Grafing:Ein Hauch von Hambacher Forst

Grafing: Samstagvormittag bei Grafing: Junge Demonstranten vom Bund Naturschutz Ebersberg haben für ihren Protest Hängematten in die Bäume gehängt.

Samstagvormittag bei Grafing: Junge Demonstranten vom Bund Naturschutz Ebersberg haben für ihren Protest Hängematten in die Bäume gehängt.

(Foto: Christian Endt)

Nachdem sich mehr als 3300 Menschen bereits an einer Petition beteiligt haben, demonstrieren am Samstag etwa 200 Menschen für den Erhalt der alten Eichen: "Baumhäuser sind auch schon in Planung."

Von Franziska Langhammer, Grafing

Das Wetter an diesem Samstag Mittag könnte nicht symbolträchtiger sein: Eine schwere Gewitterwolke zieht aus der Ferne heran, ab und zu lässt sich Donnergrollen vernehmen. Es braut sich etwas zusammen, das viele hier als Unheil empfinden. Und so ist die Stimmung unter den etwa 200 Menschen, die sich Vormittags bei den Eichen unweit des Seeschneider Kreisels vor Grafing versammeln, größtenteils bedrückt - und wütend. Darüber, dass die 300 und 100 Jahre alten Bäume einer Neutrassierung der Straße Richtung Nettelkofen weichen sollen, inklusive neuem Rad- und Gehweg.

Absperrbänder sind auf dem Boden ausgelegt, Banner werden entrollt mit Aufschriften wie "Heute macht ihr eine Eiche kalt - morgen einen ganzen Wald". Das Publikum ist gemischt: Kinder malen mit Kreide auf eine Tafel, Jugendliche unterhalten sich angeregt, ältere Menschen blicken sorgenvoll auf die Bäume, viele tragen Mundschutz. Die meisten sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad hier. Organisiert hat die Kundgebung die Ortsgruppe des Bund Naturschutz (BN) Grafing, unterstützt wurde sie dabei unter anderem von den Grünen im Landkreis Ebersberg, der Grünen Jugend im Landkreis, der SPD, der ÖDP, der Bayernpartei, der Landesbund für Vogelschutz und dem Kreisheimatpfleger.

Nach dem Grußwort von Organisator Klaus Grünebach geben sich die Redner das Mikrofon in die Hand, beziehungsweise die Tüte: Wegen Corona muss das Mikro bei jedem neuen Redner neu bezogen werden. Schnell wird klar, dass es bei dieser Demonstration nicht nur um die Fällung der beiden Eichen geht, sondern um eine weltweit verfehlte Klimapolitik. Unausgesprochen steht die Frage im Wald: Was erwartet uns, wenn wir dieses Vorhaben hier in Grafing, direkt vor unserer Haustür schon nicht abwehren können?

Den Anfang der Redner macht Björn Walz, Klimaexperte aus der Region, der erst einmal Fakten präsentiert: In den vergangenen 150 Jahren sei der CO2-Gehalt in der Atmosphäre um 50 Prozent angestiegen. "Es gilt jetzt dringend zu handeln", sagt er. Eine Möglichkeit sei, Bäume zu pflanzen, welche das CO2 aus der Atmosphäre herausfiltern. "Man müsste weltweit aufforsten statt abholzen", so Walz. "Die Fällung des Baumes ist unsinnig."

Waltraud Gruber, die Fraktionssprecherin der Grünen im Kreistag, adressiert die Entscheidungsträger in dieser Sache: "Der Landkreis Ebersberg kann seine Planung noch ändern. Geht nicht, gilt nicht!" Auch Bianka Poschenrieder (SPD), die Zweite Bürgermeisterin Zornedings, empört sich über die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises, welche ihre Zustimmung zu der Fällaktion gegeben hat. Buh-Rufe machen die Runde. "Da werden lieber 650000 Euro an Fördermitteln kassiert", ruft Poschenrieder. Sie bezieht sich auf die staatlichen Zuschüsse für das Bauprojekt.

Eine der jüngsten Rednerinnen muss auf ein Treppchen steigen, um ans Mikro zu kommen: Rosamund Schmid ist zehn Jahre alt und erzählt, dass sie Landrat Robert Niedergesäß (CSU) einen Brief geschickt habe. Er habe geantwortet, dass er keine Alternative hätte. "Ich finde, dass er sich nicht genug Mühe macht", sagt Rosamund unter Applaus.

Spontan hält auch Christian Felber, ein bekannter politischer Vordenker, eine Rede. Der ursprünglich nur im Tierreich grassierender Virus wäre nie auf den Menschen übergesprungen, wäre der nicht so weit in den Lebensraum der Tiere eingedrungen. sagt er. Felbers These: "Corona gäbe es nicht, wenn wir pfleglicher umgehen würden mit der Umwelt."

"Wir sind laut und stark geworden", sagt Charlotte Schmid, ÖDP-Mitglied und Initiatorin der Online-Petition zum Erhalt der Eiche. Über 3300 Stimmen hätte die Petition bereits erreicht. Schmid zitiert einen Kommentar aus der Petition: "Weil sich der Baum nicht wehren kann." An die Schülerproteste der vergangenen Jahre gegen die Klimapolitik erinnert Tobias Manegold, Sprecher der Grünen Jugend Ebersberg. Umso mehr wundere es ihn, dass die Politiker nun nicht die Chance ergreifen, etwas dafür zu tun. Manegold zeigt auf die Hängematten, die bereits an der älteren Eiche baumeln: "Wenn die Politik nicht zum Handeln bereit ist: Die Hängematten hängen schon. Baumhäuser sind auch schon in Planung." Ein Hauch des Widerstands vom Hambacher Forst liegt in der Luft.

Zum Abschluss soll eine Menschenkette die Entschlossenheit der Demonstranten verbildlichen. Ob sie Gehör finden, wird sich am kommenden Dienstag zeigen. Dann wird der zuständige Arbeitskreis darüber verhandeln, ob die Eichen stehen bleiben dürfen oder nicht.

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