Streit um Finanzierung:Berufsschul-Standort in Grafing-Bahnhof wackelt wieder

Grund sind unterschiedliche Auffassungen zur Kostenbeteiligung

Von Thorsten Rienth, Grafing

Grundstück für Berufsschulzentrum Ebersberg

Ein Grundstück für die Schule in Grafing-Bahnhof steht bereit. Nun aber können auch andere Gemeinden wieder ihren Hut in den Ring werfen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es gehe praktisch nur noch um Formalia, lautete die offizielle Lesart. Allein die Kostenaufteilung für das bereits erworbene Grundstück sei noch zu klären. Dann könnte in Grafing-Bahnhof auch schon losgebaut werden an der ersten Berufsschule im Landkreis Ebersberg. Selbst das Kultusministerium hatte von "endgültiger Klarheit" gesprochen. Inzwischen sind die Grundstücksverhandlungen zwischen Landkreis und Grafing derart festgefahren, dass nach SZ-Informationen sogar andere Standorte wieder zum Zug kommen könnten.

Von "ungleichen Wettbewerbsbedingungen" ist im Kreistag die Rede. Davon, dass man stets von einer "strikten Gemeindefinanzierung" des Berufsschulgrundstücks ausgegangen war. Und dass es deshalb Gemeinden gebe, die gar nicht erst über eine Standortbewerbung nachgedacht hätten. Weil sie mit Kosten in Millionenhöhe rechneten. Mit Summen, die ihnen eine Berufsschule nicht wert war.

Die Härte, mit der die Stadt verhandelt, stößt auf Kreisebene zunehmend auf Unverständnis

Stattdessen ergriff die Stadt Grafing die Initiative. Doch sie ist nur bereit, von den rund vier Millionen Euro Grundstückskosten einige hunderttausend Euro zu übernehmen. Grafing verweist auf ein Gutachten des Kommunalen Prüfungsverbands. Demnach sei eine umfangreichere Beteiligung untersagt. Die Finanzierung sei allein Sache des Landkreises. Die Grafinger Haltung ist nicht neu. Die Härte, mit der die Stadt verhandelt, stößt auf Kreisebene aber zunehmend auf Unverständnis.

Als sich unlängst die Fraktionsspitzen von Kreistag und Grafinger Stadtrat trafen, so heißt es, hätten sich die Grafinger deutliche Worte anhören müssen. Eine Berufsschule zum Null- oder Sondertarif werde man ihnen keinesfalls durchgehen lassen.

Zumal es nach Ansicht des Landratsamts sehr wohl "rechtlich tragfähige Lösungen" für eine Grafinger Co-Finanzierung gibt. Wie diese aussehen könnten, wollte das Landratsamt bislang nicht öffentlich darlegen. In zahlreichen Rathäuser im Landkreis teilt man die Auffassung aus dem Landratsamt jedoch. In der Tendenz umso deutlicher, je weiter die jeweilige Gemeinde geografisch von Grafing entfernt liegt.

Das neue Druckniveau blieb nicht ohne Grafinger Reaktion. Diese bietet nach SZ-Informationen an, das Grundstücksgeschäft mit dem Landkreis bis zum Sommer 2020 zurückzustellen. So hätten andere interessierte Gemeinden Gelegenheit, den Standort Grafing-Bahnhof auszustechen - zum Beispiel mit einer Grundstückskostenbeteiligung, die über der bisherigen Grafinger Zusage liegt.

Landratsamtssprecherin Evelyn Schwaiger und Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) wollten den Vorgang auf Nachfrage nicht kommentieren. Beide verwiesen auf die Vertraulichkeit der Verhandlungen. Schon am Montag, 6. Mai, könnte sich der Kreis- und Strategieausschuss des Kreistags mit der Angelegenheit befassen. Kaum denkbar, dass er das angebotene Grafinger Moratorium einfach ignoriert.

Ob die Schule wie geplant im Jahr 2022 startet, ist jetzt ungewiss

Wem ein solches mehr nutzt, ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum abschätzbar. Gibt eine andere Landkreisgemeinde ein attraktiveres Angebot ab - und stimmte dem auch das Kultusministerium zu: Grafing hätte seine sicher geglaubte Berufsschule verzockt. Bleiben die Offerten dagegen aus, wäre die Grafinger Verhandlungsposition plötzlich enorm verbessert. Wollte der Landkreis auf seine Berufsschule nicht verzichten, führte an Grafing kein Weg vorbei.

Im Kreistag wie in Grafing wird derweil ein weiteres Szenario durchgespielt: Was, wenn sich die Berufsschule in Grafing-Bahnhof durch eine geschickte Bauweise anstatt auf fünf Hektar auf lediglich dreien darstellen ließe? Die Grafinger Kalkulation sähe dann gänzlich anders aus. Eine solche Neubewertung ist weniger abwegig als es auf den ersten Blick scheint. Auch der einst gehandelte Berufsschulstandort in Zorneding war mit etwa drei Hektar veranschlagt.

Ursprünglich sollte die Berufsschule im Herbst 2022 den Betrieb aufnehmen. Bei einer endgültigen Standortentscheidung im Sommer 2020 dürfte dieses Zeitfenster kaum zu halten sein. Das Kultusministerium sieht es gelassen. "Wenn die Schule fertiggestellt ist, kann auch der Unterricht beginnen", erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Der Zeitpunkt hänge vom Landkreis Ebersberg ab.

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