Kultur im Landkreis:Neuer Raum, altes Glück

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Die beliebte Reihe "Jam-Sessions - Jazz bei Mala", hier im vergangenen Mai mit dem Minchan Kim-Quartet, wird heuer fortgesetzt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Grafinger Jazzer kehren nach zwei Jahren zu ihren monatlichen Jam-Sessions zurück - und finden dafür in Ebersberg ein neues, formidables Quartier.

Von   Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

"Lieber nach Ebersberg ausweichen, als noch ein Jahr warten." Außenstehende mögen leichte Ironie herausgehört haben aus den Begrüßungsworten von Frank Haschler im Café Mala zur 131. Session-Nacht des Vereins Jazz Grafing. Aber ein Blick in die voller Freude strahlenden Mienen der Anwesenden genauso wie in die Chroniken von "EBE Jazz" beweisen hinreichend, dass es hier nicht um Gemarkungen geht, sondern um die Lust auf und an Musik. Mag auch die Turmstube als traditionelles Quartier noch eine Zeitlang wegen Renovierung geschlossen sein, und mag auch der übliche Termin jetzt auf den zweiten Freitag im Monat gerutscht sein: The Jazz goes on - und das ist gut so nach zwei Jahren Enthaltsamkeit, nach einer langen Fermate, die am 27. Februar 2020 begann.

Die Akustik der neuen Spielstätte ist uneingeschränkt Jazz-tauglich

Das neue Jam-Lokal am Klosterbauhof erweist sich, soviel vorweg, als perfekte Alternative. Es ist ausreichend Platz fürs Publikum, wenngleich kein Platz im "Mala" unbesetzt blieb. Die Akustik ist uneingeschränkt Jazz-tauglich, es gibt keine schlechten Plätze zum Zuhören. Auch Stauraum für die mitgebrachten Instrumente für die Jam-Session im zweiten Teil des Abends ist ausreichend vorhanden. Nur beim Zuschauen ist manchmal eine Säule oder eine Zapfanlage im Weg, aber was stört das einen wahren Jazzfreund? Dafür bekommt die eine oder der andere draußen im Vorübergehen eher etwas von der Musik mit und fühlt sich angeregt, mit dabei zu sein.

Dazu tragen denn Ensembles wie das Minchan-Kim-Quartet bei, die als Opening Act das erste Set des Freitagabends übernehmen. Für viele im Saal sind die Musiker dieser ersten Session keine Unbekannten, denn sowohl Namensgeber und Schlagzeuger Minchan Kim aus Südkorea, als auch Tovcho Tsolmonbayar am Bass und Ootgo Amgalanbaatar am Sax, beide aus Ulanbataar/Mongolei, sowie den Augsburger Pianisten Theo Kollross hat man bereits in unterschiedlichen Besetzungen in Grafing und Ebersberg gehört. Sie stehen, jeder für sich und alle zusammen, für einen elegant-inspirierten Sound, alters- und grenzenlos im lustvollen Umgang mit den Instrumenten. Da kann ein Stück auch mal zehn, zwölf Minuten dauern, ohne dass sich die Gedanken im Kreis drehen oder die Neugier erlischt, womit die vier einen denn als nächstes überraschen wollen.

Das "Minchan-Kim-Quartet" steht für einen elegant-inspirierten Sound, alters- und grenzenlos im lustvollen Umgang mit den Instrumenten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kollross, wie ein Leichtathletik-Sprinter zuerst locker am Start tänzelnd, bringt Spurts mit einer Kraft und einem Tempo auf die Tastatur, dass man genau hinschaut, ob das Klavier tatsächlich noch am Boden stehen bleibt. Bassist Tovcho erweist sich einmal mehr als inspirierter Wolkenmaler, der seine Bilder mal sanft über den Himmel ziehen lässt, mal massiv zu einem Klanggewitter bündelt. Saxofonist Ootgo gibt - ohne falsche Lässigkeit - den Fels in der Brandung, auf den Punkt genau präsent, wenn es gilt, im Rauschen des Ozeans markante Signale zu setzen oder dem rein instrumentalen Klang des Quartetts die Ahnung einer Singstimme zu schenken. Der Bandleader am Schlagzeug schließlich ist Souverän und Zauberer zugleich, einer, bei dem man blind darauf vertrauen kann, dass die Akzente, die er setzt, und die Tempi, die er variiert, das Gerechteste sind, was dem jeweiligen Stück zuteil werden kann - und die zugleich jene Magie versprühen, dass man sich vornimmt, diese Nummer nur noch so hören zu wollen und nie mehr anders.

Die charakteristische Prägung des Quartetts geht so weit, dass selbst derjenige, der die Musiker über die Jahre als Lehrer und Inspirator begleitet hat, mit Anerkennung nicht zurückhält: Martin Zenker, lange Zeit sowohl in Südkorea wie in der Mongolei als Botschafter einer jungen Jazzkultur unterwegs, hat sich zwar im Hintergrund des Lokals platziert, ist aber dann von den individuellen wie gemeinschaftlichen Interpretationen sichtlich mitgerissen - und einer der intensivsten Applausgeber in einem sowieso schon entflammten Publikum.

Bis um viertel nach elf spielen sich die Alt-Stars der Grafinger Szene sowie einige überraschende Gäste die Melodien zu

Angesichts der Jazz-Enthaltsamkeit der vergangenen zwei Jahre hätte wohl schon ein kleiner Funke genügt, um die anwesende Gemeinde zu entzünden. Was aber an diesem Abend geschah, war ein Feuerwerk von pfingstlicher Qualität. Das ist ja gerade das Schöne am Jazz, dass er eine Teilhabe zulässt, die über das reine Zuhören hinausgeht. Diese Musik ist immer auch eine körperliche Erfahrung. Das merkte man dem Quartett an, das mit leichten Händen und langem Atem die Seele der einzelnen Stücke enthüllte und neu kleidete - das prägte aber auch das zweite Set nach der Pause, die Jam-Session.

Bis um viertel nach elf spielten sich die Alt-Stars der Grafinger Szene sowie einige überraschende Gäste die Melodien zu, allen voran die umwerfend gut aufgelegte Sängerin Buren Ireedui aka "Future". Dazu: Wolfgang Hanninger, Dozent für Saxophon aus Burghausen, Martin Wessalowksi, Gitarrist aus Freising, und Sepp Schmölz, Trompeter aus Alxing, liefen gemeinsam mit Percussionist Frank Haschler, Joachim Jann am Altsax, Wolfi aus Pöring am Tenorsax und den beiden Kontrabassisten Martin Zenker und Christian Schanz zur Höchstform auf. Das Gespür füreinander, das Hineinfinden in Melodien und Rhythmen, das gefühlvolle Umschalten von Führen auf Begleiten, die Hingabe an kleine und große Ideen: Was über viele Jahre in die Jazz-DNA echter Liebhaber hineingesickert ist, wacht in aller Kraft und Leidenschaft wieder auf, wenn der Prinz "Livekonzert" die schlummernde Prinzessin weckt.

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