Grafing:Das frühere VHS-Gebäude verfällt vor sich hin

Verrottung Rotterstraße 8 - RO8 Grafing

Die Fassade des früheren Grafinger VHS-Gebäudes in der Rotter Straße sieht an vielen Stellen nicht mehr schön aus.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Und das, obwohl es in der Rotter Straße 8 in bester Innenstadtlage steht. Grafings Politiker haben sich damit arrangiert, niemand wagt neue Pläne. Warum eigentlich?

Von Thorsten Rienth, Grafing

Wenn eine kleine Runde in den großen Grafinger Rathaussitzungssaal gerufen wird, ist der Anlass ein wichtiger. Am 21. Juni war ein solcher. Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) lud die Jugendsprecher der Stadtratsfraktionen ein und Lukas Müller, den Chef der Jugendinitiative Grafing (JIG). Dazu stießen noch Jugendpfleger Himo Al-Kass und Yvonne Magdon aus dem Bauamt. "Wegen der weiteren Planungen zum Thema Rotter Straße 8 - JIG", schrieb Obermayr in der Einladung.

Fast genau einen Monat zuvor - und auch erst auf Nachfrage - hatte sie für ihre Stadt extrem unangenehme Nachrichten zu verkünden: Es würde nichts werden mit den erhofften knapp zwei Millionen Euro aus der Städtebauförderung. Mit dem Zuschlag wollte Grafing die Sanierung seines alten Schulhauses in der Rotter Straße 8, kurz RO8, finanzierbar machen.

Eine Kombination aus Sozialwohnungen, solchen für anerkannte Asylbewerber und Räumen für die Jugendinitiative peilte die Stadt an. Doch das ließ sich selbst mit Mühen nicht in die Förderungskriterien des Soziale-Stadt-Programms pressen. Damit war der bislang letzte Grafinger Versuch gescheitert, sein RO8- Drama doch noch irgendwie zu einem guten Ende zu bringen.

Zeit würde es ja. Größtenteils brandschutzgesperrt rottet die frühere Grafinger VHS- und Musikschulzentrale seit Dezember 2008 vor sich hin. Nur das Erdgeschoss darf noch genutzt werden. Dort befindet sich der Übungsraum des Grafinger Jugendorchesters. Daneben ist die Jugendinitiative Grafing (JIG) zuhause. Bei ihr musste die Stadt im Frühjahr die Wasserversorgung erneuern, dieser Tage ist die Heizung an der Reihe.

Die Rotterstraße 8 schaffte es zuletzt nie auf die Tagesordnung des Stadtrats

Seit dem Krisentreffen im Juni lud das Rathaus zu drei Stadtratssitzungen ein. Nicht ein einziges Mal schaffte es die RO8 auf die Tagesordnung. Das lässt zwei Schlüsse zu: Entweder, es gibt nichts mehr zu erzählen. Oder die Bauruine in bester Grafinger Innenstadtlage ist den lokalpolitischen Akteuren nicht wichtig genug. Als würde sich die Sache selbst regeln, irgendwie, irgendwann.

"Es herrscht Furcht vor dem Thema", analysiert einer, der guten Einblick in den Grafinger Politbetrieb hat. "Die Rotter Straße 8 ist nicht mehr richtig berechenbar." Niemand wolle seinen Namen mit dem nächsten womöglich scheiternden Plan in Verbindung bringen. Wenn aber gar kein neuer Anlauf gestartet wird, lasse sich hinterher auch niemand für seinen Misserfolg verantwortlich machen.

Zu der These passt, was von dem Rathaustreffen zu hören ist. Als freundlich und offen beschreiben Teilnehmer die Atmosphäre. Inzwischen kenne man sich gut, notgedrungen. Irgendwelche Neuigkeiten? Nein. Vor allem hätten alle alles noch mal erzählt: Die Bürgermeisterin, dass adäquate Räumlichkeiten außer Frage stünden. Stadträte, dass Obermayr in dieser Frage auf eine breite Unterstützung in den verschiedenen Gremien zählen könnte.

Die Jugendlichen, dass sie sich so etwas wie Planungssicherheit wünschten, sprich: Ob sie mit einem, zwei oder drei weiteren Jahren in der Rotter Straße rechnen können. Selbst in der CSU, sozusagen dem konservativen Gegenpol zur linksalternativen Selbstverwaltungsjugend, waren sie danach verwundert, warum die Initiative aufgrund der vielen Unwägbarkeiten nicht schon längst Radau mache.

Die Kosten gehen mittlerweile in die Hunderttausende

Was Grafing in all den Jahren für Planer, Berater und Untersuchungen ausgab, geht mittlerweile in die Hunderttausende. Im Gegenzug würden ja ausgearbeitete Pläne in den Schubladen liegen, betont man im Stadtrat gerne. Tatsächlich wäre für ihre Reaktivierung nicht mehr als ein Stadtratsbeschluss nötig.

Doch so leicht ist es nicht. Der erste Plan, in Grafing auch Beslmüller-Entwurf nach dem gleichnamigen Architekten genannt, sieht eine Aufteilung des Hauses in Musikschule und JIG vor. Doch dieser Plan ist über vier Jahre alt. Mittlerweile sind Teile der Musikschule im Haschler-Turm. Im JIG regiert inzwischen die übernächste Generation an Verantwortlichen. Ob sie immer noch so nett wäre, ihren Veranstaltungsraum der Stadt zuliebe zu opfern?

Die andere Option wären die Pläne aus der gescheiterten Soziale-Stadt-Bewerbung. Grafing könnte sie freilich auch ohne die Städtebauförderung umsetzen. Die Stadt hätte dann die kompletten Kosten - zuletzt waren 2,5 Millionen Euro veranschlagt - selbst aufzubringen. Das Projekt wäre eine Frage der politischen Priorität.

Was immer Grafing aus der Schublade zieht: Es setzt voraus, dass das Gebäude aus dem vorletzten Jahrhundert überhaupt noch sanierbar ist. Im Jahr 2014 hatte es dazu eine groß angelegte Untersuchung gegeben. Das Haus sei zwar alt, attestierten die Gutachter, aber die Sanierbarkeit durchaus gegeben. Doch gilt das auch noch drei oder vier Jahre später, solange das größtenteils ungeheizte Gebäude Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt war?

Um diejenigen, die in der Vergangenheit etwas aus der Rotter Straße 8 machen wollten, ist es im Stadtrat merklich ruhig geworden. Nicht einmal hinter den Kulissen werden noch Szenarien durchgespielt. Das spielt denen in die Hände, die das Gebäude insgeheim am liebsten abreißen und den Grund meistbietend verkaufen würden.

Die Zeit spielt für sie. Je länger die RO8 vor sich hin verfällt, desto wahrscheinlicher wird, dass sich das Haus bei einem neuerlichen Test als gar nicht mehr sanierbar herausstellt. Der Druck auf eine schnelle politische Lösung wäre dann enorm. Und wenn es schnell gehen muss, ist der Verkauf an einen Investor die am wenigsten riskante Option. Ob es städtebaulich auch die sinnvollste wäre, ist eine andere Frage. Aber auch die möchte zurzeit lieber niemand stellen.

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