Grafing:Bürger Courage

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Gegen die Vereinfacher wendet sich Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr beim Neujahrsempfang und wirbt für mehr Toleranz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) appelliert beim Neujahrsempfang an menschliches und soziales Engagement - gerne auch lautstark

Von Thorsten Rienth, Grafing

Unsagbares werde sagbar und dann heiße es: Das werde man ja wohl noch sagen dürfen. "Ja, man darf. Ja, man soll sagen dürfen, wenn es Probleme gibt", sagte die Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). "Aber bitte sachlich, höflich, mit Respekt, mit Anstand und all unserer Mitmenschlichkeit." Wo das fehle, sei klare Kante gefragt. Dann brauche es Menschen, die sich hinstellten und sagten: "Jetzt reicht's!" Ihre Neujahrsansprache hat Obermayr zu einem Appell für Weltoffenheit und Toleranz gemacht - um damit Populismus ins Leere laufen zu lassen.

Kein Zweifel, die Welt scheint kompliziert geworden zu sein. Und ja, terroristische Anschläge verunsicherten auch sie selbst. "Es ist aber sehr einfach, die Wahrheit so zu vereinfachen, dass sie schon wieder nicht mehr wahr ist. Oder die Faktenlage einfach zu ignorieren und Angst zu machen", erklärte die Bürgermeisterin am Sonntag beim Neujahrsempfang in der Stadthalle. "Jede Polizei-Statistik sagt uns, dass wir ein sichereres Land sind und jedes Jahr sicherer werden."

Fakten wie diese würden zu oft ignoriert, klagte Obermayr. "Befeuert durch die Kommentarfunktionen in den sozialen Medien und leider auch unterstützt durch die Aussagen von einigen Politikern: Politiker, die ein Problem herbeireden und sich dann gleich selbst als Lösung anbieten. Als Lösung für ein Problem, das nicht existiert." Skepsis sei angebracht, wo jemand mit vermeintlich einfachen Lösungen für komplexe Themen daherkomme.

Verdrehte Tatsachen und ignorierte Wahrheiten bedrücken Obermayr, gerade auch ihrer Kombination mit einem sozialen Aspekt wegen. "Die Verrohung des Umgangs untereinander hat für mich besorgniserregende Ausmaße angenommen: Aussagen, die kalkuliert bisherige Grenzen überschreiten. Kommentare auf Facebook. Mails an die Stadtverwaltung." Was vor kurzem noch "unsäglich" oder "unsagbar" gewesen sei, "das ist plötzlich sagbar". Noch so ein Punkt, wo es im Sinne couragierter Bürger öfters heißen müsse: "Jetzt reicht's!"

Nichts könne darüber hinwegtäuschen, dass Grafing sicher sei. "Und dass es uns hier gut geht", erinnerte Obermayr. Einmal, aus der Perspektive einer Lokalpolitikerin darf dies freilich nicht fehlen, liege das an einer durchdachten Stadtplanung. Grundschule, Kitas, Seniorenheim, Straßen, preisgünstiges Wohnen, der neue Bauhof, Hochwasserplanungen, neue Radlwege wie jener zwischen dem Elisabeth-Kindergarten und Grafing-Bahnhof oder der Lärmschutz entlang der Bahntrasse: "Wir haben wirklich alle Hände voll zu tun." Ausdrücklich lobte Obermayr dabei den Einsatz der CSU-Stimmkreisabgeordneten in Bundes- und Landtag, Andreas Lenz und Thomas Huber. Beide stünden engagiert bereit, sobald auf übergeordneter Ebene Unterstützung nötig sei.

Eine funktionierende Infrastruktur sei aber nichts ohne ein funktionierendes Sozialgefüge. "Menschen, die sich in die Gemeinschaft einbringen, bilden das Grundrauschen einer funktionierenden Gemeinschaft", leitete die Bürgermeisterin zu den obligatorischen Ehrungen über. Vier persönliche waren es in diesem Jahr: Josef und Ulrike Koller für deren Einsatz in der Grafinger Seniorenbetreuung. Brigitte Eben aus der Stadtbücherei. Schließlich Ulrike Kleynmans, eine Aktive aus den BRK-Reihen und allerlei Grafinger Sport- und Kulturprogrammen.

Ursprünglich war Obermayrs Liste länger. "Aber da gab es welche, die ganz bewusst keine Ehrung wollten. Das ist unsere Feuerwehr", erzählte sie. Jene Grafinger "First Responder" hatte Obermayr im Sinn, die im vergangenen Mai noch vor Polizei und Notarzt bei der Messerattacke in Grafing-Bahnhof waren. "Hier Übersicht und Ruhe bewahrt zu haben, verdient unseren höchsten Respekt." Und die beiden Feuerwehrler, die im Sommer bei Starkregen eine Frau in letzter Sekunde aus deren festgesteckten Auto in der überfluteten Gspraiter Unterführung zogen. "Sie wäre sonst ertrunken."

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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