Süddeutsche Zeitung

Krise als Chance:Start-up in der Pandemie

Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise haben zwei Unternehmer in Grafing eine Fabrik für Gesichtsmasken gegründet

Von Florian Kappelsberger, Grafing

In hohem Tempo führen die metallenen Maschinen hinter den Glasscheiben einen Schritt nach dem anderen aus: Zuerst werden drei Kunststoffschichten zusammengelegt und verschweißt, ein Nasendraht wird eingeführt, eine Walze prägt das Firmenlogo ein. Der Stoff wird gefaltet und geteilt, dann fügt die Anlage den Faden für die Ohrenbänder an. Was hier entstanden ist und sich am Ende in vielfacher Ausführung auf dem Fließband stapelt, hat das Bild der vergangenen Monate wie kaum ein anderes geprägt: eine hellblaue Maske für das Gesicht.

Etwa achtzig Stück entstehen pro Minute in der Deutschen Maskenfabrik, die vor einigen Wochen im Schammacher Feld mit der Produktion begonnen hat. Die beiden Gründer Andreas Mühlberger und Christian Herzog führen sichtlich stolz durch die geräumige Halle, die sie innerhalb weniger Wochen eingerichtet haben.

Die Idee sei auf dem Höhepunkt der Coronakrise entstanden, als es in Deutschland zu Engpässen in der Maskenversorgung kam, erklärt Mühlberger. Als Geschäftsführer eines Unternehmens im Medizinfachhandel hatte er erfolglos versucht, Masken aus China zu importieren - daher die Idee, sie hier selbst zu produzieren. Innerhalb kürzester Zeit gründete er mit Christian Herzog die gemeinsame Firma. Sie erwarben die nötigen Maschinen und begannen mit der Produktion - gefördert durch ein Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, das die Unabhängigkeit Deutschlands in der Maskenversorgung sicherstellen soll. "Das war ein Wettlauf mit der Zeit", erzählt Mühlberger. Heute beschäftigt die Fabrik drei Mitarbeiter, die die Maschinen betreuen und für die Logistik zuständig sind.

Die beiden Gründer erklären den Aufbau der Masken. Die Außen- und Innenseiten bestehen aus Spinnvlies, das die Maske stabilisiert. Dazwischen befindet sich ein Filtervlies aus schmelzgesponnenen und elektrostatisch aufgeladenen Mikrofasern, das für die Schutzwirkung der Masken sorgt. Diese Schicht ist extrem fein verarbeitet, um Bakterien und Viren zu filtern: So müssen zertifizierte Masken zwar luftdurchlässig, aber gleichzeitig wasserdicht sein - ein einfacher Test genügt, um ihre Qualität zu prüfen, den Andreas Mühlberger demonstriert. Was die Deutsche Maskenfabrik von den meisten Konkurrenten unterscheidet: Die Materialien werden ausschließlich in Deutschland bezogen.

Mit den Kampfpreisen internationaler Hersteller lässt sich damit nicht konkurrieren - darum geht es den beiden Geschäftsführern aber auch nicht. "Für mich ist es ein bisschen wie Bio", sagt Christian Herzog, der als Manager für ein IT-Unternehmen tätig war. Man setze einerseits auf die hohe Qualität der Materialien, andererseits habe man auch daran gefeilt, den Tragekomfort zu maximieren. Gerade Menschen, für die die Maske zum Berufsalltag gehört, wüssten das besonders zu schätzen und seien deshalb bereit, für hochwertigen Schutz auch mehr zu bezahlen.

Mühlberger stimmt zu. Zwar gebe es einige, die schlicht eine beliebige Maske tragen, um ein Bußgeld zu vermeiden. Nichtsdestotrotz habe er den Eindruck, dass im Moment bei vielen ein Bewusstsein für die Qualität der Materialien und ihre Bedeutung für den Infektionsschutz wächst. Man habe den Firmennamen auch deshalb gewählt, um sich explizit von anderen Anbietern auf dem Markt abzugrenzen und um Transparenz, Sicherheit und Verlässlichkeit zu signalisieren - in der Hoffnung, damit eine Marke zu etablieren.

