Grafing:Bio, Bauer oder beides

Eine Veranstaltung der Grünen will Öko-Bauern und Verbraucher in Kontakt bringen. Streckenweise wird die Runde zur Selbsthilfegruppe

Von Christian Endt, Grafing

"Ich würde gerne mit einer Glasflasche zum Bauern gehen und Milch holen." Diesen Wunsch äußerte Ottilie Eberl zu Beginn von "Bio sucht Bauer". Darum hat sie die Veranstaltung im Café Glashaus auch organisiert: Wie viele Grafinger kauft Eberl gerne Bio-Lebensmittel. Längst sind die bei jedem Discounter zu bekommen. Das mag eine positive Entwicklung sein, mit den Ursprungsideen der Bio-Bewegung hat es nur am Rande zu tun. Denn dabei geht es auch um das Verhältnis zwischen Bauer und Verbraucher. Die sollen sich, so die Idee, nah sein. Im besten Fall eben so nah, dass man nur kurz über die Straße gehen muss und mit einer Kanne frischer, rahmiger Milch zurück kommt. Allerdings gibt es in der Stadt Grafing samt aller Ortsteile nur drei Bio-Bauern.

Somit verfolgte Eberl mit "Bio sucht Bauer" zwei Ziele: Zum einen möchte sie Verbraucher und Bauern zusammen-, zum anderen letzteren einem Umstieg auf Bio-Landwirtschaft näherbringen. Etwa 40 Leute kamen ins Glashaus, die Hälfte davon Landwirte. Dazu hatte Eberl ihre Parteifreundin Gisela Sengl eingeladen, Landtagsabgeordnete der Grünen. Sengl führt mit ihrem Mann einen Biohof im Chiemgau. In der Grünen-Fraktion ist sie agrarpolitische Sprecherin und zuständig für den Landkreis Ebersberg. In ihrer leidenschaftlichen, frei gehaltenen Ansprache erzählte Sengl von ihren Erfahrungen mit dem eigenen Betrieb. Viele Punkte, die sie ansprach, brannten auch den anwesenden Landwirten auf den Nägeln. Schnell entstand eine Diskussion, die streckenweise Züge einer Therapiesitzung annahm. So sagte Sengl, dass sie die Schweinemast nach drei Jahren wieder aufgeben mussten, wegen verschärfter Vorschriften. Viele der Anwesenden nickten oder berichteten von ähnlichen Erfahrungen.

Womit sich viele der Bauern ebenfalls schwer tun, ist der Vertrieb ihrer Erzeugnisse. Sengl, die inzwischen Gemüse, Getreide und Kartoffeln anbaut, setzt auf Direktvermarktung, auf den eigenen Hofladen also. Das sei aber keine Lösung für jeden, räumte sie selbst ein: "Manche haben es total dick, immer mit irgendwelchen Leuten zu reden." Ein anderes Problem nannte ein Landwirt unter den Gästen: "Wir sind eine Milchviehgegend, Milch kann man nicht direkt vermarkten." Bio-Molkereien gebe es nur wenige. Ein Getreidebauer sagte, dass selbst namhafte Münchner Biobäcker inzwischen lieber Mehl aus Tschechien importieren würden. Ein anderer Bauer möchte sich mit solchen Fragen erst gar nicht befassen: "Ein Landwirt sollte nicht nebenbei noch Werbefachmann machen."

Ein großes Thema waren die Zuschüsse der EU. Während manche verspätete Auszahlungen beklagten, haben andere ein generelles Problem mit den Zahlungen: "In dem Moment, wo man Prämien kriegt, wird man unmündig", sagte eine Bäuerin. Dabei ist längst kein Bauer mehr ohne Subventionen lebensfähig. Ein junger Bauer erzählte vom Umstellen von konventionell auf Bio. Sein Vater, von dem er den Hofübernommen hat, habe gesagt, er könne die Kühe gern auf die Weide lassen, "aber ich fang' die Viecher nicht wieder ein". Ausbildung und Beratung seien vor allem am Wachstum orientiert, da werde man "reingetrieben". Zusammen mit seiner Frau hat sich der junge Mann trotzdem für den ökologischen Weg entschieden.

Ein konventioneller Landwirt sagte, bio und konventionell seien gar nicht so weit auseinander. Er argumentierte allerdings zu unsachlich, um eine Diskussion zu ermöglichen: Was er spritze, sei kein Gift, sondern Pflanzenschutz, und Frau Sengl würde sich ja auch die Haare färben. Zwischen den beiden entwickelte sich ein Wortgefecht, das die souveräne Moderatorin Eberl gerade noch eindämmte. Alle fanden sich jedoch in den Schlussworten eines Landwirts wieder: "Es ist ein irres Gefühl, wenn man tolle Lebensmittel herstellt. Wir sollten positiv denken und vorwärts schauen, was man alles machen kann."

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