Infostand zum Gedenktag für verstorbene Drogenbrauchende:„Drogentote gibt’s überall“

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2023 wurden in Deutschland so viele Drogentote wie noch nie registriert. (Foto: Felix Zahn/dpa)

Die Zahl der Todesfälle bei Drogenabhängigen steigt in ganz Deutschland. Am Sonntag informiert dazu die Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen in Grafing – Ziel ist, dem Thema die Scham zu nehmen und damit Leben zu retten.

Von Johanna Feckl, Grafing

Deutschlandweit sind im vergangenen Jahr 2227 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen gestorben, wie der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, in einer Pressemitteilung Ende Mai erklärte. Das ist die höchste Zahl, die je registriert wurde. Im Jahr davor waren es 1990 Todesfälle – und vor zehn Jahren waren es etwas mehr als 1000. „Ich befürchte, dass es in der Realität noch mehr Drogentodesfälle gibt – wir haben viel zu wenige toxikologische Gutachten und Obduktionen“, wird Blienert in der Pressemitteilung zitiert. Diesem Trend etwas entgegensetzen möchte der Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende an diesem Sonntag, 21. Juli, mit 93 Aktionen in ganz Deutschland. Im Landkreis Ebersberg lädt die Caritas an diesem Tag zu einem Infostand auf dem Grafinger Marktplatz.

„Wir möchten das Thema auch aufs Land rausholen“, sagt Claudia Hauser von der Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen. „Wir wollen klarmachen: Auch bei uns gibt’s Drogenabhängigkeit.“ Zahlen über Fälle von Drogenkonsumierenden oder Drogentoten für den Landkreis werden nicht erhoben, aber für Hauser ist klar: „Drogentote gibt’s überall – in den Großstädten fällt es nur mehr auf.“

Claudia Hauser ist bei der Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen Teamleiterin der psychosozialen Beratung in der Substitutionsambulanz und als Sozialpädagogin in der Suchtberatung tätig. (Foto: Privat)

Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, das betont die Sozialtherapeutin. „Ja, irgendwann einmal hat jeder davon die Entscheidung getroffen, Drogen zu konsumieren“ – aber sie hat Zweifel, ob diese immer frei getroffen wurden. „Viele schaffen es dann nicht, einen Weg aus der Krankheit oder einen Umgang mit ihr zu finden – sie haben nicht die notwendigen Mittel dazu, nicht das soziale Umfeld, nicht die Unterstützung.“

Ein großes Problem dabei ist Hauser zufolge Scham. „Wir sind überzeugt davon, dass viele es deshalb nicht schaffen, sich Hilfe zu holen.“ Deshalb sei Aufklärung, Information und Prävention so wichtig – und zwar in allen Gesellschaftsschichten.

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Protokoll: Johanna Feckl

Auf dem Infostand am Sonntag möchte das Caritas-Team mit Menschen ins Gespräch kommen. Wer aber nicht reden mag, kann sich auch einfach so Informationen an Pinnwänden durchlesen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, auf einen Zettel seine Gedanken zu formulieren und anzupinnen: Gedanken an einen Drogenabhängigen im Freundeskreis, einen an der Krankheit gestorbenen Menschen oder auch ganz allgemein – ein bisschen wie ein Kondolenzbuch, nur eben an einer Pinnwand. Außerdem wird es für Interessierte ein Quiz geben.

In diesem Jahr findet der Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende zum 27. Mal statt – seit 1998, immer am 21. Juli. An diesem Datum im Jahr 1994 starb in Gladbeck der junge Ingo Marten an einer Überdosis. Unter Mithilfe der Stadt installierte seine Mutter eine Gedenkstätte für ihren Sohn und andere verstorbene Drogengebrauchende. In den nächsten Jahren folgten weitere Orte der Erinnerung. Inzwischen hat sich der Gedenktag laut eigener Aussage der Initiatoren zum „größten bundesweiten Aktions-, Trauer- und Präventionstag im Bereich illegalisierter Drogen entwickelt“. Auch in anderen Ländern wie Spanien, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien, Kanada, Australien oder Schweden finden mittlerweile Aktionen an diesem Tag statt.

Den Infostand der Caritas Fachambulanz für Suchterkrankungen zum Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende am Grafinger Marktplatz können Interessierte am Sonntag, 21. Juli, zwischen 10 und 13 Uhr besuchen.

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