Treffpunkt für pflegende Männer:In gleich gesinnter Runde

Lesezeit: 3 Min.

Die meisten Männer, die zum Treffpunkt in Grafing kommen, kümmern sich um ihre Ehefrauen. (Foto: Westend61/IMAGO)

Mit seinem Treffpunkt für pflegende Männer in Grafing hat Michael Münch einen Ort zum Austausch unter Betroffenen geschaffen – speziell für Männer. Denn die pflegen zumeist anders als Frauen. Was genau heißt das?

Von Mercedes Muth, Grafing

Er war schon bei mehreren Treffpunkten für pflegende Angehörige, doch dort war er immer der einzige Mann, sagt ein Teilnehmer aus Rosenheim. Seitdem er den Treffpunkt nur für pflegende Männer von Michael Münch kenne, komme er immer hier her. Vom Ehepartner, Elternteil oder Geschwisterkind zum pflegenden Angehörigen – auf diesen oft so plötzlichen Umschwung waren viele der hier Anwesenden nicht vorbereitet. Bei dem Treffpunkt der Caritas sitzen die Männer vereint an einem Tisch.

2013 rief Münch den Treffpunkt ins Leben. Mittlerweile ist der Diplom-Pädagoge im Ruhestand – um die Gesprächsrunde kümmert er sich immer noch, nun eben ehrenamtlich. Kommen können zu den Treffen alle, die in die Versorgung und Betreuung einer pflegebedürftigen Person involviert sind – Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, egal wer. Nur männlich muss man sein. „Uns gibt es jetzt das elfte Jahr“, sagt Münch, „und ich bin stolz drauf.“ Stolz vielleicht deshalb, weil es ihm zufolge in ganz Deutschland nur vier solcher Gruppenangebote gibt, die sich ausschließlich an Männer richten – zumindest sind Münch nicht mehr bekannt. Dabei seien sie so wichtig: „Männer pflegen anders als Frauen.“

Monatlich finden die Treffpunkte von Michael Münch für pflegende Männer in Grafing statt – das Angebot wird gern angenommen. (Foto: Christian Endt)

In seiner Rolle als Berater für pflegende Angehörige bei der Caritas hat er gemerkt, dass die Themen, die pflegende Männer beschäftigen, andere sind als bei pflegenden Frauen. Sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Woran liegt das?

Für Münch spielt es eine große Rolle, dass Männer in den meisten Fällen andere Angehörige pflegen als Frauen: Frauen würden überwiegend die eigenen Eltern oder Schwiegereltern versorgen, Männer ihre Ehepartnerinnen. Die soziale Beziehung, die Bindung zur pflegenden Person sei eine andere. Das beeinflusse die Emotionalität, mit der die Pflegenden dem Thema gegenüberstehen – und dementsprechend auch das, was sie beschäftigt.

Die Teilnehmenden der beiden Gruppen haben unterschiedliche Gesprächsbedürfnisse über die gleichen Themen

Münch erlebt das in jedem Monat aufs Neue, denn er leitet auch den Treffpunkt pflegender Angehöriger, zu dem jedoch meistens nur Frauen kämen. Beide Gruppen kommen alle vier Wochen für je zwei Stunden zusammen, für beide bereitet er jedes Mal einen Vortrag vor oder lädt einen Experten ein: von Informationen zum Behindertenausweis über Mobilität im Landkreis Ebersberg bis hin zum Sprechen über ein Leben mit Demenz – die Themen variieren. Doch in beiden Gruppen sind es die gleichen.

Aber: Bei Frauen stehe der Austausch im Vordergrund, sagt Münch, und dieser sei oft emotionaler als bei Männern. So komme es auch mal vor, dass sich ein Thema über zwei Treffen zieht, wenn die Zeit für all die Gespräche nicht ausreicht. Bei den Männern geschehe das eigentlich nie. Zwar sei ihnen der Erfahrungsaustausch ebenfalls wichtig, stehe jedoch eher an zweiter Stelle hinter dem „fachlichen und sachlichen“ Kontext, so Münch weiter. Da zu den offenen Treffpunkten fast nur Frauen kämen und sie dementsprechend die Richtung der Gespräche dominierten, habe er die Erfahrung gemacht, dass sich Männer dort eher unwohl fühlen – die Beratungsbedarfe seien zu unterschiedlich.

Seitdem Michael Münch im Ruhestand ist, leitet er den Treffpunkt für pflegende Männer ehrenamtlich. (Foto: Christian Endt)

Einer der Teilnehmenden beim Treffpunkt für pflegende Männer kommt jedes Mal extra aus Rosenheim nach Grafing angereist. „Am Anfang habe ich Herrn Münch Löcher in den Bauch gefragt“, sagt ein anderer. Seit dem ersten Treffen komme er regelmäßig. Wie die meisten in der Gruppe pflegt er seine Ehefrau. Unter den sieben Männern, die zum Treffen an diesem Tag gekommen sind, ist nur einer, bei dem die zu pflegende Person nicht die Ehepartnerin ist – zusammen mit seinem Bruder kümmert er sich um die gemeinsame Mutter.

Bei den Treffen sind die Teilnehmer unter Gleichgesinnten: Jeder hat Verständnis für die Probleme des anderen, alle teilen ein ähnliches Schicksal – und oft auch die eigene Ratlosigkeit oder den Frust über so manch eine Einrichtung oder Pflegemaßnahmen. Es geht um Sorgen wie zum Beispiel, wer sich um die Ehefrau kümmert, sollte einem selbst mal etwas passieren.

Mit dem Treffpunkt für pflegende Männer hat Michael Münch eine Umgebung geschaffen, in der die Beteiligten erzählen und zuhören – eine wahre Hilfe, die angenommen wird. So saßen in den ersten Jahren meist nur drei oder vier Männer am Tisch, jetzt sind es im Durchschnitt doppelt so viele.

Den Erfolg sieht auch das Bayerische Gesundheitsministerium: Im vergangenen Jahr ist Münch von Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek für sein ehrenamtliches Engagement in der Pflege mit dem „Weißen Engel“ ausgezeichnet worden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMobiler Mittagstisch
:Mehr als nur ein Lieferdienst

Was, wenn Selbstkochen gerade nicht geht? In solchen Fällen bringen viele Nachbarschaftshilfen Mittagsmenüs zu Menschen nach Hause - nicht nur zu Senioren. Auf Tour mit Fahrer Klaus Benner, der nicht nur Essen liefert.

Von Johanna Feckl und Peter Hinz-Rosin

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: