Grafing:Zwischen Original und Kopie liegen 385 Jahre

Grafing Votivtafel Schwedenkapelle restauriert.; votiv

Hätten Sie es erkannt? Links die Replik, rechts das Original: Die Grafinger Votivtafel in der Schwedenkapelle.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Bild hing seit Anfang des 17. Jahrhunderts in der Grafinger Schwedenkapelle. Jetzt wurde es ersetzt - durch eine perfekte Replik.

Von Konstantin Schätz, Grafing

Zwei Bilder, eine Handvoll Leute und immer die gleiche Frage: "Und was ist jetzt das Original?" Durchaus berechtigt kamen die anwesenden Personen - unter ihnen auch die Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr - immer wieder durcheinander. Denn die beiden Bilder, die kürzlich im Grafinger Museum nebeneinandergestellt wurden, wirkten auf die meisten Besucher absolut identisch. Dabei ist eines der beiden, welches bislang in der Schwedenkapelle zu sehen war, einige hundert Jahre alt. Das andere, ein Replikat, existiert erst seit einigen Wochen.

Identisch wirkten die beiden Bilder zumindest für Laien. Der gleiche Rahmen, der bei genauerer Betrachtung dieselbe Holzstruktur aufweist wie das Original - sogar die Macken des Originalrahmens wurden kopiert. Die gleichen Farben, die Jesus Christus am Kreuz hängend darstellen. Unter ihm ein Ehepaar, das dankend zu ihm aufblickt. Im Hintergrund die brennende Stadt Grafing. Auch die Inschrift unter dem Bild gibt keinen Hinweis darauf, welches der beiden Bilder 385 Jahre alt ist und welches vor gerade einmal ein paar Wochen in einem Fotostudio produziert worden ist. Lediglich kleine Details geben den Hinweis darauf.

Grafing Votivtafel Schwedenkapelle restauriert.

Das Votivbild aus der Schwedenkapelle ist schon zweimal überholt worden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Erst einmal auf die Rückseite schauen", sagte der Grafinger Museumsleiter Bernhard Schäfer und lachte. Er löste schließlich das Rätsel: "Rechts ist das Original." Ausschließlich an der Rückseite und einigen Details, wie dem Schimmern der Farben, wenn Licht darauf fällt, sei es möglich, die beiden Bilder voneinander zu unterscheiden. "Das liegt an den unterschiedlichen Oberflächen", erklärte Wolfgang Fleischmann, der damit beauftragt wurde, das Originalbild aus dem Jahr 1632 zu restaurieren.

Zwei Mal wurde das Grafinger Votivbild - so werden Bilder bezeichnet, mit denen Heiligen nach einer Rettung gedankt wird - überholt. Einmal im Jahr 1846 und "zuletzt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg", erzählte Fleischmann. Seitdem hat der Zahn der Zeit an dem Bild genagt: "Der Leinölfirnis war durch die Oxidation bereits stark vergilbt und fleckig." Ein Prozess, den Museumsleiter Schäfer zukünftig verhindern will.

"Eine schwierige und komplizierte Arbeit"

Grafing Votivtafel Schwedenkapelle restauriert.

Museumsleiter Bernhard Schäfer (l.), Restaurator Wolfgang Fleischmann (Mitte), Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Zweite v. l.), Steven Posavec (Zweiter v. r.) und Ulrike Kunert (rechts) sind gekommen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anlässlich einer Katastrophenausstellung im vergangenen Jahr war Schäfer auf die Idee gekommen, das Bild vor der Witterung zu schützen. Nach Absprache mit den Besitzern der Schwedenkapelle, Angela und Richard Schwarz sowie Steven Posavec, der auch im Museum war, konnte er sein Vorhaben verwirklichen. Das Original wird deshalb zukünftig im ersten Stock des Museums zu finden sein und wird in der kleinen Kapelle durch die Replik ersetzt. Auch für die Anfertigung der Kopie wurde Restaurator Fleischmann beauftragt.

"Das war eine schwierige und komplizierte Arbeit", begann er mit den Ausführungen, wie man sich die Entstehung eines Replikats vorstellen muss. Zusammen mit einem Münchner Fotostudio wurde das Originalbild richtig ausgeleuchtet und abfotografiert, bevor die Farbe des Bildes mithilfe verschiedener Farbtafeln aus Keramik richtig eingestellt wurde. Anschließend wurde das Bild durch ein Pigmentdruckverfahren angefertigt. "Gewöhnliche Tinte bleicht mit der Zeit aus", erklärte Fleischmann das Vorgehen. Das Material des Replikats sei ein Papier "mit altertümlichem Charakter", um möglichst nahe an das Original zu kommen.

Dieser altertümliche Charakter ist auch notwendig. Denn die Geschichte des Bilds geht auf einen Vorfall zurück, der während des Dreißigjährigen Kriegs stattfand. Im Jahr 1632 zündeten schwedische Truppen Markt Grafing an. Lediglich acht Häuser wurden von dem Feuer verschont. Darunter auch das der Familie Erderl, die als Dank, dass ihnen dieses Schicksal erspart blieb, dieses Bild anfertigen und eine Kapelle errichten ließ: die sogenannte Schwedenkapelle, die 1866 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Und auch wenn das original Votivbild jetzt nicht mehr am selben Platz zu finden ist, an dem es von dem Ehepaar Caspar und Katharina Erderl platziert wurde, kann man sich jetzt im Museum darüber freuen, wo das Bild vor dem Zahn der Zeit geschützt ist. Außerdem lässt sich am gewohnten Ort ein Replikat bewundern, dessen Ähnlichkeit der Besitzer der Schwedenkapelle Steven Posavec nur als "faszinierend" bezeichnen konnte.

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