Die junge Firma vertreibt ihr Produkt über Partnerunternehmen im medizinischen Fachhandel, aber auch über den klassischen Direktvertrieb. So können Einrichtungen wie Pflegeheime oder Krankenhäuser, aber auch Firmen und Privatpersonen direkt beim Hersteller ordern, was bisher aber nur einen relativ kleinen Teil des Absatzes ausmacht. Der direkte Draht sei nichtsdestotrotz enorm wichtig, betonen die Gründer, um unmittelbar Feedback zum Produkt zu erhalten und es in die Produktion einbeziehen zu können.

Die so genannten Alltagsmasken sieht Andreas Mühlberger zwiespältig. Sie seien während des Engpasses in der Maskenversorgung zwar eine wichtige Notlösung gewesen und hätten enorm dazu beigetragen, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Insgesamt sei die Schutzleistung von selbst genähten Stoffmasken im Vergleich zu zertifizierten Masken allerdings erwiesenermaßen deutlich geringer. Gerade im Schulalltag oder in sozialen Berufen könne dies problematisch sein: "Eine Stoffmaske halte ich da für bedenklich, wenn nicht sogar gefährlich."

Gleich zu Beginn ihres Projekts haben sich die beiden Gründer deshalb entschlossen, die lokalen Schulen mit einer Spende zertifizierter Masken zu unterstützen. In einer Online-Umfrage konnten Eltern jeweils für die Einrichtungen ihrer Kinder abstimmen, schließlich hatte die Firma eine Spende von insgesamt 21 000 Masken an sieben Schulen in der Umgebung geplant. Die Aktion wurde jedoch vom Bayerischen Kultusministerium blockiert, das auf das schulische Werbungsverbot verwies. Über diese Entscheidung sei man sehr enttäuscht gewesen, sagt Mühlberger offen. Nichtsdestotrotz wolle man von dem Vorhaben nicht abrücken und die versprochenen Masken spenden. In den vergangenen Wochen haben die Firmengründer sich dafür eingesetzt, ihre Spendenaktion auf kommunaler Ebene doch noch ins Laufen zu bringen: Sie werden die Masken jetzt direkt an Bürgermeister übergeben, die sie dann an kommunale Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten und Altenheime verteilen können. In zwei Kommunen waren sie schon erfolgreich, wie Mühlberger erklärt: "Grafing ist erledigt, Grasbrunn ist erledigt - mit den anderen reden wir noch."

Die Unternehmer sind allerdings auch schon mit Corona-Skeptikern aus der Umgebung in Berührung gekommen, wie Mühlberger berichtet: "Es gibt hier ganz massive Maskengegner." So hätten sie unmittelbar nach der Gründung der Firma online Hass-Kommentare bekommen, Mühlberger und Herzog wurden als Verbrecher und Teil einer obskuren Verschwörung beschimpft. Diese Beiträge habe man mittlerweile löschen lassen, erklärt Mühlberger. Er persönlich sei fest davon überzeugt, dass die Entscheidungen der Regierung in der Krise richtig und enorm wichtig waren - und dass die Verschwörungstheoretiker früher oder später verschwinden werden.

Die beiden Geschäftsführer hoffen, demnächst weitere Anlagen ausbauen, zusätzliche Mitarbeiter einstellen und die Produktion stärker automatisieren zu können. "Wir folgen da dem bayerischen Knödelansatz", erklärt Mühlberger schmunzelnd: Man könne nicht alle Knödel auf einmal essen, sondern immer nur nacheinander. Immer wieder deuten die Gründer auch Ideen für die Weiterentwicklung des Produkts an: Ein Verkauf von Masken in handlichen Einheiten von drei oder fünf Stück, etwa im Theater oder an der Tankstelle, die individuelle Gestaltung der Farbe, die Bedruckung mit Logos oder ein eingebauter Feuchtigkeitsindikator, der anzeigt, wann die Maske zu wechseln ist. Aber es gilt weiterhin: Schritt für Schritt - ein Knödel nach dem anderen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5091511
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.10.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.