Süddeutsche Zeitung

Grafing:Die Gailtalerin ist wieder da

Sebastian Schlagenhaufer inszeniert mit dem Grenztheater "Ludwigs Erben" Wolfgang Ambros' Musical "Watzmann". Nach gelungener Generalprobe ist an diesem Freitag Premiere in der Grafinger Stadthalle.

Von Johannes Hirschlach, Grafing

Sie ist wieder da, die Gailtalerin, nymphomanische Hauptfigur in Wolfgang Ambros' Kultstück "Der Watzmann ruft". Als Personifikation geballter Weiblichkeit ist sie der Gegenpart zum Watzmann, zum Berg, auf den die Männer "auffi" müssen, ihn sollen sie bezwingen, um sich zu beweisen. Wer ihn besteigt, so heißt es in Ambros' Singstück, imponiert den Damen, und besonders der Gailtalerin. Wenn der beschwerliche Aufstieg nur nicht so vielen den Tod bringen würde. Und so zittern sie vor der Wut des Watzmanns.

Dieser Berg hat Sebastian Schlagenhaufer früh in seinen Bann gezogen. Der künstlerische Leiter der Stadthalle Grafing sagt, er habe "schon lange im Kopf", das selbstironische Alpendrama, entstanden aus einem Konzeptalbum von Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz, zu inszenieren. Das "Grenztheater Ludwigs Erben" hat ihm nun die Möglichkeit geboten, sich diesen Wunsch zu erfüllen.

Nach dem "Jennerwein" und "Der Ziefern Zähmung", angelehnt an Shakespeares ähnlich lautendes Schauspiel, bringt das Ensemble nun also den Watzmann auf die Bühne. Am Mittwoch war die Generalprobe, von Freitag an ruft der Berg im Saal der Stadthalle, dann hat das Werk Premiere. Die Livemusik kommt von W.A.T. - die Abkürzung steht für "Wolfgang Ambros Tribute".

Sebastian Schlagenhaufer spielt selbst mit

Schlagenhaufer selbst spielt Gitarre, singt und gibt den Erzähler mitsamt des geheimnisvoll grummelnden Tonfalls eines Schauergeschichten erzählenden Großvaters. Der Watzmann, Sinnbild für Begierde und Grusel zugleich, ragt majestätisch über den Köpfen der Schauspieler empor, das Bühnenbild stammt von Waltraud Fichter. Je nach Beleuchtung wirkt er verheißungsvoll oder bedrohlich. Nebelschwaden umwabern den Gipfel, die Gesamtkomposition erinnert an ein Bild des Romantikmalers Caspar David Friedrich.

Man muss kein Alpenrock-Fan sein, um der beeindruckenden Szenerie und dem unterhaltsamen Stück etwas abzugewinnen. Unter Donnerkrachen schaufeln der Vater (Gerhard Geiselhöringer) und sein Bub (Ferdinand Maurer) Suppe in sich hinein. Es beginnt ein Bergbauerndrama, das eigentlich keines ist. Trifft doch im Originalstück, wie auch in Schlagenhaufers Inszenierung, melodramatische Alpentragik auf bissige Komödie.

Der Bub spürt den Donnerhall des Watzmanns, hinauf zieht es ihn, und der Vater will das um jeden Preis verhindern. Die Tragödie entwickelt sich wie im Original zur Groteske, als letztlich die Gailtalerin den Ausschlag gibt, indem sie den Bub hinauftreibt. Sie, die weibliche Provinzschönheit, ist traditionell männlich besetzt, auch bei Schlagenhaufer.

Die Gailtalerin lüpft das Dirndl

Fritz Katterlohr wirft sich mit Inbrunst in die Rolle: Er spielt die Verführerische, nestelt am ausgestopften Dekolleté, lüpft das Dirndl und bandelt erotisch plump mit dem Burschen an. Kaum zu glauben, dass diese absurde Szene der Gailtalerin mal wieder zum Erfolg gereichen soll.

Nicht alle Elemente des Stücks zünden derartig gelungen. So mancher Witz, der schon in der Urfassung vorkommt, verpufft. Es ist einfach nur unappetitlich, wenn der Knecht einen Rossapfel verspeist. Da sich das Schauspiel des Grenztheaters nahe am Original bewegt, bleiben auch diese kleinen Schwächen erhalten. Dabei sind die Knechte des Bauern mit Florian Urban und dem doppelt auftretenden Ferdinand Maurer ideal besetzt.

Urban verleiht seiner Figur in einer modisch gewagten Kombination aus Feinripp und Lederhose eine herrlich tumbe, proletenhafte Attitüde - und setzt mit seiner demonstrativen Faulheit einen amüsanten Kontrast zum wild gewordenen Sohn des Bergbauern. "Auffi oder nit auffi?" Wie mögen sich Bauer, Bua und Knechte entscheiden, im Angesicht des Bergs? Sicher ist in diesem Stück nur eines: Runter kommen sie alle.

Die Vorführungen finden am Freitag und Samstag, 7. und 8. Oktober, sowie Wochenende, 14. und 15. Oktober, jeweils 20 Uhr in der Stadthalle Grafing statt, Tickets unter www.ticket-regional.de

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SZ vom 07.10.2016/koei
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