt wurde das anonym verfasste Flugblatt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Verfasser des Flugblatts warnen jedenfalls vor einer "Mogelpackung": einer millionenteuren Umgestaltung - "ohne Heiligenfiguren, dafür mit bühnenartigem Holzboden, modernem Ambo und modernen Sitzen". Doch die Mitglieder der Kirchenverwaltung betonen, dass noch gar nicht klar sei, wie das Resultat der Renovierung aussehen soll. Dekan Riedl etwa erklärt: "So, wie es ist, kann es nicht bleiben - doch bevor wir anfangen, brauchen wir ein Gesamtkonzept." Und auch Kirchenpfleger Heinrich Hölzle sagt: "Es liegt bislang nur die Genehmigung dafür vor, der Rest ist noch völlig offen", insofern seien auch die Kosten von einer Million Euro völlig aus der Luft gegriffen. Genauso wie der Vorwurf, die Spenden würden an anderer Stelle "zum Kirchenfenster hinausgeworfen": Die Gelder seien zweckgebunden und lägen bereit. Ein Streitpunkt sind auch immer wieder die Figuren, die wegen der Arbeiten an den Innenwänden bereits weichen mussten. Sie würden auf jeden Fall zurückkehren, versichern Dekan und Kirchenverwaltung. "Darum bemühen wir uns sehr."

Wer die Autoren des Flugblatts sind, glauben die Betroffenen zu wissen. "Die Argumente wurden ja schon öfter vorgebracht", sagt Rechberg. Doch da man keine Beweise habe, wolle man niemanden öffentlich beschuldigen. Im Gegenteil: Es sei verständlich, dass "die Volksseele in Wallung" sei, schließlich habe man ein paar diplomatische Fehler gemacht. "Aber wir hoffen, die Menschen in der Pfarrversammlung beruhigen und Verständnis wecken zu können", so Rechberg. Und dann gelte es, herauszufinden, was die Gläubigen wollen, und auf demokratischem Wege zu einer Lösung zu gelangen.

Die Verfasser des Flugblatts hingegen schlagen den Grafingern etwas anderes vor: "Schreibt Briefe an das Ordinariat, spendet keinen Cent mehr, verlangt Eure Spendengelder zurück, beschwert Euch im Pfarrbüro, verlangt die Wiederherstellung Eurer Pfarrkirche und besucht zum Gottesdienst andere Kirchen." Unterzeichnet von: "Engagierte Bürgerinnen und Bürger".

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